Finanzen

Hohe Verluste: Muss der Steuerzahler die Bundesbank retten?

Die Deutsche Bundesbank hat mit Anleihen gigantische Verluste angehäuft. Nun steht sogar eine Rettungsaktion im Raum. Muss der Steuerzahler am Ende für die Verluste geradestehen?
Autor
27.06.2023 16:52
Aktualisiert: 27.06.2023 16:52
Lesezeit: 3 min
Hohe Verluste: Muss der Steuerzahler die Bundesbank retten?
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), begrüßt beim Festakt anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Europäischen Zentralbank Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank. (Foto: dpa) Foto: Arne Dedert

Die Deutsche Bundesbank muss möglicherweise rekapitalisiert werden, um die enormen Verluste zu decken, die die Notenbank mit Anleihegeschäften angehäuft hat. Das geht aus einem Bericht der des Bundesrechnungshofs hervor. Dieser hatte in seinem jüngsten Bericht davor gewarnt, dass die Bundesbank auf eine Geldspritze aus Berlin angewiesen sein könnte, um die Schieflage abzuwenden.

„Die möglichen Verluste der Bundesbank sind beträchtlich und könnten eine Rekapitalisierung der Bank mit Haushaltsmitteln erforderlich machen“, heißt es in dem Bericht des Bundesrechnungshofs, der der Financial Times vorliegt.

Wie es zu den Verlusten der Bundesbank kommen konnte

„Die möglichen Verlustvolumina der Bundesbank sind erheblich und könnten daher eine Rekapitalisierung der Bundesbank mit Haushaltsmitteln notwendig machen“, schreibt der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags. Das Finanzministerium erklärte gegenüber dem Handelsblatt, das es diese Schlussfolgerung nicht teile.

Im vergangenen Jahr erzielte die Bundesbank statt eines Gewinns nur eine schwarze Null. Mit weiter steigenden Zinsen droht sogar ein Verlust und womöglich stünde die Bundesbank dann sogar mit negativem Eigenkapital da. Bereits im März hatte die Bundesbank erklärt, dass sich die Verluste in den kommenden Jahren verschlimmern dürften und nicht mehr vollständig durch die bereits gebildeten Rückstellungen abgedeckt sein könnten. Diese beliefen sich zuletzt auf 19,2 Milliarden Euro.

Die Verluste der Bank rühren aus Anleihegeschäften in der Eurozone. Die jüngsten Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) hatten die Anleihen in der Bilanz der Bundesbank rapide im Wert gesenkt. Dadurch waren zusätzliche Kosten für die Risikovorsorge in Höhe von einer Milliarde Euro fällig geworden.

Muss der Steuerzahler die Bundesbank retten?

Bei ihrer letzten Stellungnahme im März brachte die Bundesbank noch die Variante eines Verlustvortrags ins Spiel. Dadurch könnten die nun auftretenden Verluste durch künftige Gewinne ausgeglichen werden und eine Rekapitalisierung durch den Staat würde nicht nötig werden. Doch mit zunehmend steigenden Zinsen laufen auch die Verluste allmählich aus dem Ruder und es ist völlig unklar, ab wann die Bundesbank mit ihren Anleihen wieder Gewinne einfährt.

In jedem Fall treffen die Verluste den Steuerzahler schon jetzt. Denn normalerweise schüttet die Bundesbank einen Teil ihrer Gewinne an den Staat aus, die dieser wiederum für die Finanzierung des Haushalts nutzt. Diese Ausschüttungen fallen nun weg, sodass das Finanzministerium neue Löcher im Haushalt stopfen muss – entweder Steuererhöhungen oder durch Kürzungen an anderer Stelle.

Die Risiken „könnten den Bundeshaushalt im Schadensfall erheblich belasten, im Extremfall könnten sie die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestags gefährden“, schreibt der Bundesrechnungshof in seiner Einschätzung. Die Rechnungsprüfer bezweifeln, dass die Bundesbank die Verluste in jedem Fall eigenständig tragen könnte.

„Denn nicht nur der Extremfall des Austritts eines großen Mitgliedsstaats aus der Währungsunion könnte bei der Bundesbank zu negativem Eigenkapital führen. Sondern auch die laufenden geldpolitischen Aktivitäten bergen angesichts ihrer Größenordnung das Risiko negativen Eigenkapitals bei der Bundesbank.“

Verfehlte EZB-Geldpolitik fällt Bundesbank auf die Füße

Der Bericht des Rechnungshofs nimmt das Programm der EZB zum Ankauf von Staatsanleihen ins Visier, das 2015 aufgelegt wurde und in dessen Rahmen die Bank Staatsanleihen von Ländern der Eurozone im Wert von 2,7 Milliarden Euro kaufte. Die Bundesbank kaufte im Rahmen dieses Programms deutsche Staatsanleihen im Wert von 666 Milliarden Euro, stellte den Ankauf weiterer Anleihen aber im vergangenen Jahr ein.

