Unternehmen

Stellenabbau wegen KI: Jetzt trifft es auch die Hochqualifizierten

Der zunehmende Einsatz von KI verändert viele Branchen grundlegend und wird in Zukunft eine Reihe von Berufen überflüssig machen. Davon sind nicht nur einfache Tätigkeiten betroffen – auch Hochqualifizierte sind betroffen.
16.04.2024 15:00
Lesezeit: 4 min
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Der Chef der weltweit größten Bank JP Morgan, Jamie Dimon, vergleicht die Auswirkungen des KI-Einsatzes in Unternehmen mit anderen bahnbrechenden Erfindungen für die Arbeitswelt, wie der Dampfmaschine, der Elektrizität und des Internets. In seiner Bank werde KI bereits für viele hundert Anwendungen eingesetzt, auch im Marketing und im Risikomanagement. Auch Elon Musk prognostizierte letzte Woche, dass die KI bereits in den kommenden ein bis zwei Jahren intelligenter sein wird als der Mensch.

Betroffene haben Angst vor dem Jobverlust

Was für viele Unternehmer ungeahntes Potenzial verspricht, klingt für viele Arbeitnehmer bedrohlich – und das zu Recht. Laut einer aktuellen Prognose der Beratungsfirma McKinsey könnte ein dramatischer Stellenabbau weltweit drohen: Allein in den USA werden voraussichtlich 12 Millionen Erwerbstätige bis 2030 in einen neuen Beruf wechseln müssen. UPS hat bereits angekündigt, 12.000 seiner insgesamt 85.000 Stellen im Management abzubauen aufgrund der Effizienzsteigerung durch den Einsatz von KI. Preise könnten in Zukunft automatisch berechnet werden.

Lange Zeit hat die Automatisierung insbesondere einfache und wiederholbare Tätigkeiten betroffen. Durch die KI ändert sich dies nun aber fundamental. Auch hochqualifizierte Mitarbeiter müssen demnächst um ihren Job fürchten. Insbesondere betroffen sein könnten Buchhalter, Designer, Bauzeichner, Informatiker, Mathematiker, Gerichtsassistenten oder auch viele Sachbearbeiter. Die neuen KI-Technologien führen dazu, dass spezielles Know-how in vielen Berufen sehr schnell an Wert verliert. Hier geht es dann nicht nur um einen Jobverlust, die Betroffenen werden dann auch in anderen Unternehmen oder Branchen keine entsprechende Anstellung mehr finden. Ganze Berufskategorien werden verschwinden, so Professor Wolter von der Universität Bern. Wenig betroffen sein werden Berufe im Bereich der persönlichen Dienstleistungen, wie z. B. Pflege, Betreuung etc.

Laut Prof. Wolter sei die Angst, durch KI den Job zu verlieren, bei den Betroffenen bereits ausgeprägt. Sie seien deshalb bereit, in die eigenen Kompetenzen und Qualifikationen zu investieren. Allerdings sei dies in einem fortgeschrittenen Berufstätigenalter nicht mehr so leicht zu bewältigen. Auch müsse die Wirtschaft über ihre Einstellungspraxis für Quereinsteiger neu nachdenken. Immer noch sei die Quereinsteigerkultur in den Unternehmen wenig ausgeprägt und sie sind zu wenig bereit, fähige Leute einzustellen, die aus anderen Berufen oder Branchen kommen und die sie für eine längere Zeit neu einarbeiten müssen. Zu viel werden noch nach perfekten Kandidaten gesucht, notfalls auch aus dem Ausland. Die fehlende Flexibilität und auch Investitionsbereitschaft führe dazu, dass viel Potenzial bei fähigen Erwerbstätigen brach liege.

Auch das Schulsystem ist gefordert

Die Halbwertszeit erworbenen Wissens sinkt stetig. Deshalb sei auch das Schulsystem gefordert, dem technologischen Wandel Rechnung zu tragen. Dabei müsste die Vermittlung von wichtigen Future-Skills stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Hierbei handelt es sich um flexibel einsetzbare Fähigkeiten wie Lernkompetenz, Networking und auch Selbstmanagement.

