Politik

Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst. Jetzt hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa neue Zahlen vorgelegt. Demnach sind Baerbeck, Habeck, Paus & Co. auf den niedrigsten Stand seit 2018 zurückgefallen.
19.04.2024 11:33
Aktualisiert: 19.04.2024 13:33
Lesezeit: 3 min
Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
Erinnerungsfoto vom Wahlerfolg 2019: Michael Kellner, Wahlkampfleiter Bündnis 90/Die Grünen für die Europawahl 2019, präsentiert die Kampagne seiner Partei (Foto: dpa). Foto: Soeren Stache

Eine besserverdienende junge Großstädterin in Westdeutschland mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn und Klimaangst - eine Akademikerin zumeist oder gar Beamtin. Die Grünenwähler sind inzwischen relativ genau zu bestimmen von den Meinungsforschungsinstituten. Das Problem ist nur: Jene Maria Mustermann ist mittlerweile eher als Randfigur im großen gesellschaftlichen Ganzen repräsentiert und reicht als Zielgruppe nicht aus, um Wahlen zu gewinnen.

Lange Zeit hat die grüne Parteiführung um Ricarda Lang die schlechter werdenden Umfragewerte als nur punktuelle Zwischentiefs abgetan und darauf verwiesen, dass es bei den Koalitionspartnern von SPD und Liberalen ja noch schlechter aussieht. Das war aber im vergangenen Jahr. Die FDP ist schon wieder über den kritischen fünf Prozent und scheint sich zu stabilisieren. Die SPD dümpelt bei nur 16 Prozent - auch in der Kanzlerfrage (17 Prozent für Olaf Scholz) sieht es da nicht besser aus.

Bei den Grünen hingegen beginnt es, plötzlich zeitversetzt kräftig zu bröckeln. Nur noch zwölf Prozent sind vom großen Wählerblock (20,5 Prozent bei der Europawahl 2019) übriggeblieben, der die beiden konkurrierenden Galionsfiguren Annalena Baerbock und Robert Habeck einst von Kanzlerschaft und Führungsrolle träumen ließ. Bei der kommenden Europawahl im Juni könnten die Zahlen laut Insa-Prognose sogar auf bis zu elf Prozent herunterrutschen (Forsa rechnet noch mit 14 Prozent).

Nichtwähler, Unentschiedene und Ampel gleichauf

Bei der aktuellen Umfrage hat Forsa ermittelt, dass die Grünen vor allem im Osten kaum noch Zustimmung finden und auf den Status einer Splitterpartei abrutschen könnten. In der Tendenz seien eher Frauen in Westdeutschland weiterhin für grüne Positionen aufgeschlossen. Indessen scheint sich die berühmte politische Mitte von den Grünen wieder abzuwenden - jene Wählerschaft, die sich noch 2021 ein Stück weit den Grünen geöffnet und zugewandt hatte.

Wenn man die jüngsten Forsa-Zahlen genauer anschaut sind neben dem schwarzen Block (und jenseits der AfD) drei fast gleichgroße Blocks übriggeblieben - die Nichtwähler, die Unentschiedenen und die Befürworter der derzeitigen Koalition. Für ein Weiter so nach der nächsten Wahl reicht das auf keinen Fall für die Ampel. An der CDU, die mit 31 Prozent weiter zugelegt hat, kommt aktuell niemand vorbei. Auch CDU-Chef Friedrich Merz persönlich ist seinem großen Ziel um einen Prozentpunkt näher gekommen, während Robert Habeck als Führungskraft im Kanzleramt nun noch 16 Prozent befürworten.

Baerbock überzeugt nicht als „Superwoman"

Das freilich steht im eigenartigen Kontrast zu Habecks (und Baerbocks) unverminderten Hoffnungen. Der eine gibt Erklärungen und Pressekonferenzen, als sei er der wahre Chef der Ampel-Koalition. Die andere jettet durch die Welt, als könnte man als Außenministerin der tristen wirtschafts- und innenpolitischen Lage entfliehen. Als Kanzlerin anzutreten dürfte ihr aber erst gelingen, wenn sie als „Superwoman" Putin oder wenigstens Netanjahu vom Frieden überzeugen kann. So etwas hat in seiner Zeit nicht mal der allseits beliebte Superheld „Genschman" vorzuweisen - Hans-Dietrich Genscher von der FDP, das große Idol aller diplomatischen Vielflieger.

Im Allensbach Institut hat man sich jüngst erst Gedanken macht, wer oder was eigentlich die Grünen auf Sinkflug geschickt hat. Dort lautet der Befund, dass keine der drei Regierungsparteien seit der Wahl 2021 so viel Sympathie eingebüßt hat wie die Grünen. Selbst politische Gegner attestierten der Partei grundsätzlich wichtige Positionen in der Politik zu vertreten. Das Problem scheint, dass die Spitzen mit der Umsetzung dieser Ziele viel zu forsch und rücksichtslos vorgehen. So kommt es, dass in der breiten Wählerschaft der Eindruck entsteht, die politische Agenda werde durch Ideologie und Randthemen bestimmt.

Die Sympathie schwindet, die Besserwisserei nervt

Familienministerin Lisa Paus und ihr penetrantes Beharren auf die Kindergrundsicherung und die dafür nötigen Tausende neuer Beamtenstellen steht symbolträchtig für die Kluft zwischen sozialpolitischen Ansprüchen und ökonomischer Wirklichkeit. Auch Umweltministerin Steffi Lemke vermag nur noch bei Hardcore-Anhängern im grünen Milieu Punkte zu sammeln, was an ihrer Verbohrtheit liegt und nicht etwa an ihren Themen. Dass Klimaschutz ein vorrangiges Problem ist und die Atomkraft nicht zwingend die Lösung, dem stimmt die große Mehrheit im Lande zu. Doch die Rigorosität, in der die Grünen immer alles besser wissen und den Bürgern alles vorschreiben wollen, kommt nicht gut an.

Bündnis 90/Grüne werden nach der Allensbach-Analyse mit 43 Prozent als die treibende Kraft innerhalb der Ampel wahrgenommen - deutlich vor der FDP, während die Kanzlerpartei in dieser Frage nur noch zehn Prozentpunkte erhält. Eine Reihenfolge, die den Wählern nicht passt. Die Folge ist eine große Enttäuschung, die sich vermutlich bei den kommenden Wahlen entlädt.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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