Finanzen

Abkehr vom westlichen Finanzsystem: Russische Goldreserven erreichen Rekordwert

Auch im April hat die russische Zentralbank ihre Goldreserven weiter ausgeweitet, was die Bestände auf einen neuen Rekordwert ansteigen ließ. Dafür gibt es klare Gründe, die nicht zuletzt mit der Sanktionspolitik des Westens zu tun haben. Indes profitiert Russland beim Aufstocken der Goldbestände von einer ganz besonderen Situation im Land.
29.05.2024 18:00
Lesezeit: 3 min
Abkehr vom westlichen Finanzsystem: Russische Goldreserven erreichen Rekordwert
Russland, angeführt von Präsident Wladimir Putin, hält große Stücke auf Gold und hat seine Goldreserven jüngst auf ein Rekordhoch angeschraubt. (Foto: dpa) Foto: edwardolive

Russland stockt seine Goldreserven weiter auf. Im April kaufte die russische Zentralbank rund 100.000 Unzen (3,1 Tonnen) an physischen Goldbarren zu, womit die Gesamtbestände nun bei knapp 2.333 Tonnen liegen. Angesichts des zuletzt stark gestiegenen Goldpreises haben die russischen Goldreserven damit einen neuen Rekordwert von 176 Milliarden Dollar erreicht, plus 5,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat.

Der Goldanteil an den Währungsreserven schwoll gemäß Zentralbankdaten auf 29 Prozent an. Die gesamten Devisenreserven Russlands belaufen sich demnach auf umgerechnet circa 607 Milliarden Dollar.

Die Goldreserven spielen auch für die Entwicklung des Ukraine-Krieges eine Rolle, weil sie für Russland eine Art Notpuffer darstellen. Letztes Jahr verkaufte Russland einen Bruchteil seiner Gold- und Fremdwährungs-Bestände, um das Haushaltsdefizit zu verringern. Trotz der massiven westlichen Sanktionen ist die russische Wirtschaft derzeit gut aufgestellt, wobei zunehmend Anzeichen einer Überrüstung erkennbar sind.

Der Globale Süden verkauft Dollar gegen Gold

In den vergangenen Monaten veränderten sich die offiziellen russischen Goldbestände kaum. Besonders stark wurden die Goldreserven 2022 aufgestockt – also dem Jahr, in dem die globalen Zentralbanken, angeführt von den BRICS-Ländern, zusammengenommen laut „World Gold Council“ ein Rekordvolumen von 1.082 Tonnen zukauften. Im März 2023 hatte Russland zum ersten Mal seit Beginn des Ukraine-Kriegs neue Zahlen über seine Devisenreserven berichtet und in diesem Kontext einen Anstieg der offiziellen Goldbestände um 31 Tonnen vermeldet. Das ist aber immer noch relativ gering im Vergleich zum Jahr 2019, als die russischen Goldreserven um rund 158 Tonnen zulegten.

Nicht nur Russland, sondern auch China, Indien und der gesamte globale Süden akkumuliert immer mehr Gold. Was ist der Grund dafür? Es könnte sich um vollkommen unpolitische Maßnahmen zur Währungs-Diversifikation handeln. Wahrscheinlicher ist, dass sich Russland, China und Co. nicht zuletzt aufgrund der westlichen Sanktionspolitik verstärkt von US-Dollar und Euro emanzipieren wollen.

In der Liste der wichtigsten Auslandsgläubiger der USA taucht die Russische Förderation seit zwei Jahren nicht mehr auf. Russland musste sich geradezu zwangsläufig von seinen Dollar- und Euroreserven trennen, als im Zuge des Einmarschs in die Ukraine ein Großteil der in westlichen Vermögenswerten angelegten russischen Devisenreserven eingefroren und das Land vom SWIFT-Finanzsystem abgeschnitten wurde. Inzwischen hat die EU sogar beschlossen, Zinserträge als Militärhilfe in die Ukraine weiterzuleiten – es geht um Assets der russischen Zentralbank in Höhe von 210 Milliarden Euro. Die Vereinigten Staaten verfolgen ähnliche Pläne.

Russland hätte somit auch ganz ohne eigenes Zutun automatisch einen höheren Goldanteil an den verfügbaren Reserven gehabt. Die zusätzlichen Goldkäufe der Zentralbank dienen in erster Linie dazu, sich von westlichen Währungen unabhängiger zu machen. Gold als „ultimative Währung“, hinter der keine Nation steht und bei der staatliche Enteignungen unmöglich sind, ist hier die logische erste Option.

