Finanzen

Die EZB: Spezialist für die Vernichtung von Vermögen

Lesezeit: 7 min
25.03.2023 09:51  Aktualisiert: 25.03.2023 09:51
Die EZB und alle anderen Zentralbanken richten seit der Finanzkrise 2008 ein Unheil nach dem anderen an, das stets mit der Vernichtung von Vermögen endet.
Die EZB: Spezialist für die Vernichtung von Vermögen
EZB-Chefin Christine Lagarde. Die Methoden der Zentralbanken vernichten Vermögen. (Foto: dpa)
Foto: Olivier Matthys

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Die Zentralbanken richten seit der Finanzkrise 2008 ein Unheil nach dem anderen an, das stets mit der Vernichtung von Vermögen endet. Es gibt aber keine Instanz, die diesem Treiben ein Ende bereiten könnte. Eine Zentralbank und im Besonderen die EZB in Frankfurt ist als eine unantastbare Einrichtung konzipiert, deren Aktivitäten und Methoden von nichts und niemandem in Frage gestellt werden dürfen. Diese gottähnliche Position ist für die Akteure sehr angenehm, weil man immer vermeintlich im Recht ist. Die Alternative, Notenbanker nur werken zu lassen, wenn sie eine demokratische Legitimation haben, bringt auch nichts: Dann müssten die Währungshüter jeden Wunsch der Wähler erfüllen und das Unheil wäre noch größer. Es gibt also keinen institutionellen Ausweg. Das Schicksal der Finanzwirtschaft hängt vom Zufall ab, der eine unbeugsame, kenntnisreiche und kluge Persönlichkeit an die Spitze der Zentralbank bringt. Diese sind allerdings selten und werden heftig bekämpft.

Vermögensvernichtung Nummer 1:

Das absurde und schädliche Drehen an der Zinsschraube

Ein dominierendes Merkmal war und ist die Zinspolitik. Nach der Finanzkrise 2008 wurden Zinsen zuerst auf ein niedriges Niveau gedrückt, weil man hoffte, dass dieser Schritt den Staaten bei der Bewältigung der Budgetdefizite helfen könnte und den Unternehmen die Finanzierung von Investitionen erleichtern würde. Soweit konnte man noch folgen. Es zeigte sich aber, dass beide angestrebten Effekte nicht eintraten. Aus gutem, oder genauer, aus schlechtem Grund. Den überschuldeten Staaten hilft nur eine tatsächliche Sanierung und für diese ist die EZB nicht zuständig. Bei den Unternehmen kam das Geld nur in beschränktem Umfang an, weil die Regularien rund um Basel III als Kreditbremse wirkten.

Die Ergebnislosigkeit der Niedrigzinspolitik versuchte man mit einer weiteren Lockerung der Zinsschraube zu korrigieren und erfand die Null- und Minuszinsenpolitik. Dieser Schritt rettete die bankrotten Staaten auch nicht und nützte den Unternehmen wenig. Allerdings wurden alle Spargelder, Anleihen, Lebensversicherungen und sonstigen nominalen Geldveranlagungen beschädigt. Es gab nicht nur keinen Ertrag, es gab nicht einmal einen Inflationsausgleich, obwohl in dieser Phase die Teuerung niedrig war. Das Ergebnis. Eine Vernichtung von Vermögen.

Plötzlich war hemmungsloses Geld drucken nicht mehr verwerflich

Eigentlich war eine Grundlage der Finanzwirtschaft schon als selbstverständlich erkannt worden: Die Geldmenge muss in Relation zur tatsächlich erzielten Wirtschaftsleistung gehalten werden. Stimmt dieses Verhältnis nicht, kommt es zu einer Entwertung des Geldes, also zur Inflation. Leider ist die Höhe der richtigen Geldmenge nicht genau feststellbar, auch ist in Schwächephasen eine lockere Politik angemessen, in Perioden überschäumender Konjunktur eine restriktive Vorgangsweise notwendig. Währungspolitik ist die Kunst, in diesem vielschichtigen Gebilde den passenden Weg zu gehen.