Durch den Einzug der künstlichen Intelligenz in den Unternehmen werden Beschäftigte zunehmend gefordert, sich flexibel an die Unternehmensbedürfnisse anzupassen. Auch Akademiker mit ausgezeichneten Qualifikationen müssen deshalb eventuell wieder von vorne anfangen, wenn sie dann den „falschen“ Beruf gelernt haben.

„Blue-Collar“ Berufe wenig betroffen

Ein großer Teil der Arbeitnehmerschaft wird sich bei dieser Entwicklung jedoch in relativer Sicherheit befinden. Die sogenannten „Blue-Collar“-Berufstätigen, die hauptsächlich körperlich arbeiten, werden wenig vom Einzug KI-basierter Software in die Arbeitswelt betroffen sein. Hierzu gehören die Berufe des Handwerks und alle anderen Berufe, in denen körperliche und soziale Arbeit im Vordergrund steht.

KI-Software wird keine Krankenschwester ersetzen und auch den Fliesenleger nicht tangieren. Diese Berufe werden die Gewinner im technologischen Transformationsprozess sein und die Wirtschaft am Laufen halten, wenn die künstliche Intelligenz die Büros übernommen hat.

Studie des IWF: Bis zu 60 Prozent der Stellen betroffen

Nach einer aktuellen Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird eine KI-basierte Software in Unternehmen weitreichende Auswirkungen sowohl auf Berufe als auch auf Gehälter haben. Dabei könnte die künstliche Intelligenz in den entwickelten Industrieländern bis zu 60 Prozent aller Arbeitsplätze beeinflussen. Für die Hälfte dieser Arbeitsplätze würde der Einsatz eine Produktivitätssteigerung bedeuten, für die andere Hälfte jedoch eine Übernahme der Aufgaben durch die KI. In diesen Bereichen werden dann Jobs abgebaut und geringere Gehälter gezahlt.

Dies würde auch zu Verzerrungen und Ungleichheit in der Arbeitswelt führen. Dabei würden Arbeitnehmer, die sich gut mit KI-basierten Systemen arrangieren können, mit höheren Gehältern rechnen können, wohingegen andere dann zurückfallen würden. Der IWF sieht insbesondere für Arbeitnehmer mit Hochschulausbildung bessere Möglichkeiten, in Berufen zu landen, bei denen KI zu einer Produktivitätssteigerung führt.

Stimmung in Deutschland relativ entspannt

Wie eine neue repräsentative Umfrage der TU Darmstadt unter Beschäftigten in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten zeigt, sehen Beschäftigte mit geringen KI-Kenntnissen ihre eigenen Arbeitsplätze kaum in Gefahr, während die Befragten mit fortgeschrittenen KI-Kenntnissen deutlich weniger entspannt sind, was die Zukunft ihres Jobs betrifft. Kurz gesagt – wer wenig Ahnung davon hat, was KI-basierte Technologien demnächst leisten können, ist unbesorgter, wer das bereits absehen kann, ist sehr viel besorgter.

In Deutschland machen sich nur 22 Prozent der Befragten wegen KI Sorgen um ihre Arbeitsplätze, 65 Prozent sehen hingegen keine Gefahr. Das ist bei den Amerikanern und Briten anders. In diesen Ländern zeigte sich immerhin ein Drittel der Befragten besorgt und nur die Hälfte der Beschäftigten macht sich keine Sorgen.

Die relativ relaxte Einstellung in Deutschland wird auch zu einer Herausforderung für Wirtschaft und Politik. In diesen Zeiten von hohem Wettbewerbsdruck und Fachkräftemangel ist ein neues Bewusstsein für die Anforderungen des zukünftigen Arbeitsmarktes erforderlich, um die Beschäftigung und damit den Wohlstand im Land zu sichern. In Deutschland werden von Arbeitgebern angebotene Weiterbildungsangebote noch immer in sehr geringem Umfang von 18 Prozent im Jahr 2023 genutzt.

Die entspannte Einstellung der Deutschen zur KI könnte auch an ihren im internationalen Vergleich geringen Kenntnissen in diesem Bereich liegen, wie internationale Vergleiche bestätigen. Im World Digital Competitiveness Ranking liegen die Amerikaner mit ihren Digitalkenntnissen auf Platz 9, die Briten immerhin auf Platz 26. Die Deutschen hingegen landen auf Platz 58 der 64 untersuchten Länder.

 

 

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