Weltwirtschaft

Deutschland vs. China: Wie VW im Preiskampf gegen BYD bestehen möchte

Lesezeit: 4 min
04.04.2024 09:50
Elektroautos von BYD drohen, Europas Märkte zu fluten. Wie die deutsche Automobilbranche reagiert und ob sie eine Chance gegen China hat, erfahren Sie hier!
Deutschland vs. China: Wie VW im Preiskampf gegen BYD bestehen möchte
Neuwagen des Modells „Dolphin“ vom chinesischen Elektroauto-Hersteller BYD. (Foto: dpa)
Foto: Johannes Neudecker

Benachrichtigung über neue Artikel:  

China mit BYD an der Spitze geht am Automarkt in die Offensive: Mit einem Aufgebot günstiger und hochwertiger Elektroautos plant die Volksrepublik, den europäischen Markt für sich zu erobern und gleichzeitig Produktionsüberschüsse abzubauen. In einem rasanten Tempo konnten chinesische Automarken europäische und US-amerikanische Konkurrenten im eigenen Land übertrumpfen, nun soll der große Markt Europa überrannt werden. Wie wappnen sich die deutschen Autobauer — und stehen die chinesischen Marken auf einem so guten Boden, wie es in letzter Zeit oft vermeldet wurde?

China: Vom Absatzmarkt zum Konkurrenten

Lange Zeit galt China als verlässlicher Absatzmarkt für deutsche Automobile. Nachdem französische Konkurrenten im Reich der Mitte in einem rigorosen Preiskampf besiegt wurden, konnten deutsche Autobauer das rasant wachsende Land für sich gewinnen. 2005 verkaufte VW etwa eine halbe Million Autos in China, 2019 erreichte die Firma einen Höhepunkt mit etwas mehr als vier Millionen abgesetzten Autos. Dann kam Tesla, das als ein weiterer westlicher Anbieter den Markt Chinas dominieren wollte. Doch dieser Trend wurde spätestens seit der Covid-Pandemie radikal umgekehrt.

Erst stachen chinesische Fabrikanten Europäer und US-Amerikaner in ihrem eigenen Land aus. Und BYD löste Tesla als verkaufsstärkste Automarke in China ab, ein Ergebnis erbitterter Preissenkungen. Nun erfolgt die Offensive in die Länder, die jahrelang von dem Export ihrer eigenen Automobile nach China profitierten. Die USA setzten mit ihrem Inflation Reduction Act (IRA) notgedrungen Ansätze, um die heimische Produktion zu schützen. Da die EU aber noch keine wirksame Alternative zur Einfuhr billiger chinesischer Güter gefunden hat, muss sie sich mit dem Aufkommen erschwinglicher und hochwertiger Elektrofahrzeuge aus China arrangieren. Doch wer sind die größten Konkurrenten für altehrwürdige Produzenten wie VW, und was können sie?

BYD: Die beste Automarke, von der man noch nie gehört hat

Die Elektroautomarke BYD, die als Chinas wichtigster Akteur für E-Autos betrachtet wird, entstand als kleine Batteriemanufaktur und entwickelte sich im Schatten NIOs zum führenden Produzenten elektrischer Pkw. Schon heute fahren auf der ganzen Welt Busse von BYD, so etwa in Helsinki, London, Los Angeles und natürlich in ganz China. Laut Bloomberg entstand der rasante Erfolg von BYD durch drei Mechanismen: enorm hohen Subventionen vonseiten des chinesischen Staates, eine raffinierte Produktion mit einem hohen Anteil selbst fabrizierter Bestandteile wie Akkus und extrem günstigen Preisen. So werden zehn Modelle aus dem Hause BYD in China für unter 30.000 $ verkauft, billiger also als jedes Tesla-Fahrzeug.

Dieser Preisdruck ist derzeit das größte Argument für Elektrofahrzeuge von BYD. Die Firma zeigt sich äußerst ambitioniert und will alleine mit verschifften Fahrzeugen einen Marktanteil von 5 Prozent aller verkauften E-Fahrzeuge in Europa für sich erobern. Im nächsten Schritt sollen Chinas Fahrzeuge direkt in Ungarn gefertigt und in die gesamte EU verkauft werden. In Ostungarn werden chinesische Batterien bereits von CATL gefertigt. Nicht umsonst werden große Automarken in der EU nervös, denn sie haben es bislang versäumt, ähnlich gute Elektrofahrzeuge in derselben Preisklasse zu produzieren wie BYD.

So stellen BYD und die knapp 20 weiteren chinesischen Anbieter, die in Europa verkaufen wollen, durchaus eine Bedrohung für den heimischen Markt dar. Doch kann der chinesische Vorreiter den hiesigen Fahrzeugmarkt tatsächlich so rasant aufrütteln, wie es von manchen Stellen befürchtet wird?

