Politik

Deutsche Wirtschaft schrumpft schon wieder - Erholung bleibt aus

Die Konjunktur läuft im zweiten Quartal noch schlechter als erwartet. Und damit nicht genug: Wieder stärker steigende Verbraucherpreise könnten den Konsum der Bürger schwächen.
30.07.2024 15:37
Aktualisiert: 30.07.2024 15:37
Lesezeit: 3 min

Trübe Aussichten für die deutsche Wirtschaft: Nach einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal droht Deutschland der Rückfall in die Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging im zweiten Quartal überraschend um 0,1 Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden anhand vorläufiger Daten berichtet. Zugleich bleibt die Inflation hartnäckig: Im Juli gewann der Anstieg der Verbraucherpreise mit einer Rate von 2,3 Prozent nach vorläufigen Angaben der Statistiker wieder an Fahrt, nachdem die Inflation im Juni noch gefallen war.

Damit muss Europas größte Volkswirtschaft nach einer kurzen Erholung zu Jahresbeginn einen erneuten Rückschlag verkraften. Als Grund nannten die Statistiker schwache Investitionen und die Flaute am Bau. Das exportabhängige Deutschland zieht damit auch die Eurozone herunter, die laut Statistikamt Eurostat im zweiten Quartal dennoch um 0,3 Prozent gewachsen ist. Ökonomen zeigten sich enttäuscht, sie hatten für die deutsche Wirtschaft nach einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent im ersten Quartal nun zumindest ein leichtes Plus erwartet.

Die Hoffnungen auf einen stärkeren Konsum der Bürger im zweiten Halbjahr erhielten zudem umgehend einen Dämpfer mit den wieder anziehenden Verbraucherpreisen. Zugleich verharrte die Inflationsrate ohne die schwankungsanfälligen Preise für Nahrungsmittel und Energie („Kerninflation“) bei 2,9 Prozent.

Der Chefvolkswirt der Deka-Bank, Ulrich Kater, sieht dennoch Zeichen für eine weitere Beruhigung der Inflation in Deutschland: „Der Rohölpreis ist zuletzt weiter zurückgegangen. Dies zusammen mit einer langsamen Beruhigung des Preisauftriebs bei Dienstleistungen sollte die Inflation auch in den kommenden Monaten entlasten.“

Höchstens „blutleeres Wachstum“ im Gesamtjahr

„Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der Konjunkturumfragen beim Ifo-Institut. Vor allem in der Industrie, der es an Neuaufträgen fehle, lasse die Trendwende auf sich warten. Auch beim privaten Konsum laufe die Erholung schleppend.

Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zeige erneut, dass von einem nennenswerten Aufschwung keine Rede sein könne, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Der dreimalige Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas und die Schwäche der anderen Konjunkturindikatoren legen für das zweite Halbjahr allenfalls ein blutleeres Wachstum nahe.“

Sorgen um den Standort Deutschland

Im vergangenen Jahr war Deutschland in eine leichte Rezession gerutscht. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft bekam die Abkühlung der Weltkonjunktur ebenso zu spüren wie die hochgeschossenen Energiepreise und die rasant gestiegenen Zinsen. Zudem fehlen Fachkräfte und Unternehmen klagen über zu viel Bürokratie.

Eine erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juni hat für die deutsche Wirtschaft noch keine durchschlagende Besserung gebracht. Viele Ökonomen rechnen mit einer weiteren Zinssenkung im September. Doch die wieder gestiegene Inflation im Juli in Deutschland deutet darauf hin, dass die EZB noch Arbeit vor sich hat.“Eine Zinssenkung im September ist noch nicht ausgemacht“, sagt Carsten Brzeski, Ökonom bei der Bank ING.

Wachstumsprognosen nur knapp oberhalb der Null-Linie

Brzeski moniert, die deutsche Wirtschaftsleistung sei ebenso wenig überzeugend wie die bisherige Medaillen-Ausbeute des Landes bei den Olympischen Spielen in Paris. Besserung etwa bei den Exporten sei nicht in Sicht, weil sowohl die USA als auch China an wirtschaftlichen Schwung verlören. Deutschland bleibe der Verlierer der Eurozone, wo Länder wie Italien und Spanien zuletzt ein Wachstum verzeichneten.