Mit der Berufung von Mario Draghi zum Präsidenten der EZB wurden all diese Aspekte zur Seite geschoben. Die überschuldeten Staaten, allen vor Draghis Heimatland Italien, bekamen damals von den Märkten die Quittung für ihre maroden Finanzen und konnten entweder überhaupt keine Mittel von den Anlegern erhalten oder nur zu extrem hohen Zinsen. Also kaufte die EZB unter Draghi niedrig verzinste, im Markt nicht unterzubringende Anleihen, die moderne Form des Gelddruckens. Plötzlich war Geld drucken nicht mehr verwerflich, man müsse nur ein höheres Ziel im Auge haben. Man befürchtete, dass Italien und im Gefolge auch Spanien, Griechenland und andere den Euro und vielleicht sogar die EU verlassen könnten. Die billige Geldschwemme sollte den Euro und die EU retten. Eine skurrile Neuverteilung der Aufgaben, nicht die Politik sollte die EU sichern, sondern Geld, das keine Wirtschaftsleistung als Basis hat.

Vermögensvernichtung Nummer 2:

Der Bann war gebrochen und der Weg in die Inflation gelegt

Mit den ersten 40 Milliarden, die Draghi kurz nach seinem Amtsantritt lockermachte, war der Bann gebrochen und in der Folge häufte die EZB aberwitzig viele Milliarden Anleihen an. Kritik gab es im Wesentlichen nur aus Deutschland, wo die Verfassungsrichter die Einhaltung der EZB-Statuten einforderten. Sie setzten sich aber nicht durch, weil auf europäischer Ebene der EuGH, der Gerichtshof der EU, der EZB einen Freibrief ausstellte und alle Maßnahmen legitimierte. Auch wollte die deutsche Politik nicht eingreifen, weil es um den Erhalt der EU ging.

Eine derartige Geldschöpfung führt unweigerlich zur Inflation. Allerdings stiegen die Preise nur moderat und so konnte Draghi sich in der Illusion wiegen, er hätte die Mechanismen der Geldpolitik außer Kraft gesetzt. Tatsächlich kamen ihm mehrere Faktoren zur Hilfe. Die Mittel, die die Staaten ausgeben, fließen kaum noch in Investitionen, sondern überwiegend in Personalkosten und Renten, die keine größeren Teuerungsschübe auslösen können. Bei den Unternehmen kam, wie bereits erwähnt, das Geld nur spärlich an. Es fand aber dennoch eine Inflation statt. Die Mittel flossen in Vermögenswerte und trieben die Aktienkurse und die Immobilienpreise in lichte Höhen.

Die unerschütterliche Grundregel, dass Geld drucken in die Inflation führt, setzte sich letztlich doch durch. Als in der Corona-Krise – nicht mehr unter Draghi, sondern unter seiner Nachfolgerin, Christine Lagarde - weitere Milliarden in den Markt gepumpt wurden, die breit gestreut Löhne, Umsätze und Gewinne ersetzten, wirkte sich das durch keine Wirtschaftsleistung abgesicherte Geld voll aus und sorgte für die nun herrschende Inflation. Womit eine weitere Vermögensvernichtung erfolgt, die an die Entwertung durch die Null- und Minuszinsen anschließt. Damit nicht genug: Jetzt wird auch die Kaufkraft der Bevölkerung dezimiert. So sieht das Ergebnis der von der EZB vermeintlich betriebenen Politik der Preisstabilität aus.

Dass zu den hohen Preisen der Ukraine-Krieg und die künstliche Verknappung der Waren durch viele Anbieter beitragen, sei nicht übersehen. Im Vordergrund steht jedoch die Geld-Druckerei der EZB.

