Die Deutsche Bundesbank muss möglicherweise rekapitalisiert werden, um die enormen Verluste zu decken, die die Notenbank mit Anleihegeschäften angehäuft hat. Das geht aus einem Bericht der des Bundesrechnungshofs hervor. Dieser hatte in seinem jüngsten Bericht davor gewarnt, dass die Bundesbank auf eine Geldspritze aus Berlin angewiesen sein könnte, um die Schieflage abzuwenden.
„Die möglichen Verluste der Bundesbank sind beträchtlich und könnten eine Rekapitalisierung der Bank mit Haushaltsmitteln erforderlich machen“, heißt es in dem Bericht des Bundesrechnungshofs, der der Financial Times vorliegt.
Wie es zu den Verlusten der Bundesbank kommen konnte
„Die möglichen Verlustvolumina der Bundesbank sind erheblich und könnten daher eine Rekapitalisierung der Bundesbank mit Haushaltsmitteln notwendig machen“, schreibt der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags. Das Finanzministerium erklärte gegenüber dem Handelsblatt, das es diese Schlussfolgerung nicht teile.
Im vergangenen Jahr erzielte die Bundesbank statt eines Gewinns nur eine schwarze Null. Mit weiter steigenden Zinsen droht sogar ein Verlust und womöglich stünde die Bundesbank dann sogar mit negativem Eigenkapital da. Bereits im März hatte die Bundesbank erklärt, dass sich die Verluste in den kommenden Jahren verschlimmern dürften und nicht mehr vollständig durch die bereits gebildeten Rückstellungen abgedeckt sein könnten. Diese beliefen sich zuletzt auf 19,2 Milliarden Euro.
Die Verluste der Bank rühren aus Anleihegeschäften in der Eurozone. Die jüngsten Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) hatten die Anleihen in der Bilanz der Bundesbank rapide im Wert gesenkt. Dadurch waren zusätzliche Kosten für die Risikovorsorge in Höhe von einer Milliarde Euro fällig geworden.
Muss der Steuerzahler die Bundesbank retten?
Bei ihrer letzten Stellungnahme im März brachte die Bundesbank noch die Variante eines Verlustvortrags ins Spiel. Dadurch könnten die nun auftretenden Verluste durch künftige Gewinne ausgeglichen werden und eine Rekapitalisierung durch den Staat würde nicht nötig werden. Doch mit zunehmend steigenden Zinsen laufen auch die Verluste allmählich aus dem Ruder und es ist völlig unklar, ab wann die Bundesbank mit ihren Anleihen wieder Gewinne einfährt.
In jedem Fall treffen die Verluste den Steuerzahler schon jetzt. Denn normalerweise schüttet die Bundesbank einen Teil ihrer Gewinne an den Staat aus, die dieser wiederum für die Finanzierung des Haushalts nutzt. Diese Ausschüttungen fallen nun weg, sodass das Finanzministerium neue Löcher im Haushalt stopfen muss – entweder Steuererhöhungen oder durch Kürzungen an anderer Stelle.
Die Risiken „könnten den Bundeshaushalt im Schadensfall erheblich belasten, im Extremfall könnten sie die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestags gefährden“, schreibt der Bundesrechnungshof in seiner Einschätzung. Die Rechnungsprüfer bezweifeln, dass die Bundesbank die Verluste in jedem Fall eigenständig tragen könnte.
„Denn nicht nur der Extremfall des Austritts eines großen Mitgliedsstaats aus der Währungsunion könnte bei der Bundesbank zu negativem Eigenkapital führen. Sondern auch die laufenden geldpolitischen Aktivitäten bergen angesichts ihrer Größenordnung das Risiko negativen Eigenkapitals bei der Bundesbank.“
Verfehlte EZB-Geldpolitik fällt Bundesbank auf die Füße
Der Bericht des Rechnungshofs nimmt das Programm der EZB zum Ankauf von Staatsanleihen ins Visier, das 2015 aufgelegt wurde und in dessen Rahmen die Bank Staatsanleihen von Ländern der Eurozone im Wert von 2,7 Milliarden Euro kaufte. Die Bundesbank kaufte im Rahmen dieses Programms deutsche Staatsanleihen im Wert von 666 Milliarden Euro, stellte den Ankauf weiterer Anleihen aber im vergangenen Jahr ein.
Der Ankauf großer Mengen von Anleihen zur Senkung der Kreditkosten, bekannt als quantitative Lockerung (QE), ist in Deutschland seit langem umstritten. Die Bundesbank sprach sich 2015, als die Zentralbank der Eurozone ihre Anleihekäufe startete, dagegen aus, wurde aber in der EZB überstimmt. Die Kritik des Rechnungshofs dürfte eine Wiederholung dieser Politik erschweren, zumal einige Ökonomen QE für das Anheizen der jüngsten Inflationswelle verantwortlich machen.
Peter Boehringer, stellvertretender Bundessprecher der AfD und Mitglied des Haushaltsausschusses, gab in einer Pressemittleilung etwas Entwarnung. Demnach seien die „aktuell in der Presse geäußerten Befürchtungen, dass die Bundesbank demnächst mit negativem Eigenkapital dasteht, etwas übersteigert“.
Solange kein Land aus dem Euro austrete und solange die Bundesbank keine Neubewertung ihrer Anleihebestände vornehme, dürften sich mögliche Verluste in Grenzen halten, so Boehringer. „Denn den verzinslichen Einlagen auf der Passivseite stehen auf der Aktivseite immerhin auch die Targetforderungen im Umfang von 1,1 Billionen Euro gegenüber, die aktuell mit vier Prozent verzinst werden. Etwaige dennoch auftretende Verluste aus dem operativen Geschäft können bis auf Weiteres noch durch Auflösung von Rückstellungen oder im Extremfall durch Verlustvorträge abgedeckt werden.“
Boehringer gab jedoch zu bedenken, dass das Vertrauen in das einstmals angesehene Geldinstitut sinke – und gab dafür der Geldpolitik der EZB eine Mitschuld. „Hätte die EZB nicht in nie dagewesener Weise Geld in die Märkte gepumpt, müsste die Bundesbank auch nicht die Überschussliquidität der Banken verzinsen, wodurch nun die Belastungen entstehen. Bereits jetzt ist ein Vertrauensverlust in die Stabilität der Bundesbank eingetreten, wie die Presselage belegt.“