Überraschenderweise ist das Leben in Westeuropa im letzten Jahr im Vergleich zu anderen Ländern im Allgemeinen günstiger geworden, obwohl der Kontinent unter einem starken Anstieg der Lebenshaltungskosten litt. Doch volatile Devisenmärkte haben den diesjährigen Economist „Worldwide Cost of Living Survey Index“ stark beeinflusst.
Das geht aus einer jüngsten Economist-Studie hervor, eine halbjährliche Übersicht über die teuersten Städte der Welt, die einen Preisvergleich von mehr als 200 Produkten und Dienstleistungen in 172 Städten im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr durchgeführt hat. Um die Lebenshaltungskosten in verschiedenen Währungen zu vergleichen, wurden alle Preise in der Studie in US-Dollar umgerechnet.
Die US-Währung hat in dem Zeitraum der Studie jedoch stark an Wert gewonnen aufgrund der aggressiven Zinserhöhungen der US-Federal Reserve sowie Marktturbulenzen. Die relativen Kosten der Euroraum-Länder sanken dadurch um 5,5 Prozent und fielen in Großbritannien um 10,5 Prozent. „Hätte es im Jahr 2022 keine Währungsschwankungen gegeben, wären die in die Rangliste aufgenommenen deutschen Städte im Durchschnitt um vier Plätze aufgestiegen. Stattdessen fielen sie um 16 Plätze“, so die Autoren der Studie.
Teuersten Städte Europas alle in Russland, eine Ausnahme
Die Economist-Studie soll Unternehmen helfen, den Lebenshaltungskostenausgleich für Ausländische Staatsbürger zu berechnen. Obwohl die teuersten europäischen Städte wie Zürich, Genf und Paris weiterhin an der Spitze der Rangliste stehen (mit Kopenhagen und Oslo an vierter und fünfter Stelle), belegte der Kontinent im Jahr 2022 nur fünf der 20 Spitzen-Plätze. Im Vorjahr waren es noch zehn Spitzenplätze.
Osteuropäische Städte, mit Ausnahme von russischen Städten, fielen um durchschnittlich um sieben Plätze, während die in Großbritannien im Durchschnitt um 21 Plätze fielen. Unter den zehn Städten mit den stärksten Rückgängen waren fünf in Europa. „Die einzigen europäischen Städte, die nach oben kletterten, waren – abgesehen vom winzigen Reykjavík – alle in Russland“, so die Autoren.
„Obwohl Analysten nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine die Prognosen für den Rubel negativ beurteilten, hat die Währung bis Ende April alle ihre Verluste wieder aufgeholt – dank Zinserhöhungen, Kapitalverkehrskontrollen und hohen Öl- und Gaspreisen“.
Verbraucherpreise in Russland sind mittlerweile in die Höhe geschossen. Dem Economist zufolge stiegen Preise in Moskau letztes Jahr in um 17 Prozent und in St. Petersburg um 19 Prozent. Die beiden Städte schossen in der Studien-Rangliste um jeweils 88 und 70 Plätze nach oben.
Lebenshaltungskosten-Krise in Europa
Der Kontinent litt letztes Jahr unter einer Lebenshaltungskostenkrise. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen Verbraucherpreise um rund acht Prozent, während Energiepreise um 29 Prozent in die Höhe stiegen, so der Economist. In Deutschland ist die Inflation im März auf den tiefsten Stand seit sieben Monaten gefallen. Energie kostete 3,5 Prozent mehr als vor einem Jahr, nach 19,1 Prozent im Februar – zum Teil wegen einem günstiger Basiseffekt.
Doch Ökonomen und Finanz-Experten zufolge ist dies nur die Ruhe vor dem Sturm. "Der unterliegende Preisanstieg ist noch immer sehr hoch. Dabei dürfte es noch lange bleiben“, so Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Schließlich rollt mit dem absehbaren starken Anstieg der Löhne eine neue Kostenwelle auf die Wirtschaft zu.“
Die Economist-Studie kam zu dem Schluss: Während europäischen Städte zu den teuersten der Welt gehören, wurden sie im vergangenen Jahr, vor allem dank der volatilen Devisenmärkte, etwas preisgünstiger.
In einer separater Economist-Studie, die vor Kurzem erschienen ist und die Lebensqualität in europäischen Großstädten untersucht hat, gab es große Unterschiede zwischen Ost- und West-Europa. Unter den Top 10 Städten waren drei deutsche Großstädte - Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg.