Weltwirtschaft

Europas Gasversorgung im Winter 23/24 wird schwierig

Lesezeit: 2 min
18.02.2023 14:26  Aktualisiert: 18.02.2023 14:26
Bei der Gasversorgung in Europa gibt es laut Energieagentur keinen Grund zur Entspannung. Die Preise könnten wieder steigen. Der nächste Winter wird kalt.
Europas Gasversorgung im Winter 23/24 wird schwierig
Das LNG-Cargo «Ish» (r) liegt am schwimmenden LNG-Terminal «Hoegh Gannet» (l) im Elbehafen Brunsbüttel. Begleitet wurde die Ankunft des ersten LNG-Cargos von einer Delegation des LNG-Lieferanten Adnoc (Abu Dhabi National Oil Company) sowie Vertretern der Landesregierung und RWE. (Foto: dpa/Brunsbüttel Ports GmbH | Helge Heggblum)
Foto: Helge Heggblum

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Europa steht nach Ansicht des Chefs der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, vor einer schwierigen Gasversorgung im Winter 2023/24. "Es ist nicht richtig, entspannt zu sein. Es ist nicht richtig, zu feiern ohne an den nächsten Winter zu denken", sagte Boril in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit Reuters-TV. Die deutsche Regierung habe zwar richtigerweise die Flüssiggas-Infrastruktur ausgebaut. "Aber Sie brauchen Gas", fügte der IEA-Chef warnend hinzu - und es könne sein, dass die LNG-Terminals gar nicht gefüllt werden könnten.

Denn 2023 sei die Summe des neuen LNG-Gases, das zusätzlich auf den Markt komme, mit 23 Milliarden Kubikmetern im Vergleich sehr gering. "Und China kommt zurück als einer der großen LNG-Importeure", sagte er in Anspielung auf die schwache chinesische Wirtschaft im vergangenen Jahr.

Selbst bei einem kleinen Anstieg des Wirtschaftswachstums würde China 80 Prozent des zusätzlichen Gases aufsaugen. "Auch wenn die Europäer Terminals haben, können sie vielleicht nicht genug Gas für Importe haben. Deshalb wird es im kommenden Winter nicht einfach für Europa."

Hintergrund ist auch, dass es Zeit braucht, um weltweit neue Gasfelder zu erschließen. Die Bundesregierung ist zwar mittlerweile bereit, dass auch fossile Ressourcen vorübergehend wieder gefördert werden. Aber mit einem starken Anstieg der Gasförderung, die dann russisches Gas ersetzen könnte, wird erst in einigen Jahren gerechnet.

Der IEA-Chef glaubt, dass die europäischen Regierungen viele gute Entscheidung getroffen hätten, aber eben auch Glück hatten. Es habe einen außergewöhnlich milden Winter gegeben, so dass der Gasverbrauch deutlich geringer ausfiel, betont Birol. Und die wirtschaftliche Schwäche Chinas habe dort den Gasverbrauch zum ersten Mal seit 40 Jahren gesenkt. Beide Faktoren könnten sich kommenden Winter ändern.

Selbst ein kleiner Anstieg des Wirtschaftswachstums würde dazu führen, dass China 80 Prozent des zusätzlich verfügbaren Gases aufnehme. "Es wird also weniger Gas für Europa übrig bleiben für den nächsten Winter", warnt Birol. Dazu komme die Möglichkeit, dass Russland die noch vorhandenen Gaslieferungen nach Europa ganz einstellt.

Die IAE-Chef hält es gleichzeitig für möglich, dass die zuletzt deutlich gesunkenen Gaspreise wieder nach oben gehen, wenn China als großer LNG-Importeur verstärkt auf den Markt kommt. "Ich denke, dass sich China einen Großteil des neuen Gases durch Verträge gesichert hat", nannte er als Erklärung. Europa müsse dagegen sehr hohe Preise zahlen, um sich dennoch mit Gas versorgen zu können. Als Konsequenz müssten alle deshalb Gas sparen, auch die Industrie. Der Ausbau der Erneuerbaren Energie müsse beschleunigt und es müssten mehr Wärmepumpen in Häusern eingesetzt werden.

RÜCKKEHR DER ATOMENERGIE

Der IEA-Chef sagte zudem ein starkes Comeback der Atomenergie voraus. "Die Länder, die sich in den vergangenen Jahren von der Atomkraft verabschieden wollten, sollten schauen, ob dies die beste Zeit ist, das zu tun", sagte er. Atomenergie erlebe ein starkes Comeback in der ganzen Welt, von Japan, Südkorea über die USA und Schweden. In Europa setzten etwa die wie Belgien auf die Laufzeitverlängerung ihrer Atommeiler. Hintergrund sei für die Regierungen vor allem die Sorge um die Versorgungssicherheit. "Atomenergie wird Teil des Energiemixes sein."

Auf die Frage nach Vorschlägen für die Bundesregierung reagierte Birol zurückhaltend. Deutschland sollte Selbstkritik wegen der jahrzehntelangen Abhängigkeit von einem Land und einer Firma über, sagte er in Anspielungen auf die Gasimporte durch Gazprom aus Russland. Er fügte hinzu, dass die begrenzte Verlängerung der noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland richtig gewesen sei. "Nun werden alle Energiequellen für den nächsten Winter gebraucht, einschließlich der Atomenergie", betonte Birol aber in Anspielung auf die endgültige Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland im Frühjahr. (Reuters)


Mehr zum Thema:  

DWN
Deutschland
Deutschland Habeck verspricht Wärmepumpen-Umstieg zum Preis einer Gasheizung

Wirtschaftsminister Habeck steht für seine Pläne, neue Öl- und Gasheizungen ab 2024 zu verbieten, in der Kritik. Nun verspricht Habeck...

DWN
Politik
Politik Russland spielt für China die Rolle des Juniorpartners

Der Ukraine-Konflikt hat Russland und China näher zusammengeführt. Die guten Beziehungen sind für China vorteilhaft, für Russland...

DWN
Finanzen
Finanzen Ratingagentur: Topbonität der Schweiz bei schwerer Finanzkrise in Gefahr

Die Rating-Agentur Scope warnt, dass die Schweiz ihre Top-Bonität bei einer schweren Finanzkrise verlieren könnte. Der Zusammenschluss...

DWN
Politik
Politik Verbrennerverbot: EU-Kommission will nun doch E-Fuel-Autos erlauben

Die EU-Kommission unterbreitet Deutschland beim Verbrennerverbot einen Kompromissvorschlag. Demnach sollen Autos, die nur mit E-Fuels...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenkrise: Allianz-Tochter Pimco schreibt mit CS-Bonds Millionenverluste

Die Bankenkrise zieht nun auch den größten Vermögensverwalter in Mitleidenschaft. Die Allianz-Tochter Pimco muss durch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen PCK Raffinerie: Wie Polen Schwedt die kalte Schulter zeigt

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat gerade ein sehr wichtiges Urteil in der Frage der Treuhandverwaltung der PCK Raffinierie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gastgewerbe startet mit Umsatzplus, bleibt aber noch hinter 2019-Niveau zurück

Hotels, Bars und Restaurants konnten zum Jahresbeginn ein Umsatzplus verbuchen. Bereinigt durch saisonale Effekte bleibt der Umsatz des...