Unternehmen

Deutschland verliert gerade sein ökonomisches Fundament

Eine neue Umfrage bringt Alarmierendes zutage. Demnach ist Deutschland dabei, sein ökonomisches Fundament zu verlieren. Denn jeder vierte mittelständische Unternehmer denkt über eine Geschäftsaufgabe nach.
Autor
17.07.2023 20:35
Aktualisiert: 17.07.2023 20:35
Lesezeit: 2 min
Deutschland verliert gerade sein ökonomisches Fundament
Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, spricht beim Zukunftstag Mittelstand, dem Kongress und Jahresempfang 2023 des Bundesverbandes Der Mittelstand (BVMW). (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Die Umfrage des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) ist ein nicht zu überhörender Weckruf. Demnach denken 26 Prozent der Mittelständler darüber nach, ihr Geschäft aufzugeben, mehr als jeder fünfte Unternehmer erwägt der Umfrage zufolge, sein Geschäft ins Ausland zu verlagern.

Überbordende Bürokratie

Hauptgrund für diese krisenhafte Entwicklung ist die Klage der Unternehmer über eine überbordende Bürokratie, die unternehmerisches Handeln immer weiter erschwere. 32,5 Prozent der befragten Unternehmer haben angegeben, dass sie in den bürokratischen Hürden die Hauptschwäche des Wirtschaftsstandortes Deutschland sehen. Damit sieht fast jeder dritte Unternehmer in überzogenen Vorschriften einen eklatanten Nachteil Deutschlands. Der Geschäftsführer des Verbands der Mittelständischen Wirtschaft, Markus Jerger, sieht in den Ergebnissen der Umfrage „mehr als nur ein Warnsignal“. Es sei in hohem Maße alarmierend, wenn „heimatverbundene, tief verwurzelte Unternehmer“ über die Aufgabe ihres Geschäftes oder über eine Verlagerung ins Ausland nachdächten. Die Ergebnisse der Umfrage“, so Jerger, dürften „niemanden kaltlassen“.

Dabei sind die Vielzahl und die Kompliziertheit der Vorschriften nur ein Grund, warum mittelständische Unternehmer in Deutschland skeptisch in die Zukunft blicken. Als zweiter Negativpunkt schlagen – so das Ergebnis der Umfrage des Verbandes – zu hohe Steuern und Abgaben zu Buche. 26,3 Prozent der befragten Unternehmer gaben an, dass sie in der ihrer Meinung nach zu hohen Steuer- und Abgabenlast ein erhebliches unternehmerisches Hemmnis sehen, das den Wirtschaftsstandort Deutschland in seiner Attraktivität nachhaltig beeinträchtige. Ein dritter Negativpunkt aus der Sicht der Unternehmer ist der Fachkräftemangel in Deutschland – 25,8 Prozent der befragten Unternehmer gaben an, dass sie darin ein ernstes Problem für den Wirtschaftsstandort sähen.

Auf der Positivseite wurde an erster Stelle die geographische Lage Deutschlands angegeben – 42,7 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in der zentralen Lage Deutschlands in Europa einen Standortvorteil sehen. An zweiter Stelle folgt dann die Infrastruktur mit 39,4 Prozent. 37,4 Prozent der Unternehmer halten das gut ausgebildete Personal in Deutschland für einen Investitionsvorteil und 35,6 Prozent loben die politische Stabilität des Landes.

Sorgen in der Chemieindustrie

Trotzdem sind die Ergebnisse der Umfrage, an der sich 1200 Unternehmen beteiligt hatten, alarmierend, denn immer mehr Nachrichten aus der Wirtschaft deuten darauf hin, dass Unternehmer den Wirtschaftsstandort Deutschland zunehmend kritisch sehen. So berichtet der Verband der Chemischen Industrie (VCI) von einem rückläufigen Auftragseingang mehrerer Mitgliedsunternehmen. Demnach hätten im zweiten Halbjahr 2022 viele Mitgliedsunternehmen des Verbandes bereits die Produktion gedrosselt. Zudem habe, so der Chemie-Verband, die hartnäckig hohe Inflation sowohl die Kauf- als auch die Investitionslaune verdorben. So plane der Chemiegigant BASF an seinem Heimatsstandort Ludwigshafen 4200 Stellen zu streichen, während der Konzern gleichzeitig in China seine Präsenz verstärken möchte.

Wenig Erfreuliches meldet auch das zweite industrielle Standbein Deutschlands, die Autoindustrie. „Es brennt lichterloh“, wie der Markenchef von VW, Thomas Schäfer, die Lage der Branche vor Führungskräften seines Konzerns beschrieb. VW, Audi, BMW und Mercedes haben in den ersten fünf Monaten dieses Jahres ihre Produktion massiv heruntergefahren. Demnach liefen bei diesen Unternehmen auf dem Heimatkontinent rund eine halbe Million weniger Fahrzeuge vom Band als im gleichen Zeitraum des Vorjahres – dies entspricht einem Rückgang um 20 Prozent.

Die Bedeutung des Mittelstandes

Ein Abwandern der mittelständischen Wirtschaft aus Deutschland käme einer industriellen Kernschmelze gleich. Wie in keinem anderen Land hat die mittelständische Wirtschaft den Industriestandort Deutschland geprägt. Mehr als 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland werden dem Mittelstand zugerechnet. Zudem werden in mittelständischen Betrieben rund 80 Prozent der Auszubildenden betreut. Rund 45 Prozent der gesamten Wirtschaftsleitung in Deutschland werden in mittelständischen Betrieben erbracht.

Als mittelständischen Unternehmen gilt beispielsweise ein Unternehmen im produzierenden Gewerbe mit 50 bis 499 Beschäftigten mit nicht mehr als 50 Millionen Euro Umsatz im Jahr.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Wie schützt man seine Krypto-Wallet? CLS Mining ermöglicht Nutzern eine stabile tägliche Rendite von 6.300 €.

Der Kryptowährungsmarkt erholte sich heute umfassend, die Stimmung verbesserte sich deutlich. Meme-Coins führten den Markt erneut an....

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik EU plant Anpassungen an der DSGVO: Mehr Spielraum für KI zu Lasten des Datenschutzes?
19.11.2025

Die Europäische Union plant umfassende Änderungen ihrer Digital- und Datenschutzregeln, um Innovationen im Bereich künstlicher...

DWN
Politik
Politik Russisches Geld soll nach Kiew fließen - trotz Korruptionsskandals: Von der Leyen schreibt Merz & Co.
19.11.2025

Für die Nutzung der russischen Gelder werben insbesondere Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und von der Leyen. Ihr Plan sieht vor, der...

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie rutscht ab: Friedenspläne der USA zum Ukraine-Krieg belasten den Rheinmetall-Aktienkurs
19.11.2025

Die Rheinmetall-Aktie gerät nach frischen US-Friedenssignalen erneut in turbulentes Fahrwasser. Analysten bleiben optimistisch, doch die...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen im Fokus: Anleger reagieren auf überhitzte KI-Aktien und reduzieren ihre Positionen
19.11.2025

Investoren an den US-Börsen beobachten derzeit starke Bewegungen im KI-Sektor, während große Akteure gleichzeitig ihr Portfolio neu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Nach Exportbeschränkungen für Nexperia-Chips: Niederlande geben Kontrolle über Chip-Firma Nexperia ab
19.11.2025

Ende September hatte die niederländische Regierung die Kontrolle über Nexperia übernommen. China reagierte kurz darauf mit einem...

DWN
Finanzen
Finanzen Verbraucherumfrage: Debitkarten und Smartphones verdrängen Bargeld in Deutschland
19.11.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass in Deutschland das Bezahlen mit Debitkarte und Smartphone zunehmend das Bargeld verdrängt. Fast die...

DWN
Finanzen
Finanzen Rentenplus 2026? Wann Ruheständler steuerpflichtig werden
19.11.2025

Rentner aufgepasst: Kommendes Jahr könnten die Renten in Deutschland erneut steigen. Was einerseits erfreulich ist, kann andererseits dazu...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktienstrategie: Wie Profis erkennen, wann es Zeit zum Ausstieg ist
19.11.2025

Der perfekte Verkaufszeitpunkt an der Börse ist selten. Doch wer Gewinne nicht rechtzeitig realisiert, riskiert, sie wieder zu verlieren....