Wirtschaft

Arktis-Seidenstraße: Russland öffnet neue Route für den Ölexport

Infolge der Sanktionen des Westens lohnt es sich für Russland, den deutlich kürzeren Schiffsweg durch die Arktis für Öl-Lieferungen an China zu nutzen.
Autor
11.11.2022 10:00
Lesezeit: 3 min
Arktis-Seidenstraße: Russland öffnet neue Route für den Ölexport
Die Schiffsroute von Russland durch die Arktis bis nach China steht vor einer großen Zukunft. (Foto: dpa) Foto: Esther Horvath

Russland hat eine zweite Rohöllieferung über den Schiffsweg durch die Arktis in Richtung China losgeschickt. Die Route im hohen Norden ist infolge der Sanktionen des Westens gegen Russland attraktiver geworden und könnte dem Land ermöglichen, seine Abnehmer in Asien künftig schneller und billiger mit Rohöl und anderen Waren zu beliefern.

Der eisbrechende Öltanker Vasily Dinkov hat Ende Oktober Rohöl von einem in Murmansk festgemachten Lagertanker geladen. Nun ist das Schiff ist mit einer relativ kleinen Ladung auf der nördlichen Seeroute unterwegs, wie Bloomberg berichtet. Am Wochenende passierte der Tanker die Beringstraße, die Russland vom US-Bundesstaat Alaska trennt. Am 17. November soll er im chinesischen Hafen von Rizhao in der östlichen Provinz Shandong eintreffen.

Weg durch die Arktis: Kürzer, aber Vorsicht Eisberge!

Die Route durch die Arktis nach China umfasst eine 5.310 Kilometer lange Fahrt über die Spitze Russlands und durch einige der härtesten Bedingungen für Schifffahrt der Welt. Eisberge und eisige Bedingungen sind an der Tagesordnung. Doch die Reise ist die kürzeste Passage zwischen Europa und Ostasien. Von den Häfen Russlands an der Ostsee dauert es nur halb so lange, China zu erreichen, wie auf der herkömmlichen Route durch den Suezkanal.

Die Zukunft der neuen Route hängt entscheidend davon ab, wie sich das Wetter entwickelt. Bisher wurde der größte Teil der russischen Öl-Förderung in der Arktis von kleinen Shuttle-Tankern in Murmansk auf Lagertankern gesammelt und dann auf größere Schiffe umgeladen, die hauptsächlich nach Europa lieferten. Dieser Handel wird nun zum Erliegen kommen, da die Europäische Union die meisten Importe aus Russland auf dem Seeweg ab dem 5. Dezember untersagt hat.

Die Vasily Dinkov ist ein technologisch sehr fortschrittliches Schiff mit einem speziellen eisbrechenden Rumpf. Insgesamt gibt es nur acht Schiffe, die in der Lage sind, solche Fahrten zu unternehmen, so Richard Matthews, Leiter der Forschungsabteilung bei E.A. Gibson Shipbrokers in London. "Es ist unwahrscheinlich, dass bis zum Sommer nennenswerte Mengen über diese Route verschifft werden können", sagte er.

Die Tatsache, dass die Verschiffung derzeit auch in der kalten Jahreszeit stattfindet, ist ein Hinweis darauf, dass die Temperaturen in der Arktis immer wärmer werden. Die Staats- und Regierungschefs der Welt kommen in den nächsten zwei Wochen in Ägypten zusammen, um über Möglichkeiten zur Bekämpfung des Klimawandels zu beraten. Doch die russische Schifffahrt durch die Arktis werden ihre Klimaentscheidungen wohl kaum stoppen können.

Wie die Sanktionen den Seehandel umkrempeln

Die Vasily Dinkov gehört zu einer Flotte von drei russischen Schiffen, die speziell für den Transport von Rohöl vom Exportterminal von Lukoil in Varandey nach Murmansk gebaut wurden, eine Reise, die normalerweise etwa zwei Wochen dauert. Durch den Einsatz des Schiffes für den Transport von Rohöl nach China wird es für bis zu acht Wochen von seinen normalen Aufgaben entbunden.

China hat die Menge des aus Russland importierten Rohöls zuletzt erheblich erhöht. Russland ist nun der größte Öllieferant für China. Infolge der Sanktionen muss dieses Jahr die gesamte Logistik auf See neu geplant werden. Denn die Lieferung von Russland nach Asien über den Suezkanal erfordern weitaus längere Fahrtzeiten als bisher nach Europa, was die Nachfrage nach Schiffen in die Höhe treibt.

