Bereits im November hatten die Banken der Eurozone zielgerichtete langfristige Kredite im Umfang von 296,29 Milliarden Euro vorzeitig an die Europäische Zentralbank zurückgegeben. Diese Kredite, die in der Fachwelt "TLTRO III" genannt werden, waren für die Banken sehr lukrativ. Die EZB verfolgte damit während der Corona-Krise das erklärte Ziel, die Banken mit ausreichend Liquidität auszustatten. Dies sollte erklärtermaßen die Kreditvergabe an die Realwirtschaft ankurbeln.
Nie zuvor hatte die EZB auf einen Schlag so viel Geld aus dem Bankensystem gezogen. Doch wie die Notenbank am Freitag mitteilte, werden die Banken der Eurozone nun weitere 447,5 Milliarden Euro an TLTRO-III-Krediten vorzeitig an die EZB zurückzahlen. Im Dezember werden weitere 52 Milliarden Euro fällig. Damit verringert sich die Gesamtsumme der ausstehenden Refinanzierungsgeschäfte innerhalb nur weniger Wochen um fast 800 Milliarden Euro.
Bis vor kurzem saßen die Banken der Eurozone auf TLRTO-Barmitteln im Umfang von 2,113 Billionen Euro. Und die ausstehenden TLTRO-Mittel werden sich nach der Rückzahlung im Dezember immer noch auf 1,32 Billionen belaufen, wovon ein Großteil davon im Juni nächsten Jahres fällig wird, wie Reuters berichtet. Doch der Rückgang innerhalb weniger Wochen um knapp 800 Milliarden Euro ist durchaus enorm.
Hintergrund ist, dass ist die Inflation im Oktober einen Rekordwert von 10,6 Prozent erreichte. Daher hat die EZB die Kreditkosten für TLTRO-Darlehen im November deutlich erhöht. Damit will sie bewirken, dass die Banken die Mittel lieber zurückgeben, als die höheren Zinsen zu zahlen. Es wird erwartet, dass die vorzeitigen Rückzahlungen die Finanzierungskosten der Banken erhöhen und die Kreditnachfrage dämpfen, was wiederum die Inflation dämpfen soll.
Mit 8,5 Billionen Euro ist die Bilanz der EZB im historischen Vergleich immer noch außergewöhnlich groß, und es wird erwartet, dass die Bank in der nächsten Woche Pläne für eine weitere Verringerung dieser Bilanz vorlegen wird. Als nächsten Schritt könnte sie einen Teil der von ihr gehaltenen Schulden in Höhe von 5 Billionen Euro auslaufen lassen. Aber dieser Prozess wird wahrscheinlich schrittweise erfolgen, und die Reduzierung dürfte zunächst nur gering ausfallen.
Von Reuters befragte Analysten gehen davon aus, dass die Anleihebestände im nächsten Jahr nur um 175 Milliarden Euro schrumpfen werden. Die Notenbanker stehen vor dem Problem, dass sie die Geldpolitik genau zu einem Zeitpunkt straffen, während die Eurozone auf eine Rezession zusteuert. Die befragten Analysten gaben in der Umfrage eine durchschnittliche Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent für eine Rezession innerhalb eines Jahres an.