Vermögensvernichtung Nummer 3:

Wieder wie Nummer 1: Das Drehen an der Zinsschraube

Kein Nachteil ohne Vorteil. Die aktuelle Inflation korrigiert die überschüssige Geldmenge, die in den vergangenen Jahren in das System gepumpt wurde. Man müsste also diesen Effekt wirken lassen, sodass man nach einer kurzen Übergangszeit wieder eine stabile Relation zwischen Geld und Wirtschaftsleistung hätte und sich die Teuerung beruhigen würde.

Nun ist aber die EZB wieder im Einsatz und verschärft die Problematik. Derzeit werden die Zinsen angehoben, der Leitzins ist in kurzer Zeit von 0 auf 3,5 Prozent gestiegen. Man könnte nun die EZB loben, dass sie den Unfug der Null- und Minuszinsen korrigiert und den Geldanlegern eine Perspektive eröffnet. Leider ist im Finanzwesen die Wahrheit eine Tochter der Zeit.

Die aktuellen Zinserhöhungen erfolgen, weil man in Zentralbanken immer überzeugt ist, dass höhere Zinsen die Inflation brechen. Die Nachfrage würde zurückgehen, die Unternehmen müssten sich mit niedrigeren Preisen um die Kunden bemühen und die Preisentwicklung würde sich beruhigen. Diese theoretisch richtigen Ansätze passen im Moment nicht: Das Wirtschaftswachstum muss man nicht abbremsen, weil alle Prognosen für heuer eine Stagnation prophezeien. Für die gesamte EU wird eine Steigerung der Wirtschaftsleistung um real 0,6 Prozent erwartet

Die Teuerung hält sich hartnäckig bei 10 Prozent und eine Anhebung der Zinsen erhöht nur die Inflation zusätzlich, weil die steigenden Kreditzinsen in den Preisen untergebracht werden müssen. Die Staaten müssen für die Finanzierung ihrer Schulden wieder mehr bezahlen und die Notwendigkeit steigt, die ohnehin zu hohen Steuern und Abgaben zu erhöhen.

Nicht übersehen sei, dass hohe Lohnsteigerungen auch kontraproduktiv sind, weil diese nicht verdient werden und auch in den Preisen untergebracht werden müssen und der Beruhigung der Inflation entgegenwirken.

Vermögensvernichtung Nummer 4 und 5:

Die Gefährdung der Aktienbörse und des Immobilienmarktes

Die höheren Zinsen neuer Anleihen haben den unvermeidlichen Effekt, dass die niedrig verzinsten älteren Anleihen einen Kursverlust erleiden, bis der bescheidene Zinssatz in Relation zum gesunkenen Kurs der Rendite einer neuen Anleihe entspricht. Man dürfte jetzt die Zinsen nur moderat und in kleinsten Schritten erhöhen, bis möglichst viele Niedrigzinsanleihen zum vollen Nominale getilgt sind und bei Verkäufen vor dem Ablauf der Vermögensverlust der Anleger nicht zu groß ist. Im Vernichten von Vermögen ist die EZB recht tüchtig.

Gefährdet sind allerdings auch die Aktionäre, die nun ständig fürchten müssen, dass die höheren Anleihezinsen die Anleger zu den Anleihen treiben und die Aktienkurse fallen lassen, wodurch weitere Vermögen vernichtet werden. Noch sind die Anleihezinsen mit vorerst 2,5 Prozent weit unter der Inflationsrate von 10 Prozent, sodass man doch eher bei den Aktien bleibt. Dennoch: Der Crash kann jeden Augenblick eintreten.

Die Käufer von Wohnungen, die die Objekte mit gering verzinsten Krediten gekauft haben, stöhnen nun unter den hohen Geldkosten und fragen sich, ob sie die Vorsorge-Wohnungen halten können. Viele Preise, zu denen gekauft wurde, können beim Verkauf nicht erlöst werden. Womit wieder eine Vermögensvernichtung stattfindet.