Neben Gold diversifiziert man verstärkt in den chinesischen Yuan. Das zeigt sich zum Beispiel auch daran, dass der russische Staatsfonds perspektivisch nur noch Rubel, Yuan und Gold halten will und im letzten Jahr die vorgegebene maximale Gewichtung für Gold und Yuan gleichermaßen verdoppelte. Aktuell wird innerhalb der Finanzszene gemunkelt, dass Russland weiter stark Yuan aufkauft. Insgesamt deuten die Zahlen auf eine strategische Neuausrichtung der russischen Währungspolitik hin.

Russland profitiert von heimischer Goldförderung

Die Entwicklung der Goldreserven ist in Russland ganz besonders interessant, weil es mit einer jährlichen Fördermenge von rund 310 Tonnen gemeinsam mit China und Australien eines der drei bedeutendsten Förderländer weltweit ist. An kaum einem anderen Ort werden so große Mengen des gelben Edelmetalls aus dem Boden geholt wie im flächenmäßig größten Land der Welt.

Die russische Zentralbank konnte ihr Gold in den vergangenen Jahren also überwiegend den heimischen Minenbetreibern abkaufen. Aus diesem Grund ist - ähnlich wie in China - unklar, wie viel Gold die Zentralbank wirklich in ihren Tresoren bunkert. Offiziell ist die russische Notenbank mit Goldbeständen von 2333 Tonnen auf Platz Fünf der Welt. Aber nur Transaktionen an den internationalen Märkten sind transparent nachvollziehbar, die Goldreserven könnten noch deutlich höher sein als vermeldet.

Die große heimische Goldfördermenge ist auch insofern gut für Russland, als dass dadurch der Umweg über die globalen Edelmetallmärkte kaum eine Rolle spielt und somit der Rubel nicht zusätzlich geschwächt wird. Zumindest in China kann Russland immer noch problemlos Gold kaufen. Der Kreml arbeitet zudem an einem eigenen internationalen Standard für Edelmetalle, der die vorläufige Bezeichnung „Moscow World Standard“ (MWS) trägt. Dieser neue Standard soll eine gleichwertige Alternative zum Standard der Londoner Metallbörse werden, von der Russland nach Kriegsbeginn verbannt wurde.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Jakob Schmidt

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VW-Aktie im Fokus: Was die Werksschließung bei Volkswagen für die Autoindustrie bedeutet
16.12.2025

Ein symbolträchtiger Standort der deutschen Autoindustrie schließt seine Tore und rückt die VW-Aktie erneut in den Fokus von Anlegern...

DWN
Politik
Politik Teure Mieten, hohe Steuern, weniger Kinder: Auswanderungen aus Deutschland weiterhin auf hohem Niveau
16.12.2025

Nach wie vor wandern sehr viele Menschen aus Deutschland aus, gleichzeitig bekommen Deutsche immer weniger Kinder: Eine fatale Entwicklung...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Spätere Rente für Akademiker spaltet die Deutschen
16.12.2025

Sollte das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre gekoppelt sein? Die Bürger sind sich darin nicht einig. Deutsche mit Abitur...

DWN
Politik
Politik CDU-Vorsitz: Einstimmiges Votum aus NRW - Merz soll CDU-Chef bleiben
16.12.2025

Friedrich Merz erhält einstimmige Unterstützung aus NRW für eine weitere Amtszeit als CDU-Bundesvorsitzender. Der Vorschlag kommt von...

DWN
Politik
Politik Anschlag geplant? Terrorverdächtiger in Magdeburg reiste legal ein
16.12.2025

Mit Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem 21-jährigen Mann in...

DWN
Politik
Politik Sudan führt auch 2026 Krisenliste von Hilfsorganisation an
16.12.2025

Die Hilfsorganisation IRC erstellt jeden Dezember eine Liste von Krisenstaaten, die im Folgejahr zu beachten sind. Der Sudan steht im...

DWN
Finanzen
Finanzen Bargeld: Barzahlen wird bei Behörden zur Ausnahme - Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
16.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Finanzielle Unabhängigkeit für Führungskräfte: So sichern Sie echte Entscheidungsfreiheit
16.12.2025

Die meisten Führungskräfte träumen davon, unabhängig Entscheidungen treffen und nach eigenen Überzeugungen handeln zu können. In der...