Panorama

Biodeutsch: Unwort des Jahres 2024 als Symbol für Alltagsrassismus

Der Begriff "biodeutsch" wurde zum "Unwort des Jahres 2024" gekürt. Die Jury kritisierte die diskriminierende Verwendung des Begriffs, der Deutsche nach vermeintlich biologischen Kriterien einteilt. Kabarettist Muhsin Omurca, der das Wort ursprünglich ironisch prägte, zeigt sich überrascht. Auch andere Begriffe stehen im Fokus.
19.01.2025 07:58
Lesezeit: 2 min
Biodeutsch: Unwort des Jahres 2024 als Symbol für Alltagsrassismus
Die Jury kürte "biodeutsch" zum Unwort des Jahres 2024 und kritisiert den Begriff scharf. (Foto: dpa) Foto: Christian Lademann

Der Ausdruck "biodeutsch" wurde zum "Unwort des Jahres 2024" gewählt. Dieser Begriff fand im vergangenen Jahr verstärkt Eingang in öffentliche Debatten, Medien und soziale Netzwerke, wobei er dazu diente, Menschen nach vermeintlich biologischen Abstammungskriterien zu kategorisieren, bewerten und auszugrenzen. Die Jury der sprachkritischen "Unwort"-Aktion erklärte in Marburg, dass diese Einteilung, verbunden mit dem wörtlichen Gebrauch von "biodeutsch", eine Form von Alltagsrassismus sei, der Deutsche in "echte" und "zweiter Klasse" aufteile.

Unwort des Jahres 2024: Ursprung des Begriffs "biodeutsch"

Ursprünglich wurde der Begriff "biodeutsch" vom Kabarettisten und Cartoonisten Muhsin Omurca als "ironische Fremdbezeichnung" eingeführt, erklärte Constanze Spieß, Jury-Sprecherin und Sprachwissenschaftlerin der Marburger Philipps-Universität. Inzwischen werde das Wort jedoch häufig gedankenlos und im wörtlichen Sinn genutzt, um "Deutschsein" naturbezogen zu rechtfertigen. Es diene damit der Abwertung und Abgrenzung gegenüber Deutschen mit Migrationsbiografie.

Wie Spieß weiter ausführte, werde der Begriff über viele gesellschaftliche Bereiche hinweg verwendet – von beiläufigen Erwähnungen in Medien bis hin zu politischen Reden. Ein Beispiel sei die Verwendung des Begriffs durch Friedrich Merz (CDU) auf dem CSU-Parteitag im Oktober 2024. Insbesondere in rechten Kreisen finde das Wort eine biologistische Deutung und werde genutzt, um eine angebliche Homogenität des deutschen Volkes zu propagieren.

"Heizungsverbot" belegt zweiten Platz

Auf Platz zwei der "Unwörter des Jahres" landete der Begriff "Heizungsverbot". Dieser Ausdruck, im Zusammenhang mit dem Gebäudeenergiegesetz häufig verwendet, sei laut Jury eine irreführende Bezeichnung, die gezielt dazu genutzt werde, klimaschützende Maßnahmen zu diskreditieren.

Die Jury, die hinter der unabhängigen und ehrenamtlichen Aktion "Unwort des Jahres" steht, besteht aus vier Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern, einer Journalistin sowie jährlich wechselnden Mitgliedern.

Weitere prämierte Begriffe und Juryentscheidungen

In diesem Jahr waren unter anderem die Publizistin und Politologin Saba-Nur Cheema sowie Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Teil der Jury. Sie kürten den Ausdruck "importierter Antisemitismus" zu ihrem persönlichen "Unwort". Dieser Begriff suggeriere, dass Judenhass primär durch Zuwanderung von Migranten ein Problem geworden sei. Laut Jury werde der Ausdruck von rechten Kreisen verwendet, um Musliminnen und Muslime sowie Menschen mit Migrationsbiografie zu stigmatisieren und vom eigenen Antisemitismus abzulenken.

Kabarettist Omurca über die Wahl

Muhsin Omurca zeigte sich überrascht darüber, dass "biodeutsch" so stark an Bedeutung gewonnen hat. "Ich hätte nicht gedacht, dass der Begriff so eine Karriere machen würde", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Für ihn sei es eine Art persönliches Denkmal.

Der Begriff sei ursprünglich als satirische Pointe gedacht gewesen. "Wie bei jedem Kunstwerk bleibt die Interpretation offen", erklärte Omurca. Dass rechte Kreise in der Wortschöpfung einen Identifikationsbegriff sähen, sei für ihn eine Ironie. "Das Wort kommt von einem Türken, und sie identifizieren sich damit – unglaublich!", kommentierte er. Letztlich habe das Wort aber seinen Weg gefunden: "Wenn einige es als Witz sehen – großartig. Wenn andere es als Selbstdefinition nehmen, ist das auch in Ordnung."

Kriterien und Auswahlprozess

Das "Unwort des Jahres" wird auf Basis von Kriterien ausgewählt, die Bürgerinnen und Bürger mit Vorschlägen einreichen können. Im Jahr 2024 gingen 3.172 Einsendungen mit insgesamt 655 verschiedenen Begriffen ein. Rund 80 davon erfüllten die Voraussetzungen der Jury.

Laut den Verantwortlichen kommen Begriffe infrage, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, diskriminieren oder irreführend sowie euphemistisch wirken. Dabei ist nicht entscheidend, wie häufig ein Begriff vorgeschlagen wurde.

Rückblick: "Remigration" 2023

Im Vorjahr wurde "Remigration" zum "Unwort des Jahres" gewählt. Der Begriff, vor allem von Rechtsextremisten verwendet, bezeichnet in der Regel die erzwungene Rückführung von Menschen ausländischer Herkunft und wurde von der Jury als ein Begriff eingestuft, der die Würde von Betroffenen missachte und spalte.

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