Wirtschaft

Was die Öl-Sanktionen gegen Russland für Europa bedeuten

Im Kampf gegen Russland erbringen die EU-Staaten erhebliche Opfer. Dies zeigt nun erneut die Ausweitung der Russland-Sanktionen auf raffinierte Erdölprodukte.
Autor
23.01.2023 09:00
Lesezeit: 3 min
Was die Öl-Sanktionen gegen Russland für Europa bedeuten
Ab dem 5. Februar ist in der EU die Einfuhr von raffinierten Erdölprodukten auf dem Seeweg verboten, darunter auch Diesel. (Foto: dpa) Foto: Lars Klemmer

Ab dem 5. Februar wird sich die Europäische Union Großbritannien und den USA anschließen und die Einfuhr von russischem Diesel und anderen Ölprodukten auf dem Seeweg verbieten. Diese Maßnahme soll die Einnahmen Russlands aus seinen Energieimporten schmälern. Doch die EU riskiert dabei zugleich Versorgungsengpässe und einen erneuten Anstieg der Inflation.

Wenn nämlich die europäischen Verbraucher von Diesel und anderen Ölprodukten es nicht schaffen, alternative Bezugsquellen zu tragbaren Preisen zu finden, dann werden die Sanktionen die Kosten in einigen wichtigen Wirtschaftszweigen in die Höhe treiben, darunter etwa die Landwirtschaft und der Straßengüterverkehr.

Schon seit dem 5. Dezember ist in der EU der Import von Rohöl aus Russland über den Seeweg verboten. Zudem gilt für russisches Rohöl eine Preisobergrenze von 60 Dollar pro Barrel, die Unternehmen einhalten müssen, wenn sie weiterhin Rohöl von Russland kaufen wollen und dafür Dienstleistungen wie Versicherungen aus der EU in Anspruch nehmen wollen.

Die neuen Sanktionen ab dem 5. Februar betreffen nun russische raffinierte Kraftstoffe auf dem Seeweg. Russland ist auch ein wichtiger Exporteur von Naphtha, das zur Herstellung von Benzin und Kunststoffen verwendet werden kann, und von Heizöl, das häufig zur Stromerzeugung und in der Schifffahrt eingesetzt wird.

Außerdem exportiert Russland Düsentreibstoff, Vakuumgasöl und andere Erdölprodukte. Insgesamt entfielen im letzten Jahr 9,3 Prozent der weltweiten Ladungen von Erdölprodukten auf Russland, was etwa 0,5 Prozentpunkte mehr ist als sein Anteil am Rohölmarkt, sodass diese jüngsten EU-Sanktionen mindestens ebenso folgenreich sein dürften wie das Rohöl-Verbot.

Auf die gleiche Weise wie der Preisdeckel, den die EU, die G7-Staaten und Australien gegen russisches Öl verhängt haben, wird nun auch ein Preisdeckel gegen russische Ölprodukte verhängt. Jeder, der für aus Russland exportierte Produkte mehr als die Obergrenze bezahlt, wird von den wichtigsten teilnehmenden Ländern keine Versicherungen und Finanzierungen erhalten können.

Diese Maßnahme hat durchaus Folgen, da mehr als 95 Prozent der Hochseetanker weltweit über London versichert sind, wie Bloomberg berichtet. Selbst wenn Käufer in Afrika und anderswo bereit sind, russischen Diesel über dem Höchstpreis zu kaufen, wird der Großteil der Tanker nicht in der Lage sein, ihn zu transportieren.

Die Preise für Erdölerzeugnisse schwanken, und die G7-Staaten streben zwei Preisobergrenzen für die verschiedenen verarbeiteten Ölprodukte an. Doch die Höhe der Preisdeckel steht noch nicht fest. Es ist zu erwarten, dass ein Teil des russischen Treibstoffs zu höheren Preisen über eine "Schatten"-Tankerflotte verschifft wird, die nicht auf westliche Dienste angewiesen ist.

Am schwierigsten wird es sein, Ersatz für russischen Diesel zu finden, der Autos, Lkw, Traktoren, Schiffe, Produktions- und Baumaschinen antreiben. Im Jahr 2022 wurden rund 220 Millionen Barrel aus russischen Häfen in die EU verschifft. Daten von Rystad Energy zeigen, dass Russland mit einem Anteil von 29 Prozent an den gesamten Dieselimporten im vergangenen Jahr der größte Lieferant der EU war.

Mögliche Alternativen sind die Lieferanten im Nahen Osten, wo neue Raffinerien in Betrieb genommen werden, sowie Indien und die USA. Auch China könnte helfen, die Lücke zu schließen, falls die Unternehmen in China die erhöhten Exportquoten nutzen, um mehr Ölprodukte für den Weltmarkt verfügbar zu machen. Dadurch könnte zusätzlicher Diesel für den Export in die EU frei werden.

