Weltwirtschaft

Pulverfass Ostasien: Chip4 und die chinesische Bedrohung

Lesezeit: 3 min
24.08.2022 09:04
Auf Initiative der USA wurde mit Chip4 eine strategische Allianz ins Leben gerufen, die dafür sorgen soll, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu stärken.
Pulverfass Ostasien: Chip4 und die chinesische Bedrohung
TMSC ist der weltweit größte Auftragsfertiger von Chips und Apple der mit Abstand wichtigste Kunde. (Foto: dpa)
Foto: David Chang

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Noch vor Ende dieses Monats wollen sich die USA, Südkorea, Japan und Taiwan im Rahmen der sogenannten Chip4-Allianz treffen. Allerdings gibt es bereits im Vorfeld dieses Treffens einige Ungereimtheiten. Während Südkorea einem Treffen zugestimmt hat, behauptet Taiwan keine Einzelheiten über die Veranstaltung erhalten zu haben.

Chip4 versteht sich als eine strategische Allianz zwischen den großen Halbleiterunternehmen Taiwans, der USA, Japans und Südkoreas. Vor allem die USA möchte durch diese Allianz unabhängiger werden von Chinas Produkten, deren Lieferstopps oder Exportbeschränkungen, sowie die Halbleiter-Lieferkette verbessern, die Widerstandsfähigkeit stärken und weniger potenziellen Raum lassen für Manipulationen durch geopolitische Rivalen.

Staatliche Medien in China warfen der USA hingegen vor, dass die Chip4-Allianz ein von den USA ins Leben gerufenes Bündnis zur Schaffung einer Halleiterbarriere gegen China sei.

Südkorea zwischen zwei Stühlen

Bisher waren alle Augen auf Südkorea gerichtet, deren Halbleiter-Exporte zu rund 40 Prozent nach China gehen und diplomatische Beziehungen zu China unterhält. Während China seinem Handelspartner anfangs unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie eine solche Allianz missbilligten, hat sich der Ton mittlerweile aus Peking gemäßigt. Zumindest veröffentlichte das chinesische Außenministerium einen Tweet, in dem es darauf hinwies, dass sie ein Freihandelsabkommen mit Südkorea beschleunigen möchte.

Auf der anderen Seite ist Südkorea ein wichtiger Verbündeter der USA, und die bilateralen Bündnisse der USA mit Südkorea und Japan bilden das Fundament der Sicherheitsarchitektur im Indo-Pazifik.

China als potenzieller Angreifer

Gleichwohl ist es kaum zu bestreiten– trotz der Tatsache, dass sich Japan und Südkorea zunehmend gegen China stemmen, und mit eigenen Manövern andeuten, dass sie eine militärstrategische Vormachtstellung Chinas und Russlands in ihrer Region nicht hinnehmen wollen – dass das Gelingen der chip4-Allianz am seidenen Faden Chinas hängt.

Denn sollte China in den Krieg gegen den wichtigsten Verbündeten der Chip4 Allianz ziehen, hätte das nicht nur sicherheitspolitisch für den Asien-Pazifik-Raum Folgen, sondern auch die Auswirkungen auf die globale Chip-Produktion wären katastrophal. Dann, so prophezeien führende Wirtschaftsvertreter, werde es eine riesige Unterbrechung der Lieferketten geben.

Chip-Hochburg Taiwan

Zum besseren Verständnis: Taiwan produziert die besten Halbleiter der Welt und ist ein nicht zu ersetzendes Glied in der globalen Lieferkette. Übrigens: Bis ein Chip-Produkt beim Endkunden ankommt passiert es laut der Beratungsfirma Accenture mit Sitz im irischen Dublin mindestens 70-mal eine Landesgrenze.

Auch ist Taiwan die Heimat des größten und des drittgrößten Auftragsfertigers der Welt, TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) und UMC (United Microelectronics Corporation). Dabei istTSMC ist mit 53 Prozent weltweit der größte Chip-Auftragsfertiger vor Samsung aus Südkorea. Ob Apple, Tesla, AMD oder der Entwickler von Grafikprozessoren Nvidia – sie alle lassen ihre besten Chips für Smartphones, Laptops, E-Autos und Grafikkarten von TSMC produzieren.

ASE (Advanced Semiconductor Engineering) hingegen ist das größte Unternehmen für die Montage und das Testen von Chips, mit einem weltweiten Anteil von rund 25 Prozent, und befindet sich ebenfalls auf der Insel.

Selbst im Chip-Design, in dem die USA führend ist, belegt das Land mit seinen 23 Millionen Einwohnern Platz zwei. Schließlich ist Taiwan auch ein wichtiger Standort für Substrate und Laminate, mit denen das Silizium beschichtet wird.

Zwei Thesen

Während man in der Vergangenheit davon ausgegangen ist, dass China Taiwan nicht angreifen würde, weil bei einer Invasion wichtige Fabriken zerstört werden könnten, kommt die US-amerikanische Analysefirma IC Insights jedoch zum Schluss, dass China Taiwan gerade wegen seiner Chip-Industrie angreifen könnte. Denn China hinkt trotz milliardenschwerer staatlicher Subventionen technologisch hinterher. Durch eine Invasion, so IC Insights, könne sich China Taiwans Expertise unter den Nagel reißen.

China ist derzeit selbst von Taiwans Chip-Industrie abhängig. Ebenso wie Taipehs engster Verbündeter, die USA, und letztendlich alle Industriestaaten. Allein deshalb könnten sie versuchen, China von einer Invasion abzuhalten. Bereits vor zwanzig Jahren sprach man in diesem Zusammenhang von Taiwans Chip-Industrie als dessen „Silizium-Schutzschild.“

Doch wolle man den Teufel an die Wand malen, dann müsse man sich nur die Worte Xi Jinping in Erinnerung rufen, der im Januar 2919 verkündete, dass man eine „Wiedervereinigung“ mit Taiwan bis zum 100. Geburtstag der Volksrepublik notfalls mit Gewalt erzwingen will. Das ist in 27 Jahren. Allerdings befürchten einige Beobachter des Konflikts wesentlich früher eine chinesische Aggression gegen die wichtigste Chip-Hochburg der Welt.


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