Politik

Berufspolitiker: Die unterschätzte Gefahr für die Demokratie

Berufspolitiker stellen eine unterschätzte Gefahr für die Demokratie dar, schreibt Bestseller-Autor Matthias Weik. Der ganze Polit-Zirkus muss auf den Kopf gestellt werden.
14.05.2023 09:38
Aktualisiert: 14.05.2023 09:38
Lesezeit: 3 min
Berufspolitiker: Die unterschätzte Gefahr für die Demokratie
Viele Politiker in Deutschland haben nie in der Wirtschaft gearbeitet oder eine Ausbildung abgeschlossen. (Foto: dpa) Foto: Ludovic Marin

Ein Kanzler mit besorgniserregenden Gedächtnislücken in der Causa Cum-Ex, ein Wirtschaftsminister mit offensichtlich nur rudimentären Wirtschaftskenntnissen und einer unappetitlichen "Filz-Affäre" bei der der Verdacht der Vetternwirtschaft im Raum steht, eine Außenministerin mit mangelndem diplomatischem Fingerspitzengefühl, eine Präsidentin der Europäischen Kommission, die mit dubiosen SMS im Rahmen des Pfizer-Deals in Verbindung gebracht wird, Politiker die sich mit „Maskendeals“ bereicherten.… erschüttern das Vertrauen in die Politik und schlussendlich in die Demokratie. Es ist an der Zeit, dass sich einiges grundlegend ändert. Der Polit-Zirkus muss auf den Kopf gestellt werden.

Maximal zwei Legislaturperioden

Es muss die Frage gestellt werden, ob Deutschland und die EU tatsächlich Berufspolitiker und Berufspolitikerinnen benötigen, oder ob die Abgeordnetentätigkeit in Landtag, Bundestag und EU -Parlament auf maximal zwei Legislaturperioden beschränkt werden sollte. Oberstes Ziel eines Berufspolitikers und einer Berufspolitikerin dürfte es verständlicherweise sein, seinen Job zu behalten. Dies kann er nur dann, wenn er wiedergewählt wird – mag es kosten, was es wolle.

Auch diese Motivlage führt mit dazu, dass sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden. Politiker ist kein Beruf. Wäre die Parlamentstätigkeit auf maximal zwei Legislaturperioden beschränkt, so würde dank Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft ein frischerer Wind durch die Parlamente wehen. Würde man die Abgeordneten für ihre Tätigkeit mit demselben Betrag vergüten, den sie für ihre berufliche Tätigkeit erhalten, so würden voraussichtlich einerseits höher qualifizierte Bürger in den Parlamenten sitzen und andererseits für manch einen die Tätigkeit als Abgeordneter weniger attraktiv erscheinen.

Vorteile einer Begrenzung

Die Begrenzung der Abgeordnetentätigkeit auf maximal zwei Legislaturperioden hat zahllose Vorteile, als da wären:

  • Der politische Filz samt Postenschacher hätte es sehr viel schwerer, sich zu entfalten.
  • Parteien würden aufgrund ihres Parteiprogramms und nicht aufgrund von Personen gewählt werden.
  • Politiker würden das Parteiprogramm umsetzen, für das sie gewählt wurden, anstatt im Zweifelsfall aufgrund der Gefahr einer künftigen Wahlniederlage und des damit verbundenen Jobverlusts von ihm abzuweichen.
  • Es würde ein frischerer Wind durch die Parlamente wehen und die Entscheidungen würden sich stärker am Willen der Bürger orientieren.
  • Da ein jeder nach seiner Abgeordnetentätigkeit wieder in seinen Beruf zurückkehren würde, würden die Parlamente ein wesentlich breiteres Bild der Gesellschaft widerspiegeln.
  • All jene – gewiss nicht alle – Berufspolitiker, welche von der freien Wirtschaft aufgrund mangelnder Ausbildung und/oder Berufserfahrung als gescheiterte Existenzen betrachtet werden und niemals das Salär erhalten würden, das sie als Abgeordnete erhalten, müssten sich um einen Berufs- oder Studienabschluss kümmern, um dann im Job zum Wohlstand der Gesellschaft beizutragen. Somit könnten sie der Gesellschaft beweisen, dass sie mehr sein können als Berufspolitiker, und mit allen Bürgern gemeinsam das Land mit aus dem Schlamassel ziehen.

Ohne Qualifikation kein politisches Amt

Die Frage sei erlaubt, ob ein Politiker tatsächlich den anspruchsvollen äußeren Anforderungen gerecht werden und inhaltlich schwierige Forderungen durchbringen kann, wenn er nicht das Durchhaltevermögen besaß, einen Berufs- oder Hochschulabschluss zu erreichen. Auch Politiker sollten einen Berufs- oder Hochschulabschluss und eine gewisse Berufserfahrung haben, bevor sie ein politisches Amt übernehmen.

Dies erhöht die Chance, dass sie tatsächlich mitten aus der Gesellschaft kommen und nicht ausschließlich in der Politikblase agieren. Es kann und darf nicht sein, dass Volksvertreter noch niemals einer geregelten Arbeit außerhalb der Politik nachgegangen sind. Es wirkt absurd, wenn Politiker jungen Menschen die Wichtigkeit von Bildung predigen, während sie selbst in puncto Bildung bestenfalls nur wenig zustande gebracht haben.