Doch die höheren chinesischen Exportquoten bedeuten nicht zwangsläufig, dass alle möglichen Exporte auch tatsächlich stattfinden werden, zumal sich Chinas Wirtschaft wieder öffnet, nachdem Peking seine strenge Null-Corona-Politik beendet hat. Es stellt sich auch die Frage, ob Russland weiterhin Diesel exportieren wird.

Sollte dies der Fall sein, würden die globalen Handelsströme (wie beim Rohöl) einfach neu geordnet werden. Es gäbe dann immer noch etwa dieselbe Menge an russischem Kraftstoff in der Welt, nur würde er an andere Orte geliefert werden. Sollte Russland jedoch nicht genügend Abnehmer finden und schließlich gezwungen sein, seine Produktion zu drosseln, könnte dies das weltweite Angebot schmälern.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hoffen, dass die neuen Sanktionen eine Delle in die russischen Finanzen reißen, ohne dass es in Europa zu einem Schock bei der Energieversorgung kommt. Wenn die Preisobergrenze zu niedrig ist, könnte Russland versuchen, sie zu umgehen. Ist der Preisdeckel zu hoch, muss es lediglich neue Abnehmer finden zu müssen, etwa die Türkei, Afrika und Lateinamerika.

Einige Länder könnten zudem einen Gewinn damit erzielen, dass sie russischen Diesel zu gedeckelten Preisen kaufen, um ihren Inlandsbedarf zu decken, und dafür den Kraftstoff aus ihren eigenen Raffinerien zu einem viel höheren Preis an die Staaten der EU verkaufen. Zudem können Käufer wie Indien oder Singapur russisches Rohöl kaufen, zu Kraftstoffen verarbeiten und dann rechtmäßig in die EU verkaufen.

Händler, die bereit sind, die Vorschriften vollständig zu umgehen, könnten russischen Kraftstoff in ein Land verschiffen, ihn mit anderen Kraftstoffen mischen (oder ihn einfach umetikettieren) und in die EU schicken, wie es derzeit etwa in Singapur geschieht. Es kann sehr schwierig sein, die wahre Herkunft solcher Ladungen nachzuweisen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Halbleiter-Aktien: Wie die ASML-Aktie zur europäischen Macht im Chipsektor wird
08.12.2025

Die US-Großbank Bank of America setzt in Europa auf einen Chipkonzern, der in einem neuen Wachstumszyklus steckt und die Branche unter...

DWN
Politik
Politik EU-Staaten beschließen schärfere Migrationspolitik
08.12.2025

Die EU zieht die Zügel in der Migrationspolitik an: Abschiebungen sollen leichter, Verteilung verpflichtender werden. Doch neue Regeln zu...

DWN
Politik
Politik Russland tobt nach Interview mit ehemaligen NATO-General Rob Bauer
08.12.2025

Ein explosiver Schlagabtausch zwischen Russland und einem früheren NATO-Spitzenoffizier schürt neue Ängste vor einer Eskalation. Moskau...

DWN
Politik
Politik EU-Kommission: Vorschläge zum Verbrenner-Aus nächste Woche
08.12.2025

Die EU-Kommission legt am 16.12. neue Vorschläge zum Verbrenner-Aus vor. Nach wachsender Kritik aus Industrie, Politik und Bevölkerung...

DWN
Finanzen
Finanzen Confluent-Aktie auf Höhenflug: IBM will Dateninfrastruktur-Spezialisten Confluent kaufen
08.12.2025

Ein Mega-Deal rückt die Confluent-Aktie schlagartig ins Rampenlicht: IBM bietet Milliarden für den Datenstreaming-Spezialisten Confluent....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VDA rechnet 2026 mit rund 693.000 neuen E-Autos
08.12.2025

Deutschlands Autokäufer stehen vor einem elektrischen Wendepunkt: Verbände prognostizieren deutliche Zuwächse bei Elektroautos und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtwechsel im Arbeitsmarkt 2025: Arbeitgeber geben wieder den Ton an
08.12.2025

Der Wind am Arbeitsmarkt 2025 dreht sich offenbar: Nach Jahren der Bewerbermacht gewinnen Unternehmen wieder Spielraum. Jan-Niklas Hustedt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzzahlen 2025: Warum Firmenpleiten weiter steigen
08.12.2025

Deutschlands Insolvenzzahlen klettern auf den höchsten Stand seit Jahren. Besonders Mittelstand, Handel und Autozulieferer geraten unter...