Wirtschaft

Auch Deutschland betroffen: Wie China westliche Technologien verbannen und autark werden will

Offenbar will sich China von westlichen Technologien schrittweise unabhängig machen. Warum das auch die deutsche Wirtschaft bedrohen könnte, erfahren Sie hier!
14.04.2024 17:13
Lesezeit: 3 min
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Die deutsch-chinesischen Beziehungen werden mitunter auf Autoverkäufe reduziert. Doch die sich abzeichnende Dynamik, nach der nicht mehr Deutschland nach China, sondern China nach Deutschland exportiert, erhält nun eine weitere, bittere Komponente. So müssen deutsche Firmen, die Hard- und Software in die Volksrepublik China exportieren, mitunter herbe Verluste hinnehmen. Grund dafür ist eine Direktive, nach der westliche Technologien in China „ausgelöscht“ werden sollen.

„Delete America“: Das ominöse Document 79

Eine bislang streng geheime Direktive aus China, die als Document 79 bekannt geworden ist, zielt auf die Verdrängung westlicher Technologien aus der Volksrepublik ab. Mehrfach taucht dort der Kürzel „Delete A“ auf, der mit „Delete America“ (Amerika auslöschen) übersetzt wird. Doch nicht nur amerikanische, allgemein westliche Unternehmen sollen aus dem chinesischen Wirtschaftsraum vertrieben werden.

Die Anordnung für vornehmlich staatliche Unternehmen im Finanz-, Energie- und anderen Sektoren sieht vor, dass ausländische Soft- und Hardware bis 2027 durch chinesische Pendants ersetzt werden. Etwaigen Qualitätsabstrichen wird dabei mit riesigen Investitionen begegnet. Zu den größten Verlierern gehören bislang namhafte Firmen wie Microsoft, Dell, Cisco Systems, Oracle, Salesforce und SAP.

Made in China: Vom Computer bis zur Personalsoftware

Die Behörde, die verantwortlich für das Dokument 79 ist, nennt sich State-owned Assets Supervision and Administration Commission of the State Council (SASAC), eine Einrichtung, die direkt dem Staatsrat untersteht. Als verlängerter Arm der Kommunistischen Partei arbeitet die SASAC mit Hochdruck daran, westliche Technologien nicht nur auszumerzen, sondern auch restlos im Inland durch heimische Alternativen zu ersetzen.

Der Vorstoß der Kommunistischen Partei ist Teil eines umfassenden Programms zur Subsistenzwirtschaft. Kritische Technologien wie Halbleiter und Kampfflugzeuge sollen ebenso im Inland produziert werden wie Computer, Software, Getreide und sogar Ölsaaten. Globale Lieferketten, die einst Chinas Aufschwung befeuerten, werden indessen als riskant wahrgenommen.

De-Risking auf Chinesisch

Dieser Sinneswandel kommt nicht ganz überraschend. Denn sowohl unter Trump als auch unter Biden verschlechterte sich das Handelsklima zwischen den beiden Mächten USA und China stetig. Exportbeschränkungen und der Inflation Reduction Act (IRA) bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs; sie waren die mächtigsten Kampfansagen an Pekings massive Dumping-Preise und seine stete Einflussnahme in kritischen Bereichen. Diese westliche De-Risking-Strategie wird nun von Chinas Führung mit gleicher Härte beantwortet. Auch ist spätestens seit den Enthüllungen Edward Snowdens klar, dass US-amerikanische Geheimdienste technologische Lücken in China nutzten, um dort Spionage zu betreiben. Die Direktive, Amerika zu löschen, hat auch das Ziel, China vor den USA zu schützen, und zwar möglichst langfristig.

Und der massiv erscheinende Umbau gelingt erstaunlich gut: Staatsunternehmen Chinas sollen quartalsweise Bericht erstatten, wie schnell sie westliche Technologien aus ihren Lieferketten verbannen und durch chinesische Produkte ersetzen. Doch die Unternehmen scheinen mitunter selbstständig an einer Nationalisierung der eigenen Lieferketten zu arbeiten. Manche Marken wie ein Halbleiter-Ausrüstungshersteller aus Nanjing sind dabei äußerst direkt und bieten den Klienten an, das „A“ selbst aus ihrer Lieferkette auszulöschen.

