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EU-Entgelttransparenzgesetz 2026: Warum deutsche Firmen jetzt handeln müssen

In immer mehr Stellenanzeigen in Europa wird das Gehalt offengelegt, in Deutschland ist das eher die Ausnahme. Das soll sich ändern: Das EU-Entgelttransparenzgesetz verpflichtet Arbeitgeber ab Juni 2026 das Gehalt bereits zu Beginn des Einstellungsverfahrens offenzulegen. Eine Zeitenwende für deutsche Unternehmen.
19.03.2025 14:29
Aktualisiert: 19.03.2025 14:29
Lesezeit: 3 min
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EU: Gehaltstransparenz auf dem Prüfstand

Die bereits 2023 verabschiedete EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz verpflichtet Arbeitgeber in der EU spätestens ab Juni 2026 das Gehalt bereits zu Beginn des Einstellungsverfahrens offenzulegen – entweder direkt in der Stellenausschreibung oder spätestens vor dem Vorstellungsgespräch.

Die Mitgliedstaaten müssen diese Richtlinie bis Juni 2026 in nationales Recht umsetzen, was bisher jedoch noch kein EU-Mitgliedstaat getan hat. Daher ist die Vorab-Offenlegung des Gehalts in der gesamten EU nach wie vor freiwillig (außer in Österreich, wo bereits strengere Transparenzregeln gelten) und wird in Europa sehr unterschiedlich gehandhabt.

EU-Entgelttransparenzgesetz: Warum deutsche Firmen handeln müssen

Ende 2024 enthielt nur etwa jede sechste Stellenausschreibung in Deutschland Gehaltsinformationen. Dass die Deutschen mehr Transparenz am Stellenmarkt nicht nur begrüßen, sondern sich regelrecht wünschen, zeigen Studien: Einer aktuellen Umfrage der Jobplattform Indeed zufolge, wünscht sich mit über 60 Prozent die große Mehrheit der Deutschen transparente Informationen zum Gehalt in Stellenanzeigen.

Gehaltsangaben in Deutschland kaum vorhanden

Arbeitgeber hierzulande zeigen sich dennoch weitestgehend unbeeindruckt davon. So sind Gehaltsangaben in hiesigen Stellen nach wie vor die Ausnahme als die Regel. Obwohl sich laut Indeed seit 2019 ein starker Positivtrend abgezeichnet hat, kam der 2023 schon wieder ins Stocken. Im europäischen Vergleich bleibt Deutschland damit weiter deutliches Schlusslicht. Demnach beinhalten aktuell 15,8 Prozent aller Stellenanzeigen hierzulande eine transparente Gehaltsangabe. Sobald die Jobplattform auch Verweise auf Tarife hinzurechnet, steigt der Anteil auf 23,7 Prozent.

Indeed-Ökonomin Lisa Feist glaubt, die Hintergründe für das geringe Niveau zu kennen: „Studien verweisen immer wieder auf die Vorteile von Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen“, so Feist. Sie sorge dafür, dass Beteiligte gut informiert in Gehaltsverhandlungen gehen, was sich positiv auf Lohngerechtigkeit und Mitarbeiterzufriedenheit auswirke. „In Deutschland nutzen Arbeitgeber sie aber vor allem, wenn der Konkurrenzdruck bei der Mitarbeitersuche hoch ist. Dies legt nahe, dass Gehaltsangaben eher als strategisches Mittel zur Personalgewinnung eingesetzt und noch nicht systematisch implementiert werden.“

EU-Entgelttransparenzgesetz verpflichtet zur Lohntransparenz

Für deutsche Firmen steht mit dem EU-Entgelttransparenzgesetz ab Juni 2026 jedoch ohnehin bald eine Zeitenwende ins Haus, die auch nicht überzeugte Arbeitgeber auffordert, sich bei der Gehaltstransparenz neu aufzustellen. Jobsuchende haben dann das Anrecht, genaue Angaben zu ihrem Gehalt in Stellenausschreibungen zu bekommen. Die neue Lohntransparenz geht dabei aber noch deutlich weiter: Das Durchschnittseinkommen für vergleichbare Positionen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, gehört ebenso dazu.

Um Gehaltsinformationen bereitzustellen, müssen Unternehmen nämlich mehr Ressourcen in interne Analysen investieren. Dabei bieten sich Entgelt-Audits an, um die gerechte Aufschlüsselung der Gehälter für aktuelle und zukünftige Beschäftigte regelmäßig zu prüfen. Die dabei erhobenen Daten müssen stets aktuell sein, um Ungleichheiten im eigenen Unternehmen leicht erkennen zu können. Unternehmen, die gegen die EU-Richtlinie verstoßen, drohen teils empfindliche Strafen.

Chancen und Herausforderungen für Unternehmen

Neben den Herausforderungen bietet das EU-Entgelttransparenzgesetz auch zahlreiche Chancen. Unternehmen, die frühzeitig auf Gehaltstransparenz setzen, können sich als attraktive Arbeitgeber positionieren und den Recruiting-Prozess effizienter gestalten. Transparente Gehaltsangaben reduzieren Fehlschläge im Bewerbungsprozess, da Bewerber bereits vorab besser einschätzen können, ob die angebotene Vergütung ihren Vorstellungen entspricht. Dies führt nicht nur zu einer höheren Bewerberzufriedenheit, sondern auch zu effizienteren Einstellungsprozessen und einer geringeren Fluktuation.

Gleichzeitig bedeutet die Einführung der EU-Gehaltstransparenz, dass Unternehmen ihre Gehaltsstrukturen genau unter die Lupe nehmen müssen. Interne Ungleichheiten und potenzielle geschlechtsspezifische Lohnunterschiede könnten offengelegt werden, was einige Unternehmen vor ungewollte Herausforderungen stellt. Eine gezielte HR-Strategie kann dabei helfen, nicht nur gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, sondern auch das Employer Branding zu stärken. Firmen, die sich proaktiv mit dem Thema auseinandersetzen, können langfristig von der neuen Regelung profitieren und sich Wettbewerbsvorteile sichern.

Darüber hinaus könnte das EU-Entgelttransparenzgesetz 2026 langfristig die gesamte Unternehmenskultur positiv beeinflussen. Offene Kommunikation über Vergütungsmodelle schafft Vertrauen, verbessert die Mitarbeiterzufriedenheit und kann die Motivation im Unternehmen steigern. Führungskräfte müssen sich darauf einstellen, Gehaltsentscheidungen künftig transparenter zu gestalten und sie gegenüber Mitarbeitenden klar zu kommunizieren.

Last but not least: Wenn immer mehr Länder Transparenzmaßnahmen umsetzen, könnte die tief verwurzelte Geheimniskrämerei bei Löhnen und Lohnverhandlungen in Hochlohnbranchen ins Wanken geraten. Dennoch bleibt es abzuwarten, ob die EU-Entgelttransparenzrichtlinie tatsächlich mehr Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen bringen wird.

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Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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