Weltwirtschaft

Neuer Schwung, nachhaltige Ziele: Berlin bewirbt sich um die Weltausstellung "Expo 2035"

Lesezeit: 4 min
21.03.2024 06:02
Noch ist es eine Absichtserklärung, erst 2026 werden die Unterlagen für die Expo2035 eingereicht - und 2028 wird das Auswahlgremium verbindlich entscheiden. Doch die Hauptstadt hat gute Gründe, sich Hoffnungen zu machen, Konkurrenz gibt es noch keine. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten verraten, wo die Stärken der Berliner Bewerbung liegen - und die Risiken.
Neuer Schwung, nachhaltige Ziele: Berlin bewirbt sich um die Weltausstellung "Expo 2035"
Exporum für Berlin: Vision für einen Expo-Pavillon in der Hauptstadt. Architekt Christoph Langhof hat ihn geplant und unterstützt die Bewerbung. (Foto: Langhof)

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Auf Großveranstaltungen haben die Berliner ja nicht so wirklich Lust, seitdem die Stadt im Überschwange der Deutschen Wiedervereinigung anno 2000, für die Welt sichtbar, auch noch die Olympischen Spiele ausrichten wollte. Zu viel ist zu viel, meinten die Bürger, lehnten sich auf oder schwiegen vernehmlich! Das wollten die Politiker und Verantwortlichen für die Bewerbung (beispielsweise das Nationale Olympische Komitee) nicht wahrhaben, aber so kam es - und die Vergabe-Entscheidung zugunsten Sydneys war eine schallende Ohrfeige, die noch heute nachschwingt.

Nun noch mal ein vergleichbares Procedere. Berlin möchte im Jahre 2035 die Weltausstellung nach Deutschland holen und diesmal organisatorisch alles besser machen. Besser sogar als Hannover, die letzte deutsche Stadt, die im selben Jahr 2000 die Expo holen wollte und dies dank Gerhard Schröder, dem niedersächsischem Ministerpräsidenten und dann ab 1998 amtierenden Bundeskanzler, auch gelang. Der Wettbewerb hat damals viele verdutzt - und in Berlin jedenfalls einen schalen Nachgeschmack hinterlassen.

Hannover gibt den Staffelstab weiter - und hat Tipps

Im Berliner Europa-Center, dem ältesten modernen Shopping-Center Deutschlands, war am 20. März alles stimmungsmäßig anders. Die schon damals aktiven Verantwortlichen waren eigens in die Hauptstadt gereist, um symbolisch den Staffelstab zu übergeben und auch gute Ratschläge für das Bewerbungsverfahren zu geben.

Mit einem Expo-Shop im Erdgeschoss und weiteren elf Standorten, die noch kommen sollen, möchten die Initiatoren trommeln und Unterstützung einwerben. Daniel-Jan Girl, der Vorstand des Trägervereins Global Goals Berlin, der das Projekt voranbringen möchte, präsentierte sich gleichermaßen selbstbewusst wie kämpferisch und versprach, es „sogar noch besser zu machen als Hannover“.

Vor allem soll alles besser sein als 2020 in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Osaka in Japan 2025, Belgrad in Serbien 2027 oder Riyadh in Saudi-Arabien 2030. Als Gastredner hatte Girl deshalb extra Eckart von Hirschhausen von Scientists for Future als Gastredner und Einpeitscher eingeladen. Er machte mehr als deutlich, dass es nicht um das Aufschütten neuer Inseln geht oder um besonders hohe neue Betonklötze, sondern um nicht weniger als die Rettung der Welt.

Expo Berlin: Hirschhausen will „Lust auf Zukunft" vermitteln

„Lust auf Zukunft“, meinte Hirschhausen, solle der derzeitig grassierenden Zukunftsangst und Nachrichtenmüdigkeit entgegengesetzt werden. „Wir wollen Aufbruchstimmung verbreiten“, so Hirschhausen, der Berlin mit Paris verglich, um den Bürgern Mut zuzusprechen. „Waren Sie mal da in letzter Zeit, unglaublich, wie sich die Stadt im positiven Sinne verändert hat.“ Der Parc Clichy-Batignolles zum Beispiel, der im Sommer gut vier Grad kühler sei als die Stadt sonst. Ein wahrer Dschungel und gutes Musterbeispiel dafür, wie sich die Städte für die 17 postulierten Klimaziele der Vereinten Nationen engagieren sollten, statt immer nur höher, weiter und teurer zu bauen.

