Wirtschaft

Euro-Kurs wird zur Gefahr: Europas Exporte brechen ein

Ein starker Euro, schwaches Wachstum, neue US-Zölle – Europas Wirtschaft gerät unter Druck. Die EZB warnt, doch die Lage droht zu eskalieren.
06.07.2025 15:53
Lesezeit: 3 min
Euro-Kurs wird zur Gefahr: Europas Exporte brechen ein
Der starke Euro treibt Europas Industrie in die Krise. (Foto: dpa/Arne Dedert) Foto: Arne Dedert

Starker Euro, schwaches Wachstum – Europas fatale Schieflage

Starke Währung bei schwachem Wachstum – das ist nicht normal. Ein starker Euro-Kurs plus Trumps Zölle – das ist doppelt gefährlich, schreibt das Wirtschaftsportal Finance. Die Angst vor Inflation weicht der Angst vor Deflation. Der Euro ist gegenüber dem Dollar dieses Jahr um 14 Prozent gestiegen. Gegenüber dem britischen Pfund um vier Prozent. Aktuell liegt der Kurs bei 1,18 Dollar je Euro. Die Frage nach dem teuren Euro hängt über der Geldpolitik, über den Exporteuren, über den Bürgern.

Die EZB meidet Aussagen zum Euro-Kurs wie der Teufel das Weihwasser – üblich und angemessen für Notenbanken. Dennoch sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos gegenüber Bloomberg: „1,17 oder sogar 1,20 Dollar je Euro sind nichts Besonderes. Das ist akzeptabel und können wir übersehen. Doch alles darüber wird deutlich komplizierter.“ Was passiert, was ist üblich, was nicht, wer gerät unter Druck, was ist zu erwarten? Entscheidend bleibt auch, was mit Trumps Zöllen passiert, die am 9. Juli fixiert werden sollen.

5 Folgen eines starken Euro-Kurses

1. Währungen von Ländern mit US-Zöllen fallen – nicht der Euro

Normalerweise schwächt sich die Währung betroffener Länder ab. Beim Euro ist das nicht der Fall. Was treibt den Euro-Kurs nach oben? Zuerst die Unsicherheit, die Trump, seine Politik, sein Kurswechsel verursachen. In den USA schwindet das Vertrauen, Respekt vor Trump fehlt. Investoren suchen neue Zufluchtsorte – zum Teil, noch immer nur zum Teil, finden sie ihn im Euro. Dazu kommt der große europäische, vor allem deutsche Investitionsplan – Ausgaben für Verteidigung, Militär, Sicherheit, Infrastruktur, Unternehmen. Zur Erinnerung: Die EU erzielt im Handel mit den USA einen Überschuss, 2024 lag er bei 50 Milliarden Euro. Handelsüberschüsse verteuern üblicherweise die Währung. Das alles gleicht die negativen Effekte der Zölle aus. Der Euro steigt – schneller als erwartet.

2. Euro steigt, obwohl die EZB schneller lockert als Fed

Auch das ist ungewöhnlich. Die EZB senkt die Zinsen doppelt so schnell wie die Fed oder die Bank of England – dennoch bleibt der Euro stabil. Die EZB-Zinsen liegen bei zwei bis 2,40 Prozent, der Leitzins in Großbritannien bei 4,25 Prozent, ebenso der US-Zins bei 4,25 bis 4,50 Prozent. Niedrigere Zinsen sollten eigentlich die Währung schwächen.

3. Europas schwaches Wachstum – und trotzdem teurer Euro

Trotz Prognosen, dass das US-Wachstum 2025 unter dem Vorjahr liegt, wächst die US-Wirtschaft schneller als die Eurozone. Die OECD erwartet für die USA dieses Jahr 1,6 Prozent BIP-Wachstum, für die Eurozone ein Prozent, für Großbritannien 1,3 Prozent. Der IWF prognostiziert 1,8 Prozent Wachstum für die USA, 1,1 Prozent für Großbritannien, 0,8 Prozent für die Eurozone. „Schwächeres Wachstum bei stärkerer Währung – das ist ein doppeltes Problem für Europa“, sagte der Europa-Chefstratege von Barclays zu Reuters.