Eine schnelle Erholung der deutschen Wirtschaft liegt in weiter Ferne: Für dieses Jahr erwartet die Bundesregierung lediglich ein Wachstum von 0,3 Prozent. Das zarte Wachstum im ersten Quartal erweist sich nur noch als Zwischenhoch. Ökonomen sprechen von einer „technischen Rezession“, wenn die Wirtschaft in zwei aufeinander folgenden Quartalen schrumpft. Für das dritte Quartal sei aber kaum Besserung zu erwarten, sagte Ifo-Experte Wohlrabe mit Blick auf das im Juli gesunkene Ifo-Geschäftsklima.

Abhängigkeit von Weltmärkten bremst Konjunktur

Immerhin ein paar Hoffnungsschimmer sehen Ökonomen für das zweite Halbjahr. Zwar stehe die wirtschaftliche Erholung auch im laufenden dritten Quartal auf wackligen Füßen, sagte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin bei der Förderbank KfW. „Der Dienstleistungssektor dürfte jedoch weiter expandieren und auch das Baugewerbe könnte angesichts einer wieder anziehenden Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten den Tiefpunkt überschritten haben“. Auch der private Konsum könnte Lichtblicke liefern.

Trendwende erst 2025 erwartet

Die Bundesbank erwartet für das dritte Quartal ebenfalls eine etwas stärkere Konjunktur. Doch auch die Notenbank sah in ihrem jüngsten Monatsbericht das Risiko, dass das Wachstum der Wirtschaftsleistung hinter den jüngsten Erwartungen zurückbleiben könnte. Im Juni hatten die Währungshüter für dieses Jahr ein Wachstum um 0,3 Prozent erwartet. Erst 2025 dürfte sich der Bundesbank zufolge die Lage bessern. Dann erwartet sie ein Wachstum der deutschen Wirtschaft um 1,1 Prozent.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kassenbeiträge 2026: Gesundheitsministerium hält Orientierungswert stabil
10.11.2025

Für das kommende Jahr plant Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, den maßgeblichen Orientierungswert für die Entwicklung der...

DWN
Technologie
Technologie KI-Rechenleistung wächst rasant – Europa bleibt im Rückstand
10.11.2025

Die Rechenkapazitäten für Künstliche Intelligenz in Deutschland und Europa sollen laut einer Bitkom-Studie bis 2030 vervierfacht werden....

DWN
Finanzen
Finanzen Goldreserven: Wie der Ukraine-Krieg eine neue Geldordnung auslöst
10.11.2025

Während der Krieg in der Ukraine weiter tobt, sichern sich Zentralbanken weltweit mit Gold ab – aus Furcht vor Sanktionen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Förderstopp bremst Chinas Autoindustrie – auch deutsche Marken betroffen
10.11.2025

Nach dem Ende staatlicher Subventionen für Autos ist der chinesische Pkw-Markt erstmals seit Monaten leicht rückläufig. Im Oktober...

DWN
Politik
Politik Oberstes Gericht könnte Trumps Zölle kippen: Doch was dann?
10.11.2025

Das Oberste Gericht der USA prüft, ob Donald Trump seine Zölle rechtswidrig verhängt hat. Doch selbst wenn die Richter seine Politik...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fachkräfte von morgen fehlen: Zahl der Azubis in Deutschland sinkt weiter
10.11.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland steht unter Druck: Immer weniger junge Menschen beginnen eine Lehre, während viele...

DWN
Politik
Politik Wagenknechts Zukunft im BSW: Rückzug aus der Parteispitze
10.11.2025

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht will den Bundesvorsitz ihrer Partei abgeben. Dies teilte die 56-Jährige in Berlin mit. Gleichwohl will sie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt zieht an: Preise für Wohnungen und Häuser steigen kräftig
10.11.2025

Die Preise für Immobilien in Deutschland steigen wieder spürbar – besonders in den Metropolen. Laut aktuellen Zahlen des Verbands...