Christine Lagarde zwischen Mario Draghi und Jerry Powell

Die aktuelle Politik wird nicht mehr von Mario Draghi betrieben, seit 2019 ist Christine Lagarde die Chefin der EZB. Anfangs stand eine simple Fortsetzung der Draghi-Politik auf dem Programm. Schließlich kommt die Präsidentin aus Frankreich, einem Land, das durch sein großzügiges, von der Bevölkerung heftig verteidigtes Rentensystem aus der Schuldenfalle nicht herausfindet und über jede Erleichterung bei der Finanzierung des maroden Staatshaushalts froh ist. Die Corona-Krise wurde zudem europaweit von den Regierungen mit gigantischen Subventionen bekämpft, die nur mit einer großzügigen Geldschöpfung durch die EZB möglich waren.

Als 2022 die Preise in die Höhe zu schnellen begannen, reagierte Lagarde gelassen. Die Inflation werde schon wieder zurückgehen, lautete ihre Botschaft, für die sie heute kritisiert wird. Die Aussage war aber nicht falsch, allerdings unter der Voraussetzung, dass man nichts unternimmt und es den Konsumenten überlässt, durch eine Kaufbremse die Entwicklung zu korrigieren. Diese Voraussetzung ist aber nicht gegeben, da die meisten Regierungen wieder Subventionen verteilen, diesmal um die Effekte der Teuerung zu mildern, und die Löhne stark angehoben werden, womit die Inflation weiter angetrieben wird.

Jetzt bleibt Lagarde wenig übrig als dem nicht funktionierenden Patentrezept zu folgen, das der Chef der US-Notenbank, Jerry Powell, eifrig anwendet- die Zinsen zu erhöhen.

Es scheint keinen Ausweg aus dem Spiel mit dem Geld zu geben

Die Lösung wäre einfach, aber banal, und nicht geeignet, die Währungspolitiker als Zauberer mit geheimnisvollen Kräften erscheinen zu lassen: Die Zentralbank müsste konsequent die Geldschöpfung in Relation zur tatsächlichen Wirtschaftsleistung halten und für eine langfristig stabile Zinsentwicklung sorgen. Nur moderat sollten entsprechend der wirtschaftlichen Lage die Zinsen und die Liquidität angepasst werden, ohne extreme Ausschläge zu verursachen. Die Wirtschaftspolitik ist primär Sache der Regierungen, die die Staatshaushalte ebenfalls langfristig in Ordnung halten müssen. Defizite sind immer wieder notwendig, um Konjunktur-, Struktur- und andere Probleme wie eine Pandemie in den Griff zu bekommen, müssten aber in der Folge wieder abgebaut werden.

Die Realität sieht anders aus. Die meisten Staaten machen in guten Phasen hohe Defizite und in schlechten noch höhere. Diesen verantwortungslosen Unfug kann die EZB nicht korrigieren, trotz ihrer gottähnlichen Position, und sollte das auch nicht immer wieder versuchen.

Als Groteske erwies sich ein Versuch, die Währungspolitik zu versachlichen und eine stabile Geldvariante einzuführen, die von keinen politischen Einflüssen betroffen ist. Das Ziel schwebte den Erfindern von Bitcoin vor. Diese Absicht ist längst vergessen. Die Krypto-Währung wurde zum reinen Spekulationsobjekt, das nur von der Phantasie der Anleger lebt und nicht den geringsten Bezug zur Volkswirtschaft hat. Außer man betrachtet die kriminellen Aktivitäten, die über Bitcoin und den mittlerweile zahllosen Krypto-Währungen abgewickelt werden, als Teil der Volkswirtschaft. Eine Währung, deren Gegenwert innerhalb weniger Stunden im Ausmaß von mehreren tausend Euro schwankt, ist ein perfektes Instrument der Vermögensvernichtung. Da erscheinen die hilflosen Kapriolen der Zentralbank geradezu als Hort der Stabilität.

                                                                            ***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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