VW und andere europäische Marken rüsten sich für den Preiskampf

Vorstandschef Oliver Blume von VW gab kürzlich bekannt, ein Elektroauto für unter 20.000 Euro bauen und verkaufen zu wollen. Bereits letztes Jahr verkaufte das Unternehmen laut Autobild den VW ID.3 für weniger als 16.000 € in China, um dort gegen BYD und Tesla zu bestehen. Ähnliche Preiskürzungen könnten auch in Europa vorgenommen werden. Zwar rechnet man auch bei VW damit, dass chinesische Hersteller einen Marktanteil von über 10 Prozent in Europa erobern werden. Doch mehr möchte man ihnen nicht bieten, und so diskutieren VW, Renault und Stellantis über Kooperationen. Etwa könnte VW seine Batterien in Salzgitter selbst produzieren und somit die Preise für E-Autos massiv senken — ein Effekt, der sich auch auf Renault und Stellantis auswirken dürfte, wenn die drei Hersteller sich auf eine gemeinsame Plattform und Batterie einigen.

Diese Idee der technologischen Synergie wird derzeit von den japanischen Autoproduzenten Honda, Nissan und Mitsubishi erprobt, erfahrenen Playern also, die die Mobilitätswende ebenso aufgeschoben haben wie ihre europäischen Pendants. Sofern VW, Stellantis und Renault eine gemeinsame Strategie entwickeln, könnten sie trotz ausbleibender Subventionen günstige Anbieter wie BYD im Preis unterbieten, ohne an Qualität einzubüßen.

China hat keinen Heimvorteil in Europa

Was in China gut funktioniert, kann in Europa durchaus schiefgehen. So gaben Führungskräfte von BYD zu, dass die Firma vermutlich weit hinter den Erwartungen von 400.000 verkauften Autos außerhalb Chinas im laufenden Jahr zurückbleiben würde. So gäbe es Probleme bei der Lagerung von BYD-Fahrzeugen, in denen sich im europäischen Klima schnell Schimmel bilde. Auch größere Schäden an den E-Fahrzeugen kommen vor: So ging im Januar 2024 ein BYD Bus in London in Flammen auf, sodass 2000 Exemplare dieses Modells auf einmal zurückgerufen werden mussten. Grundsätzlich heißt es, dass BYD wenig Erfahrung in der Fernlogistik aufweist. Die Fahrzeuge aus dem Hause BYD bräuchten relativ häufig Nachbesserungen und Reparaturen, nur fehlen in Europa Fachkräfte, die sich mit diesen Modellen gut auskennen.

(Die BYD Aktie erholt sich und das Unternehmen vermeldet weltweite Erfolge. Doch kann der Erfolg der Chinesen auch in Europa wiederholt werden? Quelle: X.com)

Auch müssen Chinas Autohersteller in Europa auf günstige Steuern und Subventionen hoffen, um einen ähnlichen Aufstieg wie in ihrem Heimatmarkt hinlegen zu können. Nur ist die Subvention für E-Fahrzeuge in Deutschland, dem potenziell wichtigsten Markt für Chinas E-Autos, seit Januar 2024 ausgelaufen. Die Folgen für den E-Auto-Markt sind hierzulande seitdem ungewiss.

Elektrofahrzeuge bleiben hinter Verbrennern zurück

Das Aus von Subventionen für E-Autos führt zu dem wichtigsten Grund, warum Chinas E-Auto-Offensive auf europäischem Boden deutlich langsamer vonstattengehen könnte als erwartet. Sowohl günstige als auch teure Elektrofahrzeuge sind in Europa ein „Sorgenkind“, so wurden im Februar 2024 nur etwas mehr als 27.000 E-Fahrzeuge in Deutschland zugelassen. Demgegenüber standen 77.000 Benziner und 42.000 Dieselfahrzeuge. Ohne die starken Anreize, die etwa in den USA und China für die Mobilitätswende getätigt werden, dürfte es schwer werden, den Kunden in Europa Elektrofahrzeuge schmackhaft zu machen.

Die chinesischen Automarken werden kommen und aller Voraussicht nach in Deutschland und dem Rest Europas große Chargen ihrer günstigen und hochwertigen Fahrzeuge verkaufen. Doch vermutlich werden sie ähnlich lange und hart dafür arbeiten müssen, wie es einst japanische und südkoreanische Anbieter gemacht haben. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass BYD und ähnliche Marken die etablierten Marken VW, Stellantis und Renault auf Deutschlands Straßen ersetzen werden — und schon gar nicht werden sie den Deutschen ihre Vorliebe für Verbrennermotoren über Nacht nehmen können.

                                                                            ***

Virgil Zólyom, Jahrgang 1992, lebt in Meißen und arbeitet dort als freier Autor. Sein besonderes Interesse gilt geopolitischen Entwicklungen in Europa und Russland. Aber auch alltagsnahe Themen wie Existenzgründung, Sport und Weinbau fließen in seine Arbeit ein.



DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...