Politik

Gentechnik in Lebensmitteln: EU plant deutliche Lockerung

Lesezeit: 2 min
16.06.2023 16:44  Aktualisiert: 16.06.2023 16:44
Im Juli will die EU-Kommission ihre Pläne für die Überarbeitung der Regeln für die Gentechnik vorstellen. Ein durchgesickerter Entwurf zeigt, welche Folgen dies für die Verbraucher hat. Nicht alle Gentechnik soll künftig als Gentechnik gelten.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Manche gentechnisch veränderten Lebensmittel könnten einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zufolge künftig ohne Kennzeichnung auf den Markt kommen. Das geht aus einem bislang unveröffentlichten Verordnungsentwurf der Kommission hervor, der der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Demnach will die Behörde vorschlagen, bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen von den strengen EU-Gentechnikregeln auszunehmen. Befürworter hoffen, dass die Technik dann mehr Verbreitung findet und Nutzpflanzen dadurch beispielsweise besser gegen Schädlinge geschützt oder an die zunehmende Klimaerwärmung angepasst werden können.

Offiziell vorgestellt werden soll das Vorhaben voraussichtlich im Juli. In Berlin treffen die Pläne eher auf Kritik, es gibt aber auch positive Stimmen.

Konkret bedeuten die geplanten Regeln, dass etwa Verfahren wie die Crispr/Cas-Genschere keinen EU-Gentechnikregeln unterliegen, wenn die dadurch entstandene Sorten auch durch Verfahren wie Kreuzung oder Auslese hätten entstehen können. Solche Züchtungen würden den Plänen zufolge unter die sogenannte Kategorie 1 der durch neue Techniken (NGT) gezüchteten Pflanzen fallen. Für die Bio-Landwirtschaft gelten die strengen Gentechnikregeln dem Vorhaben zufolge weiterhin. Beschlossen ist das Vorhaben noch nicht, es muss noch offiziell vorgestellt werden und dann von den EU-Staaten und dem Europaparlament verhandelt werden.

Ob sich die Bundesregierung gegen das Vorhaben stark macht, ist jedoch unklar. Das von den Grünen geführte Bundesumweltministerium hatte sich in der Vergangenheit zwar skeptisch zu Lockerungen der Gentechnikregeln geäußert, dagegen signalisiert das von der FDP geführte Bundesforschungsministerium grundsätzliche Unterstützung. «Wir sollten die enormen Chancen nutzen, die in neuen Züchtungstechnologien stecken», sagte Ministerin Bettina Stark-Watzinger am Freitag.

Aus dem vom Grünen Cem Özdemir geführten Agrarministerium hieß es, gentechnisch veränderte Pflanzen sollten eine Risikoprüfung durchlaufen, gekennzeichnet werden und rückverfolgbar sein. Der Vizechef der SPD-Fraktion im Bundestag, Matthias Miersch, spricht sich klar gegen die Pläne der EU-Kommission zur Lockerung der Gentechnikregeln aus. Sollte der bekannt gewordene Vorschlag Realität werden, wäre dies das Ende der Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher und für die gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft, sagte er am Freitag.

In Artikel 8 des Entwurfs heißt es: Die Mitgliedstaaten dürfen die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von NGT-Pflanzen des Typs 1 nicht durch Anforderungen verbieten oder einschränken. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Karl Bär sieht darin einen «Frontalangriff» auf das Modell der europäischen Landwirtschaft.

«Pflanzen mit bis zu 20 gentechnischen Veränderungen sollen als gleichwertig mit konventionell gezüchteten Pflanzen gelten», sagte der gelernte Agrarökonom zu den bekanntgewordenen Entwürfen. Darunter seien auch Veränderungen, die weit über das Potenzial der klassischen Züchtungen hinaus gingen. «Der Vorschlag wäre das Ende der ökologischen Landwirtschaft», befürchtete er. Diese müsste sich mit immer mehr Aufwand vor Kontamination etwa durch von Wind verwehte Samen schützen. (dpa)


Mehr zum Thema:  

DWN
Panorama
Panorama Corona-Maßnahmen führen zur Ausrottung eines Grippe-Stamms: Umstellung auf Dreifach-Impfstoff
23.11.2024

Die Grippeschutzimpfung hat sich für die aktuelle Saison verändert: Statt eines Vierfach-Impfstoffs wird nun ein Dreifach-Impfstoff...

DWN
Politik
Politik Tiefpunkt der Brandenburger Politik: Ministerin entlassen - Minister tritt zurück
23.11.2024

Machtprobe im Streit um die Klinikreform: Regierungschef Dietmar Woidke entlässt in der Bundesratssitzung die grüne Gesundheitsministerin...

DWN
Politik
Politik Rocketman: Putin kündigt Serienproduktion neuer Mittelstreckenwaffe an
23.11.2024

Der Westen verurteilt den Einsatz der neuen russischen Mittelstreckenrakete gegen die Ukraine als neuerliche Eskalation - Moskau feiert...

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung vor Engpässen: DRV fordert Maßnahmen zur Stabilisierung
23.11.2024

Die Deutsche Rentenversicherung warnt vor einer möglichen Finanzierungslücke bis 2027. Trotz stabiler Einnahmen erfordert die Rentenkasse...

DWN
Politik
Politik Streit ums liebe Geld: UN-Klimagipfel geht in die Verlängerung
22.11.2024

Milliarden für den Klimaschutz – doch wie weit sind die Staaten wirklich bereit zu gehen? Auf der UN-Klimakonferenz in Baku entbrannte...

DWN
Politik
Politik Netanjahu Haftbefehl: Deutschland und die rechtliche Zwickmühle
22.11.2024

Der Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu erschüttert die internationale Bühne. Deutschland sieht sich in einem schwierigen Spagat:...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch kürzt 5.550 Stellen - 3.800 davon in Deutschland
22.11.2024

Bosch steht vor massiven Einschnitten: Bis zu 5.550 Stellen sollen wegfallen, davon allein 3.800 in Deutschland. Die Krise in der...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2025: Nach Kurskorrektur steigt der Goldpreis aktuell - wohin geht die Reise?
22.11.2024

Der Goldpreis steht derzeit im Fokus von Anlegern und Edelmetallexperten. Gerade in unsicheren Zeiten wollen viele Investoren Gold kaufen,...