Schweden galt lange Zeit als ein wohlhabendes Land mit einem starken sozialen Netz und einer einwanderungsfreundlichen Bevölkerung. Das Königreich war aufgrund seines hohen Lebensstandards und der hohen Sicherheit in der Welt ein ideales Reiseziel für Auswanderer. Doch diese Ansicht hat sich heute grundlegend geändert: Gangkriminalität, Rezession, Inflation und die Gefahr islamistischer Terroranschläge erschüttern das Land. Warum ist Schweden von einer Vorbildnation zu Europas Sorgenkind geworden?
Rezession und Inflation
Mit einer Inflation von 9,3 Prozent im Juni und einer tiefen Rezession steckt Schweden in einer handfesten Krise. Die Schwäche der schwedischen Krone ist dabei ein markanter Grund, denn sie führte zu steigenden Preisen importierter Waren. Weitaus problematischer ist der Anstieg der Energiepreise, welcher die Inflation begünstigt. Die schwedische Riksbank erhöhte als Reaktion die Zinsen, was aber wiederum zu Verheerungen auf dem Immobilienmarkt führte: Durch die variablen Zinssätze treffen Zinserhöhungen die Hausbesitzer direkt. Derzeit liegt die durchschnittliche Verschuldung der Privathaushalte liegt bei 200 Prozent des Nettoeinkommens eines Jahres, doppelt so hoch wie in Deutschland.
Indessen sind die Reallöhne rückläufig und der grundsätzlich so großzügige Wohlfahrtsstaat vergibt kaum Hilfen zur Inflationsbekämpfung. Zwar gilt die schwedische Wirtschaft als gesund und basiert auf einem starken Unternehmertum, das große Außenhandelsüberschüsse erzielt. Die schwedische Wirtschaft gilt damit als stabil. Für deutsche Unternehmer besteht laut internationalen Einschätzungen keine Sorge, dass Geschäftsbeziehungen mit den Schweden Schaden durch die Misere im Land nehmen könnten. Vielmehr sind die Preise im Land, insbesondere von schwedischen Immobilien, für Deutsche derzeit besonders günstig.
Migration und Kriminalität
Doch der Lebensstandard für die Schweden selbst hat in weiten Teilen des Landes abgenommen. Das Bild des toleranten und wohlhabenden Landes Schweden hat sich grundlegend gewandelt. So stürmte ein wütender Mob die Botschaft des Landes im Irak, weil kurz zuvor bei einer genehmigten Demonstration in Stockholm ein Koran mitten vor einer Moschee angezündet worden war. Laut der Säkerhetspolisen, Schwedens Geheimdienstes, sei die Gefahrenlage im schwedischen Inland besonders hoch. Gewaltbereite Islamisten schürten Hass gegen das Land, in dem muslimische Kinder entführt und die islamische Religion angegriffen werden würde. Es könne daher zu islamistischen Anschlägen kommen.
Zudem grassiert die Waffengewalt in Schweden. Im Jahr 2020 kamen 124 Menschen durch Schusswaffen ums Leben, gemessen an der Gesamtbevölkerung von etwas mehr als 10 Millionen Menschen einer der höchsten Werte in Europa. Städte wie Stockholm, Malmö und Göteborg werden regelmäßig von Bandenkriegen heimgesucht, bei denen auch Unbeteiligte zu Opfern werden können. Die Täter sind zumeist Minderjährige, die mit Waffen ausgestattet werden und Morde begehen sollen.
Gründe für den Anstieg der Gewalt liegen in unter anderem in der gescheiterten Integration junger Migranten, die in kriminelle Netzwerke gelockt werden. Hier erhalten sie Geld und Anerkennung, die sie sich in Problemvierteln des skandinavischen Landes nicht erhoffen können. Was sie aber haben, sind großzügige Wohlfahrtshilfen, eine schlechte Berufsperspektive und viel Zeit. So kündigte Justizminister Gunnar Strömmer an, die Gangkriminalität massiv eindämmen zu wollen. Bis Mai habe es 144 Schießereien mit 18 Toten und 41 Verwundeten gegeben, ein schockierender Wert, der zum Handeln aufforderte.
Schwedendemokraten wollen das Land verändern
20,5 Prozent der Stimmen gingen zur Reichstagswahl 2022 an die dadurch zweitplatzierten Schwedendemokraten, die mitunter als Rechtspopulisten betitelt werden. Das ist für eine Partei, die zwischen 1988 und 2010 stets weniger als fünf Prozent der Stimmen einholte, ein erstaunlicher Sprung. Zur Reichstags- und Europawahl 2014 erreichten die Schwedendemokraten erstmals zweistellige Ergebnisse. Dieser Anstieg setzte parallel zu einer großen Welle der Migration ein, während Merkels Grenzöffnung nahm Schweden gemessen an seiner Bevölkerung besonders viele Migranten auf.
Das Problem sei ein systemisches, behaupten die Konservativen Schwedendemokraten. Einwanderung nach Schweden sollte voraussetzen, dass Migranten arbeiten. Erst nach einer längeren Berufsausübung sollen Einwanderer das Recht auf Sozialleistungen erhalten. Zudem sei klar bei der Einwanderung zwischen jenen zu unterscheiden, die nur auf Kosten des Staates leben wollen und jenen, die sich mit der schwedischen Kultur und dem Rechtssystem identifizieren. Wer es nicht schaffe, sich an die Regeln des Landes zu halten und zu einem produktiven Teil der Gesellschaft zu werden, müsse Schweden wieder verlassen, fordern sie.
Schweden wäre nach Dänemark ein weiteres skandinavisches Land, das von einer liberalen zu einer restriktiven Einwanderungspolitik nach finnischem Muster umschwenkt. Besonders dabei ist die Ablehnung des Sozialstaats zugunsten eines meritokratischen Systems, das Leistung fordert und belohnt. Während laut Christian Lindner in Deutschland der Ausbau des Sozialstaats verhindert werden soll, könnte er in Schweden komplett umgebaut werden. Länder wie Estland konnten mit dem Abbau des sozialistischen Systems und der Einführung der Flat Tax zumindest ihr Wirtschaftswachstum ankurbeln, die gleichzeitige Streichung von Sozialhilfen stellte die Bevölkerung vor große Herausforderungen, beflügelten aber auch das neuerliche Wirtschaftswachstum.
Die Schwedendemokraten werden – obwohl sie nicht in der Regierung sitzen, diese aber tolerieren – das skandinavische Land mit Sicherheit grundlegend verändern und den politischen Diskurs mitbestimmen. Dabei wähnen sie sich als Retter eines alten Europas: So warnten sie schon in den 80er-Jahren vor einer ungezügelten Einwanderung nach Schweden, die aus einer friedlichen homogenen eine zerstrittene heterogene Gesellschaft machen würde. Heute sehen sie sich in ihren Befürchtungen bestätigt. So zieht Johan Nissinen von der Partei im Europaparlament eine Parallele von der Gewalt in Schweden zu den Krawallen in Frankreich: „Die Krawalle in Frankreich zeigen die Auswirkungen der Massenmigration“, so der 34-Jährige, „Es ist an der Zeit, dass die Politik das Problem angeht, bevor das Europa, das wir alle lieben, verschwindet.“