Ebenso obskur wirken Politiker, die von Vergesellschaftung und Enteignungen fabulieren, ohne in der freien Wirtschaft gearbeitet beziehungsweise etwas Nennenswertes zustande gebracht zu haben. Gravierend wird es, wenn eine Politikerin mit abgebrochenem Studium ohne jegliche Berufserfahrung in den Aufsichtsrat des Volkswagen-Konzerns, Deutschlands größtem Autobauer, gehievt wird.

Ministerposten nach Kompetenz besetzen

Prof. a. D. Matthias Scharlach sagte: "Immer dort, wo das Ego die Kompetenz überholt, versagen irgendwann die Bremsen." Exakt dies ist bei zahlreichen Politikern und Politikerinnen zu beobachten. Zu jedem Arbeitsplatz gehören eine Stellenbeschreibung und ein Anforderungsprofil. Beispielsweise sind die Anforderungen an einen Sachbearbeiter ohne Budget- und Personalverantwortung geringer als diejenigen, die an einen Abteilungsleiter oder einen Vorstand zu stellen sind.

Zweifellos wäre manch ein Sachbearbeiter auf dem Posten eines Vorstands in einem Konzern reichlich überfordert, weil ihm die Qualifikation, die Erfahrung und vielleicht auch der Intellekt fehlen. Die Besetzung eines Jobs nach Qualifikation zählt in der freien Wirtschaft ebenso wie im öffentlichen Dienst und für Beamte in jeder Behörde. Der kleine, aber feine Unterschied besteht jedoch darin, dass beim Staat die Top-Führungspositionen mehr nach politischen Kriterien als nach Qualifikation besetzt werden.

Beispielsweise haben Juristen mit einem bestenfalls durchschnittlichen Staatsexamen beim Staat faktisch keine Chance auf eine Anstellung. Für Minister oder Staatssekretäre – ironischerweise selbst solche im Justizministerium – zählt dieses Ausschlusskriterium augenscheinlich nicht. Genau hier muss angesetzt werden. Es ist unabdingbar, dass Ministerposten und Staatssekretärsposten ebenso ein Jobprofil erhalten und davon ausgehend, ebenso wie Topmanagerposten, strikt nach Kompetenz und nicht nach Parteibuch besetzt werden.

*****

Matthias Weik befasst sich seit über zwei Jahrzehnten mit dem Thema Finanzen und ist Experte für Exitstrategien. Er zählt seit Jahren, mit sechs Bestsellern in Folge zu den verlässlichsten Bestseller-Autoren im Bereich Wirtschaft und Finanzen. Im März ist sein sechster Bestseller „Die Abrechnung“ erschienen. Matthias Weik bezeichnet sich selbst nicht als Pessimist, Optimist sondern als Realist.

Web: www.matthias-weik.com

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Matthias Weik
Matthias Weik befasst sich seit über zwei Jahrzehnten mit dem Thema Finanzen und ist Experte für Exitstrategien. Er zählt seit Jahren, mit sechs Bestsellern in Folge zu den verlässlichsten Bestseller-Autoren im Bereich Wirtschaft und Finanzen. Im März 2023 ist sein sechster Bestseller „Die Abrechnung“ erschienen. Matthias Weik bezeichnet sich selbst nicht als Pessimist, Optimist sondern als Realist.
DWN
Politik
Politik Rutte warnt in Berlin: Russland sieht Europa als nächstes Ziel
11.12.2025

Bundeskanzler Merz und Nato-Generalsekretär Rutte haben in Berlin Alarm geschlagen. Russland ziele nicht nur auf die Ukraine, sondern...

DWN
Finanzen
Finanzen Münchener Rück-Aktie: Neue Strategie setzt deutliche Gewinneffekte frei
11.12.2025

Die Münchener Rück-Aktie gewinnt an Tempo – und das aus gutem Grund. Die neue Strategie Ambition 2030 verspricht höhere Gewinne,...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putin und Trump spielen im selben Team gegen Europa
11.12.2025

Putin und Trump sprechen plötzlich dieselbe Sprache. Europas Zukunft steht auf dem Spiel, während Washington und Moskau ein gemeinsames...

DWN
Technologie
Technologie Halbleiter-Förderung: Dresden und Erfurt erhalten grünes Licht
11.12.2025

Europa hängt bei Chips weiter an Asien – nun greift die EU zu einem Milliardenhebel. Deutschland darf zwei neue Werke in Dresden und...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB erhöht Druck: Vereinfachte Regeln für Europas Banken
11.12.2025

Die EZB drängt auf einfachere EU-Bankenvorschriften und will kleinere Institute entlasten. Doch wie weit darf eine Reform gehen, ohne...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut korrigiert Wirtschaftsprognose: Deutschlands Aufschwung bleibt schwach
11.12.2025

Die neue Wirtschaftsprognose des Ifo-Instituts dämpft Hoffnungen auf einen kräftigen Aufschwung. Trotz Milliardeninvestitionen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimarisiken: Unternehmen gefährden ihre Umsätze durch schwaches Risikomanagement
11.12.2025

Unternehmen geraten weltweit unter Druck, ihre Klimarisiken präziser zu bewerten und belastbare Strategien für den Übergang in eine...

DWN
Politik
Politik Trump warnt die Ukraine und verspottet Europa. „Am Ende gewinnt der Stärkere“
11.12.2025

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und attackiert gleichzeitig europäische Staatschefs. Seine Aussagen im...