4. Zölle und starker Euro: Problem für Europas Exporte

Europa ist Exportweltmeister. „Historisch führt ein zehnprozentiger Anstieg des Euro zu zwei bis drei Prozent Gewinnrückgang der Unternehmen“, warnte ein Anlagestratege von BNP Paribas gegenüber Reuters. Die angekündigten Zölle verschärfen die Unsicherheit, dämpfen die Gewinnerwartungen. Europäische Produkte sind in den USA teuer – der starke Euro verteuert sie, die Zölle kommen obendrauf. Große Unternehmen berichten bereits für das erste Quartal von Auftrags- und Umsatzrückgängen in den USA, vor allem bei Konsumgütern. Schwachpunkt bleiben die europäischen Autohersteller – sie leiden zusätzlich unter harter Konkurrenz aus China.

5. Teurer Euro: Angst vor Deflation wächst

Die Inflation in der Eurozone liegt im Juni exakt bei den angestrebten zwei Prozent. Die Inflationsangst weicht der Deflationsfurcht. „Man will es noch nicht zugeben, aber der starke Euro wird zunehmend zum Problem“, sagte der Chefvolkswirt von ING zu Bloomberg. „Ein weiter steigender Euro bringt nicht nur Deflationsdruck, sondern gefährdet die ohnehin geschwächte Exportindustrie.“ „Die Eurozone will keinesfalls in eine Deflation wie 2010 abrutschen“, betonte die Zinsexpertin der kanadischen Bank TD Securities in der Financial Times.

Was bleibt der EZB im Kampf gegen Deflation? Weitere Zinssenkungen. Märkte und Analysten rechnen mit einer weiteren EZB-Senkung auf 1,75 Prozent – also minus 0,25 Prozentpunkte. Doch es gibt drastischere Szenarien: Sollte der Euro weiter steigen und bald über 1,25 Dollar je Euro klettern, könnte die EZB laut Financial Times sogar um 0,5 Prozentpunkte senken.

Starker Euro-Kurs: Was kann die Politik tun?

Angesichts der widersprüchlichen Lage bleibt der Politik nur ein schmaler Handlungsspielraum: Die EZB kann mit weiteren Zinssenkungen reagieren – riskiert dabei aber den Vertrauensverlust in ihre Stabilitätspolitik. Parallel müssen europäische Regierungen Wachstumsimpulse setzen, etwa durch gezielte Investitionen und Reformen. Nur mit abgestimmter Geld- und Fiskalpolitik lässt sich die fatale Schieflage zwischen starkem Euro und schwachem Wachstum mittelfristig korrigieren.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Immobilien
Immobilien Unser neues Magazin ist da: Urbane Zukunft – von Smart-Cities bis hin zu futuristischen Utopien
18.12.2025

Städte entscheiden, wie Freiheit, Wohlstand und Klimaschutz in der nahen Zukunft zusammengehen. Zwischen Sensoren, Sanierungswellen und...

DWN
Technologie
Technologie SMR in Schweden: Blykalla sichert fast 48 Mio Euro für KI-Energie
18.12.2025

Blykalla sammelt fast 48 Millionen Euro für kleine modulare Reaktoren (SMR) ein. Investoren aus Schweden, den USA und Japan setzen auf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steuersenkung in Restaurants: Warum Gäste kaum profitieren
18.12.2025

Die Politik senkt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie - wird der Restaurantbesuch damit endlich wieder erschwinglicher? Wohl kaum....

DWN
Politik
Politik Trumps Rede an die Nation: Eigenlob und Schweigen im Walde
18.12.2025

Zwischen Weihnachtsbäumen und Selbstlob inszeniert Donald Trump seine Rede an die Nation als Erfolgsgeschichte. Er verspricht...

DWN
Politik
Politik EU-Gipfel in Brüssel: Streit um russisches Vermögen und Mercosur-Freihandelsabkommen
18.12.2025

In Brüssel beginnt ein EU-Gipfel, der über Milliarden und Handel entscheidet. Es geht um festgesetztes russisches Vermögen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitaler Euro: Kryptowährung für den Euroraum kommt – EU-Finanzminister ebnen den Weg
18.12.2025

Die EU-Finanzminister haben sich zweieinhalb Jahre nach dem Start des Gesetzesverfahrens auf eine Kryptowährung für die Eurozone...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsen: Warum Europas Geldpolitik zur Falle werden könnte
17.12.2025

Die EZB signalisiert das Ende der Zinssenkungen – und plötzlich zieht die Eurozone die Risiken einer neuen Straffung an. Europas...

DWN
Politik
Politik Drohnenabwehrzentrum startet: Bund und Länder bündeln Kräfte zur Gefahrenabwehr
17.12.2025

In Berlin startet ein neues Drohnenabwehrzentrum, das Behörden, Bundeswehr und Nachrichtendienste enger verzahnen soll. Drohnensichtungen...