Der Ankauf großer Mengen von Anleihen zur Senkung der Kreditkosten, bekannt als quantitative Lockerung (QE), ist in Deutschland seit langem umstritten. Die Bundesbank sprach sich 2015, als die Zentralbank der Eurozone ihre Anleihekäufe startete, dagegen aus, wurde aber in der EZB überstimmt. Die Kritik des Rechnungshofs dürfte eine Wiederholung dieser Politik erschweren, zumal einige Ökonomen QE für das Anheizen der jüngsten Inflationswelle verantwortlich machen.

Peter Boehringer, stellvertretender Bundessprecher der AfD und Mitglied des Haushaltsausschusses, gab in einer Pressemittleilung etwas Entwarnung. Demnach seien die „aktuell in der Presse geäußerten Befürchtungen, dass die Bundesbank demnächst mit negativem Eigenkapital dasteht, etwas übersteigert“.

Solange kein Land aus dem Euro austrete und solange die Bundesbank keine Neubewertung ihrer Anleihebestände vornehme, dürften sich mögliche Verluste in Grenzen halten, so Boehringer. „Denn den verzinslichen Einlagen auf der Passivseite stehen auf der Aktivseite immerhin auch die Targetforderungen im Umfang von 1,1 Billionen Euro gegenüber, die aktuell mit vier Prozent verzinst werden. Etwaige dennoch auftretende Verluste aus dem operativen Geschäft können bis auf Weiteres noch durch Auflösung von Rückstellungen oder im Extremfall durch Verlustvorträge abgedeckt werden.“

Boehringer gab jedoch zu bedenken, dass das Vertrauen in das einstmals angesehene Geldinstitut sinke – und gab dafür der Geldpolitik der EZB eine Mitschuld. „Hätte die EZB nicht in nie dagewesener Weise Geld in die Märkte gepumpt, müsste die Bundesbank auch nicht die Überschussliquidität der Banken verzinsen, wodurch nun die Belastungen entstehen. Bereits jetzt ist ein Vertrauensverlust in die Stabilität der Bundesbank eingetreten, wie die Presselage belegt.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin 2026: Droht der nächste Crash oder ein neuer Reifegrad des Marktes?

Wie sich Bitcoin im Jahr 2026 verhalten wird, lässt sich nicht eindeutig voraussagen. Was sich jedoch belastbar analysieren lässt, sind...

DWN
Politik
Politik CDU-Vorsitz: Einstimmiges Votum aus NRW - Merz soll CDU-Chef bleiben
16.12.2025

Friedrich Merz erhält einstimmige Unterstützung aus NRW für eine weitere Amtszeit als CDU-Bundesvorsitzender. Der Vorschlag kommt von...

DWN
Politik
Politik Anschlag geplant? Terrorverdächtiger in Magdeburg reiste legal ein
16.12.2025

Mit Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem 21-jährigen Mann in...

DWN
Politik
Politik Sudan führt auch 2026 Krisenliste von Hilfsorganisation an
16.12.2025

Die Hilfsorganisation IRC erstellt jeden Dezember eine Liste von Krisenstaaten, die im Folgejahr zu beachten sind. Der Sudan steht im...

DWN
Finanzen
Finanzen Bargeld: Barzahlen wird bei Behörden zur Ausnahme - Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
16.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Finanzielle Unabhängigkeit für Führungskräfte: So sichern Sie echte Entscheidungsfreiheit
16.12.2025

Die meisten Führungskräfte träumen davon, unabhängig Entscheidungen treffen und nach eigenen Überzeugungen handeln zu können. In der...

DWN
Finanzen
Finanzen KGHM-Aktie aktuell: Warum der Kupfer-Boom jetzt zur globalen Gefahr wird
16.12.2025

Die Kupferpreise steigen schneller als jede Prognose und die KGHM-Aktie jagt von Rekordhoch zu Rekordhoch. Doch Analysten preisen nun...

DWN
Politik
Politik Deutsche Soldaten für Ukraine? Europäer bieten Schutztruppe an
16.12.2025

Eine Schutztruppe für die Ukraine? Bundeskanzler Merz und europäische Staatschefs haben einen Plan vorgestellt. Doch wie reagieren die...

DWN
Politik
Politik Bundestag Offline: Internet-Ausfall im Bundestag - kein russischer Cyberangriff
16.12.2025

Das Computernetzwerk des Deutschen Bundestags war flächendeckend ausgefallen. Da das Problem ungefähr zeitgleich mit dem Besuch des...