Die Vorgaben der Europäischen Union zur energetischen Sanierung versetzen Hausbesitzer in Angst und Schrecken. Über allem steht die sogenannte „Gebäuderichtlinie“: Diese legt fest, dass bis 2050 alle Häuser klimaneutral sein sollen. Als Zwischenschritt müssen ab 2033 sämtliche Bestands-Gebäude mindestens die Effizienzklasse D erfüllen, schon bis 2030 ist Klasse E das Minimum. Ab 2028 müssen alle Neubauten emissionsfrei sein.
Im März wurde im EU-Parlament eine Verschärfung der EPBD-Richtlinie beschlossen – mit denkbarer knapper Mehrheit, wie CDU/CSU-Europaabgeordnete jetzt anmerken. 343 Ja-Stimmen hätten 216 Nein-Stimmen sowie 78 Enthaltungen gegenübergestanden. Die warnenden Stimmen aus dem EU-Parlament kommen spät. Die Parlamentarier haben einen Brandbrief verfasst, mit dem sie versuchen, das Vorhaben auf den letzten Meter doch noch zu verhindern oder zumindest abzumildern.
Der zurzeit im Parlament kursierende und unter anderem vom Focus veröffentlichte Brief wurde von den Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe, Daniel Caspary (CDU) und Angelika Niebler (CSU) sowie dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Gruppe, Markus Pieper (CDU) und der Vorsitzenden des Haushaltskontrollausschusses, Monika Hohlmeier (CSU) unterzeichnet. Das Schreiben ist an Sean Kelly gerichtet, der für die Europäische Volkspartei, der CDU und CSU angehören, als so genannter „Schattenberichterstatter“ an den aktuell laufenden Detailverhandlungen über die Gebäuderichtlinie beteiligt ist.
Sanierungskosten laufen aus dem Ruder
Aus dem Immobiliensektor meldeten sich zuletzt zahlreiche warnende Stimmen zu Wort. Der Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund, Kai Warnecke, warnte vor einem dramatischen Wertverlust bei älteren Gebäuden. Aus Brüssel drohe vielen Hauseigentümern ein „Kostenhammer“, kommentierte der Immobilienverband Deutschland IVD. Laut IVD wären hierzulande überproportional viele Ein- und Zweifamilienhäuser von der geplanten Sanierungspflicht betroffen – rund 40 Prozent der 16 Millionen Eigenheime seien kaum saniert und befänden sich noch in den Energieklassen G und H.
Die sich verschärfenden Anforderungen an die Energieeffizienz ist den Abgeordneten ein besonderes Anliegen. Wenn in Deutschland alle bestehenden Wohngebäude bis 2033 die Effizienzklasse D erfüllen müssen, wären 45 Prozent des gesamten Bestands sanierungspflichtig. Die Parlamentarier schätzen, dass damit jährlich rund 620.000 Wohngebäude renoviert werden müssten. Das wäre dreimal so viel wie heute und entspreche zusätzlichen jährlichen Sanierungskosten von rund 200 Milliarden Euro pro Jahr.
Nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion ist diese enorme finanzielle Belastung für Immobilien-Besitzer nicht tragfähig, zumal schon jetzt ein Mangel an Baumaterialien und Handwerkern herrsche. „Bezogen auf die in Deutschland vorhandenen Material-, Planungs- und Handwerkskapazitäten und der Verfügbarkeit von Finanzmitteln, ist dies einfach nicht machbar.“, heiß es in dem Schreiben. Weiterhin seien die sozialen Folgen der Renovierungspflicht nicht absehbar. Bei Einfamilienhäusern etwa würden erforderlichen Sanierungen (neue Heizungsanlage, Dämmung) mindestens 100.000 Euro je Gebäude kosten.
„Wir würden eine Immobilienkrise verursachen“
Eine Studie des Immobilienmaklers „McMakler“ gibt anhand einer Stichprobe von über 10.000 Wohnhäusern einen Anhaltspunkt für die energetische Effizienz von Deutschlands Gebäudebestand.
Demzufolge repräsentieren Gebäude mit den schlechtesten Energiebilanzen H-E einen Anteil von grob 54 Prozent. Hier existiert eine große Schnittmenge mit Altbauten aus der Zeit vor 1979, was laut Statistischem Bundesamt rund 60 Prozent aller Wohngebäude sind. Ein Sanierungszwang für alle Wohnhäuser mit schlechter Energieklasse würde gemäß dem Brandbrief einen „Angriff auf ländliche Gebiete und Kleinstädte mit vielen Einfamilienhäusern“ darstellen.
Altbauten im ländlichen Raum sind viel weniger Wert als vergleichbare Objekte in den Großstädten. Die Renovierungskosten im Verhältnis zum (Beleihungs-)Wert der Immobilie sind für die Besitzer entsprechend deutlich höher und können schnell zu einem finanziellen Totalschaden führen. „So würden wir eine Immobilienkrise erschaffen“, warnen denn auch die Parlamentarier.
