Politik

Trump-Begnadigung für Kapitol-Attacke-Verurteilte: Wie der Präsident das US-Justizsystem herausfordert

Donald Trump sorgt mit seiner Begnadigung für alle Straftäter der Kapitol-Attacke für Aufsehen. Viele der Verurteilten sind nun frei, darunter prominente Figuren wie Stewart Rhodes und Enrique Tarrio. Der Schritt wirft Fragen zur Integrität des US-Justizsystems auf und löst heftige Reaktionen aus.
26.01.2025 07:34
Aktualisiert: 26.01.2025 08:54
Lesezeit: 3 min

Kurz nach der Trump Begnadigung für alle Straftäter der Kapitol-Attacke sind viele Verurteilte auf freiem Fuß und feiern ihren Triumph. In den ersten Stunden nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Donald Trump wurden an verschiedenen Orten des Landes Häftlinge entlassen, die wegen ihrer Rolle bei dem gewaltsamen Sturm auf den Parlamentssitz im Jahr 2021 verurteilt wurden. Darunter auch Personen, die damals brutal auf Polizisten und andere Sicherheitskräfte losgingen.

Auch die prominentesten Verurteilten mit den höchsten Haftstrafen – die ehemaligen Führer der beiden rechtsradikalen Gruppen „Oath Keepers“ und „Proud Boys“, Stewart Rhodes und Henry „Enrique“ Tarrio – wurden nur Stunden nach Trumps Amtsantritt freigelassen. Sie äußerten sich erfreut.

Trumps umfassende Begnadigung aller Straftäter vom 6. Januar 2021 überraschte selbst Personen aus seinem Umfeld. Hochrangige Demokraten und ehemalige Polizisten reagierten empört und alarmiert. Trump verteidigte seine Entscheidung und bezeichnete viele Strafen als „lächerlich“ und „exzessiv“. Dieser Schritt zeigt erneut, dass der Republikaner keine Tabus kennt, verdeutlicht jedoch auch, wie angeschlagen das US-Justizsystem ist – und wie gefährdet die amerikanische Demokratie.

Begnadigung für alle, unabhängig von ihrer Rolle bei der Kapitol-Attacke

Am 6. Januar 2021 hatten Anhänger des damaligen Präsidenten Trump den US-Kapitol gewaltsam gestürmt, als der Kongress gerade den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl 2020 gegen Trump bestätigen sollte. Trump hatte seine Anhänger zuvor mehrfach mit unbelegten Behauptungen angestachelt, dass ihm der Wahlsieg durch Betrug gestohlen worden sei. Die Krawalle führten zum Tod von fünf Menschen.

Einige der Randalierer wurden wegen kleinerer Straftaten angeklagt – etwa für unbefugtes Betreten des Kapitols, Widerstand gegen Polizisten, Zerstörung von Eigentum oder Diebstahl. Andere wurden wegen schwerer Vergehen verurteilt, beispielsweise weil sie Polizisten mit Stöcken, Metallstangen oder Fäusten angriffen oder die Attacke zur Sabotage des Machtwechsels geplant hatten.

Trump hatte von Anfang an versprochen, verurteilte Unterstützer des 6. Januar zu begnadigen. Er betonte jedoch, dass er sich jeden Einzelfall genau ansehen wolle. Kurz vor der Amtseinführung sagte sein Vizepräsident J.D. Vance in einem Fernsehinterview: „Wer an jenem Tag Gewalt ausgeübt hat, sollte natürlich nicht begnadigt werden.“ Trump schien dies anders zu sehen und ordnete an, alle freizulassen – unabhängig davon, ob sie Gewalttäter waren oder nicht.

Rechtsextreme feiern nach der Trump Begnadigung

Rhodes und Tarrio waren zwar nicht persönlich bei der Randale, aber sie orchestrierten die Attacke aus dem Hintergrund. Beide wurden wegen „aufständischer Verschwörung“ verurteilt – ein Straftatbestand, der in der US-Justizgeschichte zuvor nur selten Anwendung fand. Rhodes erhielt eine Haftstrafe von 18 Jahren, Tarrio sogar 22 Jahre. Ihnen wurde vorgeworfen, ein Komplott geschmiedet zu haben, um den gewaltsamen Stopp des Machtwechsels nach der Wahl 2020 zu ermöglichen. Jetzt sind sie freigekommen.

Tarrio äußerte sich unmittelbar nach seiner Freilassung in einem Interview mit dem rechten Verschwörungstheoretiker Alex Jones. Er sei überglücklich, erklärte der Rechtsextremist. „22 Jahre sind keine kurze Strafe… Trump hat mir mein Leben zurückgegeben.“ Über die Haftzeit sagte er: „Wir sind durch die Hölle gegangen. Aber es war es wert.“

Rhodes erschien ebenfalls schnell nach seiner Freilassung vor einer Haftanstalt in Washington, um seine Solidarität mit anderen Entlassenen zu zeigen. „Präsident Trump hat das Richtige getan“, erklärte der Mann mit der markanten Augenklappe und betonte, er und andere Häftlinge hätten keinen fairen Prozess erhalten.

„Ein neuer Sheriff ist in der Stadt“ – Reaktionen auf die Trump Begnadigung

In mehreren US-Gefängnissen wurden Häftlinge des 6. Januar von Familienangehörigen und Unterstützern in Empfang genommen und gefeiert. Vor einer Haftanstalt in Washington wartete ein älterer Mann mit einer Trump-Wollmütze und einer Trump-Fahne auf die Freilassung seiner beiden erwachsenen Kinder. Diese waren wegen ihrer Rolle bei den Ausschreitungen, unter anderem wegen brutaler Angriffe auf Polizisten, inhaftiert. Der Vater verkündete stolz, dass dieser Tag ein Sieg sei. „Ein neuer Sheriff ist in der Stadt“, sagte er mit Blick auf Trump.

Für manche in den USA fühlt es sich mit Trump an der Macht an, als würde man in den „Wilden Westen“ zurückkehren. Der Polizist Michael Fanone, der bei der Kapitol-Attacke schwer verletzt wurde, äußerte nach der Trump Begnadigung seiner Peiniger seine Besorgnis über seine eigene Sicherheit und die seiner Kinder.

Zweifel am US-Justizsystem nach der Trump Begnadigung

Trumps Entscheidung wirft auch Fragen über die Integrität des US-Justizsystems auf. Ein US-Präsident hat verfassungsrechtlich die Befugnis, die Strafen von Tätern, die nach Bundesrecht verurteilt wurden, zu verkürzen oder Verurteilte zu begnadigen – auch nach dem Verbüßen einer Strafe. Dass Trump jedoch diese Befugnis nutzt, um Gewalttäter freizulassen, die amerikanische Polizeibeamte angegriffen und unter seiner Anstiftung versucht haben, den friedlichen Machtwechsel zu verhindern, ist ohne Präzedenzfall. Trump weicht Fragen dazu aus und gibt an, nicht zu wissen, wer genau begnadigt wurde. Stattdessen lenkt er die Aufmerksamkeit auf seinen Amtsvorgänger Biden.

Dieser hatte kurz vor dem Ende seiner Amtszeit Familienmitglieder und Demokraten begnadigt, um sie vor möglicher Strafverfolgung durch Trumps Regierung zu schützen. Obwohl er solche Maßnahmen zuvor kategorisch abgelehnt hatte, zeigte seine spätere Entscheidung, begnadigte Personen vor einer potenziellen Strafverfolgung zu schützen, wie politisiert das System ist. Gerade jetzt bräuchte Amerika ein Justizsystem, das über jeden Zweifel erhaben ist.

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