Viktor Katona, leitender Rohölanalyst bei Kpler, einem Ölanalyseunternehmen, sagte, dass die nördliche Seeroute im Sommer von entscheidender Bedeutung" sein wird. "Europa ist bereits abgeschottet", sagte er. "Wenn sie [die Europäer] nicht kaufen, warum sollten sie [die russischen Schiffe] das ganze Universum umrunden, wenn sie die Nordseeroute nutzen können, um in 20 Tagen nach China zu gelangen?"

Die weitere Abschmelzung verbessert die Zugänglichkeit der Region von Jahr zu Jahr und öffnet sie mehr und mehr für den Handelsverkehr und die damit verbundenen Umweltrisiken. Der staatliche russische Energieriese Rosneft könnte den Transport von Rohöl über den Nördlichen Seeweg erhöhen. Sein Wostok-Öl-Projekt besteht aus mehreren Ölfeldern auf der nördlichen Halbinsel Russlands und soll bis 2024 täglich 500.000 Barrel produzieren.

Der Bau eines Ölterminals im Hafen von Sewer Bucht ist im Gange, der den Transport von Öl aus den Vostok Oil-Feldern entlang der Route sicherstellen wird, so Rosneft in einer Pressemitteilung, wodurch es zum größten Ölterminal Russlands wird. Der erste Öltransport über die Nördliche Seeroute fand 2019 statt. Seitdem hat es keine mehr gegeben, so Katona von Kpler.

Auch wenn kürzere Fahrten die Emissionen reduzieren, kritisieren Klimaschützer, dass die neue Route mehr Verkehr durch die Arktis führt und sich dadurch die Verschmutzung durch die Abgase der Tanker dort erhöht. Wenn der Ruß die Oberfläche des Eises verdunkelt, beschleunigt er zudem den Prozess der Erderwärmung, da er mehr Sonnenenergie absorbiert.

Zudem wären Unfälle in der Arktis aufgrund der Abgeschiedenheit der nördlichen Region und wegen der fehlenden Möglichkeiten zur Bekämpfung dieser möglichen Unfälle vor Ort ebenfalls problematischer als anderswo auf der Welt. "Ich bin mir nicht sicher, wie man eine Ölpest in diesem Teil der Welt beseitigen könnte", sagt Matthews.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Prognose: Startet die deutsche Wirtschaft 2026 endlich durch?
25.12.2025

Drei Jahre Flaute, kaum Wachstum – doch 2026 könnte die deutsche Wirtschaft endlich drehen. Prognosen deuten auf leichte Erholung,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Zahlungen per Smartphone steigen sprunghaft an
25.12.2025

Immer mehr Menschen zücken zum Bezahlen das Smartphone. Hinter den allermeisten Transaktionen stecken heute noch Debitkarten. Das könnte...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenpleite: Was passiert mit meinem Geld?
25.12.2025

Es ist eine tiefe Angst vieler Menschen – die eigene Bank, der man sein Erspartes anvertraut hat, geht bankrott. Erfahren Sie hier, wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Stablecoins vs. Digitaler Euro: Wie digitales Geld den globalen Zahlungsverkehr verändert
25.12.2025

Digitale Zahlungsmittel gewinnen zunehmend an Bedeutung und verändern, wie Geld transferiert und gespeichert wird. Stablecoins dringen in...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Debt im Fokus: Steigt das Risiko einer Finanzkrise an den US-Börsen?
25.12.2025

Die jüngsten Insolvenzen in der Autoindustrie haben an den internationalen Finanzmärkten eine neue Debatte über versteckte Risiken im...

DWN
Panorama
Panorama Initiative Jobsuche: Weshalb die Weihnachtszeit perfekt ist
25.12.2025

Während viele glauben, der Arbeitsmarkt schlummere zum Jahresende, öffnen sich gerade jetzt heimlich Türen. Eine erfahrene Coachin...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Tech-Aktien: Tech-Konzerne überflügeln Börsen und gewinnen neue Dominanz
25.12.2025

Die rasant steigenden Bewertungen der US-Techkonzerne verschieben die Kräfteverhältnisse an den globalen Finanzmärkten. Doch wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzmärkte zum Jahresende: Wie sich Anleger zwischen Rallye und Korrekturgefahr absichern
24.12.2025

Zum Jahresende verdichten sich an den globalen Finanzmärkten die Signale für Chancen, Risiken und mögliche Wendepunkte. Stehen Anleger...