Auch in Berlin soll es darum gehen, mit unterschiedlichen Orten und Vorzeige-Projekten zu punkten - bei der Jury, aber vor allem den eigenen kritischen (und bisweilen schlechtgelaunten) Bewohnern. Vom geplanten Spree-Freibad „Fluss Bad Berlin“ an der Museumsinsel, der bis 2030 dekarbonisierten Busflotte der Berliner Verkehrsbetriebe, Pakettransport per Solarschiff über die Spree, der dann hoffentlich fertigen neuen Zentral- und Landesbibliothek im alten Kaufhaus Galeriés Lafayette an der Friedrichstraße und der von den Eigentümern versprochene Carl-Bechstein-Campus nahe dem Hauptbahnhof. Auch von der fahrerlosen Magnetschwebebahn durch Berlin wird noch geträumt. Hexafarms will die von Künstlicher Intelligenz gesteuerte und kommerzielle urbane Lebensmittelproduktion voranbringen.

250.000 Bürger sollen Gesicht für Expo 2035 zeigen

Überhaupt scheint es so manches Projekt zu geben, dass über die Expo2035-Bewerbung überhaupt erst für genug Aufsehen sorgen will, um tatsächlich realisiert zu werden. An der Eldenaer Straße in Pankow etwa, südlich des ehemaligen Schlachthofs von Berlin, sollen auf einem Parkplatz zwei höhere Gebäudescheiben aus Backstein errichtet werden, die sich – gleich einer Pyramide – nach oben verjüngen und die über begrünte Terrassen von den beiden Gebäudespitzen bis zum jeweiligen Erdgeschoss stufenweise mit grünen Terrassen abgetreppt sind. Dadurch entstehen zwei städtebauliche Solitäre und ein Landmark. Besonderes Augenmerk wird auf Anforderungen an eine nachhaltige Architektur gelegt, betont der österreichische Architekt Prof. Christoph Langhof. 92 Prozent CO2 soll das Haus einsparen helfen, verspricht er.

Sympathisch, wie der Verein Global Goals Berlin, Bürger zum Mitmachen auf dem Weg zur Expo Berlin 2035 gewinnen will: 250.000 Menschen, Künstler, Unternehmer, Sportler oder auch Visionäre sollen Gesicht zeigen und Farbe bekennen, welchen Beitrag sie für eine nachhaltige Zukunft leisten werden oder es bereits tun. Per Strichcode können Bürger ihr Foto und ihre Idee hochladen - und damit zugleich zum Gelingen des Bewerbungsprozesses bis 2026 beitragen. Denn auf Unterstützung kommt es an.

Gewerbeausstellung 1896 - ohne Wohl des Kaisers

Denn schon der Kaiser hat, weil ihm das alles nicht in den Kram passte, die Weltausstellung 1896 zu verhindern versucht. Es ist ihm nur namentlich gelungen, schließlich hat es die einfallsreiche Unternehmerschaft Berlins selbst in die Hand genommen und zur sogenannten Berliner Gewerbeausstellung in den Treptower Park geladen.

Noch heute zeugt dort die Archenhold-Sternwarte von den Pionieren der Zeit, die dem Deutschen Kaiserreich mit Patenten, Fleiß und Optimismus ein Wirtschaftswachstum beschert haben, das Berlin in die Industriemetropole Nummer eins Europas verwandelte - bis zum Ersten Weltkrieg. Daran erinnerte Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, der vor allem die Dezentralität der Bewerbung lobt und als Innovation im Wettbewerb der Nationen feiert.

Womöglich schafft es Berlin tatsächlich, ohne ein zentrales Veranstaltungsgelände auszukommen. Darüber wird noch mit der Politik diskutiert und offenbar auch gestritten. Daniel-Jan Girl glaubt, dass der alte Flughafen Tegel das Antlitz der Expo-Bewerbung werden könnte. Zumal dort eine zukunftsweisende Wohnstadt im Holzbau entstehen soll.

Architekt Prof. Langhof hat dazu eine dezidiert andere Meinung. „Mehr als einen Meeting-Point braucht es nicht - bei einem dezentralen Showcase“, sagt er und hat einen Entwurf für einen offenen Pavillon entworfen, der auf dem Platz der Republik vor dem Reichstagsgebäude gebaut werden könnte. „Berlin hat es nicht nötig, einen neuen Stadtteil zu pushen wie andere Städte in der Vergangenheit. Erforderlich sei vielmehr „eine Vision von Stadt"“, sagt Langhof, der sich dafür eine konsequente Unterstützung der Politik wünscht.

Die Berliner Senatskanzlei war beim offiziellen Starttermin im Europa-Center nicht vertreten - nur der ehemalige Regierende Bürgermeister Michael Müller von der SPD ließ sich blicken.

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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