Sie plädieren stattdessen für eine ausgewogene Lösung, die Klimaschutz und finanzielle Belastungen für die Bürger in Einklang bringt. Zu drastische Sanierungs-Vorschriften könnten „den sozialen Frieden gefährden und die Akzeptanz von Klimamaßnahmen in der Bevölkerung beeinträchtigen.“
Die warnenden Worte aus dem EU-Parlament kommen zu einem Zeitpunkt, an dem sich Hausbesitzer zusätzlich mit dem Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) auseinandersetzen müssen. Dieses ist nach einigen Verzögerungen nun Anfang September verabschiedet worden. Jede neu eingebaute Heizung muss nach GEG zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Für viele Haushalte wird dadurch der Einbau einer Wärmepumpe quasi alternativlos. Für die Nutzung fossiler Brennstoffe in bestehenden Heizungen sind verschiedene Übergangsfristen mit einem fixen Enddatum 2044 geplant.
Zur Verdeutlichung des Ausmaßes der Regulierung ein paar Zahlen: Wärmepumpen wurden im Jahr 2022 in mehr als der Hälfte der neu gebauten Wohngebäude als primäre Heizenergiequelle eingesetzt. Aber lediglich drei Prozent der insgesamt knapp 41 Millionen Haushalte heizen heute mit einer strombetriebenen Wärmepumpe. Zahlen des Energieverbandes BDEW zufolge werden die Hälfte aller Heizungen in Deutschland noch mit Gas und ein Viertel mit Öl betrieben. 75 Prozent des Heizungs-Bestandes muss demnach komplett modernisiert werden.
Ein energetischer Vermögensschock
Es ist also noch viel zu tun. Viele Eigentümer schieben aber die Sanierung aus finanziellen Gründen auf und/oder weil es wirtschaftlich einfach keinen Sinn macht. Eine Studie des Forschungsinstituts für Wärmeschutz München hat etwa ergeben, dass nur knapp die Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland überhaupt für den effizienten Betrieb einer Wärmepumpe geeignet ist. Laut der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) lohnt sich eine Sanierung bei vielen der vor 1979 errichteten Gebäude wirtschaftlich überhaupt nicht.
Fakt ist hingegen: Das umstrittene Heizungsgesetz und die EU-Sanierungsvorschriften führt zu einem gravierenden Vermögensverlust für Immobilien-Eigentümer. Der Makroökonom und Unternehmensberater Daniel Stelter hat hierzu detaillierte Zahlen aufgestellt. Stand 2021, also noch vor der Zinswende, betrug in Deutschland laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes der Wert von Wohngebäuden ohne Grund und Boden schätzungsweise 6.500 Milliarden Euro. Berechnungen der Beratungsfirma Ernst Young (EY) zufolge würde die Umsetzung der energetischen Zielvorgaben auf den gesamten deutschen Immobilien-Bestand circa 3.000 Milliarden Euro kosten (im Durchschnitt 1000 Euro pro Quadratmeter sanierungsbedürftiger Wohnfläche).
Das entspricht einem durchschnittlichen Anteil von 46 Prozent am gesamten Immobilien-Vermögen, welches durch die Zinswende zusätzlich sinkt. Wenn man nun noch berücksichtigt, dass sich die Sanierungskosten bei den knapp 60 Prozent Gebäuden mit den schlechtesten Energieklassen E-H konzentrieren, wird deutlich, weshalb Stelter von einem „Vermögensschock“ spricht. Eine Wert-Halbierung dürfte bei unsanierten Objekten keine Seltenheit sein, sobald sich diese Erkenntnis am breiten Markt durchsetzt. Die ländliche Mittelschicht droht zu verarmen.
Die Frage ist: Wie sollen Immobilen-Besitzer diese massiven Kosten stemmen? Häufig wäre zur Renovierungs-Finanzierung eine erneute Beleihung der Immobilie erforderlich, aber viele, insbesondere ältere, Bürger werden dafür gerade im aktuellen Zins-Umfeld keinen Kredit mehr bekommen. Hinzu kommt, dass für schlecht isolierte Altbauten in manchen Regionen abseits der Ballungszentren die zu erwartenden Sanierungskosten den Marktwert des Gebäudes sogar übersteigen. Ein Totalschaden für den Eigentümer, der dann höchstens noch das Grundstück als Sicherheit vorweisen könnte.
Auch Mieter sind betroffen. Vermieter dürfen die Sanierungskosten an den Mieter weiterreichen – nach derzeitigem Recht maximal acht Prozent der auf die Wohnung entfallenden Renovierungskosten pro Jahr.
Viele Hausbesitzer werden durch die Klima-Sanierungen finanziell überlastet. Die Auswirkungen auf den Immobilienmarkt kann sich jeder selbst ausrechnen. Schon jetzt purzeln die Preise, auch in den Großstädten. Der vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) aus 18 Städten ermittelte „Greix-Index“ zeigt im Vorjahresvergleich einen Preisrückgang von rund 10 Prozent für Eigentumswohnungen sowie Einfamilienhäuser und 20 Prozent für Mehrfamilienhäuser. Für Gebäude mit der Energiebilanz E-H dürfte der Wertverfall mitunter deutlich größer sein, insbesondere im ländlichen Raum.
Laut einer Analyse des Immobilienspezialisten JLL ist schon jetzt eine Spaltung am Markt zu erkennen. Gebäude mit schlechter Energiebilanz werden mit immer höheren Wertabschlägen bestraft. Die Preisdifferenz zu energieeffizienten Immobilien lag im ersten Halbjahr 2022 im Mittel zwischen zwölf und 33 Prozent, in Einzelfällen bis zu 50 Prozent. Laut Immoscout24 sind die Angebotspreise von Objekten der Klasse H in Klein- und Mittelstädten um bis zu 45 Prozent eingebrochen.