Der Druck scheint hoch zu sein: Chinas Staat unterstützt massiv chinesische Technologieunternehmen, damit diese ihre Produkte verbessern und den technologischen Abstand zu ihren westlichen Pendants verringern können. Inländische Firmen gaben laut dem Wall Street Journal pflichtbewusst nach und investierten mehr in chinesische Technologien, auch wenn diese nicht denselben Wert besaßen wie westliche. Insbesondere Banken, Finanzmakler und öffentliche Dienste wie die Post investierten in den Umbau.

Laut dem jüngsten Haushaltsbericht Chinas sollen die Ausgaben für Wissenschaft und Technologien im Jahr 2024 um 10 Prozent auf etwa 51 Milliarden US-Dollar erhöht werden. So werden mittlerweile das Betriebssystem KylinOS, Rack Server von chinesischen Unternehmen und Computermodelle von Tongfang vermehrt gekauft, während iPhones, Dell Computer und westliche Betriebssysteme ausgesondert werden.

Auch aus praktischer Sicht ist es für Chinas Führung sinnvoll, sich weiter auf inländische Produktion von Hard- und Software zu konzentrieren, da beispielsweise chinesische Produkte direkt mit dem nationalen Chatdienst WeChat verbunden sind. Diese Bedienung des lokalen Ökosystems stellt einen weiteren Vorteil der Direktive dar.

China gegen den Westen: Starke deutsche Unternehmen betroffen

Auch Softwareunternehmen wie Adobe und Salesforce mussten ihre direkten Aktivitäten in China kürzlich deutlich verkleinern und teilweise sogar einstellen. Denn auch spezifische Nischenprodukte wie etwa Software zur Verwaltung von Personalwesen gehen an chinesische Firmen, so etwa an das Yonyou Network Technology. Yonyou konnte insbesondere auf Kosten von Oracle und SAP, die früher einen Großteil des Marktes beherrschten, Nutzer gewinnen und stellt nun mit einem Anteil von etwa 40 Prozent den größten Player des Marktes.

Lange galt die deutsch-chinesische Verflechtung als gesichert. So konstatierte der Merkur im Mai 2023, dass deutsche Anbieter wie SAP für China unentbehrlich seien. Auch Christian Klein, Vorstandssprecher der SAP SE, betonte die wichtige Verbindung von Deutschland zu China und bezog öffentlich Stellung gegen einen zu radikalen Bruch mit der Volksrepublik. Dieser Bruch wird jetzt allerdings vonseiten der Chinesen selbst vorangetrieben. Neben SAP, dessen ERP-Anwendungen 35 Prozent der chinesischen noch im vorigen Jahr benutzten, waren bislang etwa Designsoftware von Siemens und im Hardware-Bereich deutsche Halbleiterchips von Infineon gefragt. All diese Verbindungen könnten sich schon bald auf Geheiß Pekings auflösen.

Mittel- bis langfristig dürfte es deutschen Herstellern von Soft- und Hardware in China ebenso ergehen wie der Automobilbranche, die sukzessive aus dem Land getrieben wird. Es erscheint daher als einzig richtige Lösung, nach neuen Wirtschaftspartnern zu suchen, etwa in den südostasiatischen Staaten, in denen Kanzler Scholz kürzlich eine Art Speed-Dating mit den Staatschefs veranstaltete.

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Virgil Zólyom

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Virgil Zólyom, Jahrgang 1992, lebt in Meißen und arbeitet dort als freier Autor. Sein besonderes Interesse gilt geopolitischen Entwicklungen in Europa und Russland. Aber auch alltagsnahe Themen wie Existenzgründung, Sport und Weinbau fließen in seine Arbeit ein.

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