Finanzen

Neue EU-Regel: Sparer müssen um Guthaben unter 100.000 Euro bangen

Lesezeit: 3 min
07.08.2013 03:27
Im Fall der Pleite der Hausbank werden auch jene Kunden massive Probleme bekommen, deren Guthaben durch die offizielle Einlagensicherung garantiert sein sollen. Der aktuelle EU-Vorschlag sieht vor, dass Kunden im Fall einer Pleite ihrer Bank täglich nur noch maximal 100 bis 200 Euro abheben können. Dieser Zustand kann bis zu drei Wochen dauern. Wer größere Anschaffungen plant, sollte sich rechtzeitig überlegen, wie er an sein Geld kommen will.
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Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, treibt die EU die konkreten Schritte im Falle einer Banken-Pleite voran. Vor einigen Wochen wurde beschlossen, Banken-Rettungen überfallsartig an einem Wochenende durchzuführen (hier) und Sparer über 100.000 Euro sowie Aktionäre und Inhaber von Anleihen mit einer Zwangsabgabe an der Banken-Rettung zu beteiligen (hier).

Nun hat die litauische Ratspräsidentschaft erste Details vorgelegt, wie eine Banken-Rettung konkret aussehen wird.

Sie wird auch für jene Sparer äußerst unangenehm, die sich jetzt wegen der Einlagensicherungen in Sicherheit wiegen und glauben, es werde nur „die Reichen“, also jene Anleger, die über mehr als 100.000 Euro verfügen, treffen.

Der litauische Vorschlag zeigt: Wenn eine Bank pleitegeht, bekommen auch die kleinen Sparer ihr Geld keineswegs sofort. Bis zu vier Wochen – 20 Arbeitstage – werden die Sparer nur mit dem Notwendigsten auskommen müssen: Sie dürfen 100 bis 200 Euro täglich abheben – mehr nicht. Der EU-Rat unter der Leitung des von niemandem in Europa gewählten Präsidenten Herman Van Rompuy hatte ursprünglich angeregt, die Sparer vier Wochen auf ihr Geld warten zu lassen.

Das EU-Parlament fand diese Frist dann doch etwas lang und verlangte, Einlagen unter 100.000 Euro sollten innerhalb von fünf Tagen ausgezahlt werden.

Weil das jedoch technisch gar nicht möglich ist - keine Bank verfügt über so viel reales Geld – soll der Kompromiss nun so aussehen: 20 Tage warten, dafür bekommt man täglich 100 bis maximal 200 Euro aus dem Geldautomaten.

Drei Wochen Bangen soll es, wie die Börsen-Zeitung aus dem Papier zitiert, bis ins Jahr 2020 für dem Fall geben, in dem die nationalen Aufsichtsbehörden zur Auffassung gelangen, dass es nicht schneller geht. Im Fall, dass die Aufsichtsbehörden ein Einsehen mit den Anleger haben oder sich die Anleger zum Großteil aus bewaffneten Russen rekrutieren, dürfte es schneller gehen: Zunächst 15, dann 10 und 2023 schließlich sieben Arbeitstage.

Tatsächlich bedeutet diese Entwicklung, dass auch jene Sparer, die sich heute blind auf die Zusage von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble verlassen, dass Einlagen unter 100.000 Euro sicher sind, um ihre Ersparnisse zittern oder betteln müssen. Wenn sie ihr Geld wirklich in Händen halten wollen, es wegen größerer Anschaffungen brauchen oder aber einen Betrieb führen, der naturgemäß höhere Ausgaben hat als 100 Euro täglich – dann sollten diese Sparer sich schon mal überlegen, wie sie im Crash-Fall ihrer Bank an ihr Geld kommen wollen.

Der aktuelle Plan zeigt, dass sich im Falle einer Banken-Pleite niemand auf staatliche Zusagen wird verlassen können. Tatsächlich werden stets „außergewöhnliche Umstände“ dazu führen können, dass die Sparer auch dann mit einer Zwangsabgabe belegt werden können, wenn sie weniger als 100.000 Euro auf der Bank haben.

Den Deutschen wird dieses Thema wohlweislich noch vorenthalten: Der Gouverneur der litauischen Zentralbank, Vitas Vasiliauskas, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er sei sich bewusst, dass die Bundestags-Wahlen den Prozess etwas verzögern könnten. Aber die Banken-Union sei „eine Super-Priorität der EU“.

Noch keine Einigung gibt es in der Frage, welchen Beitrag die Banken in die Einlagensicherung einzahlen sollen. Hier streitet die EU vor allem darüber, wer das Risiko berechnet, das die einzelnen Banken darstellen und nach dessen Höhe sich der Beitrag richtet. Hier wurde eine für Beamte bemerkenswerte Verschärfung in das Dokument gebracht: Der Beitrag „soll“ sich nun nach dem Risiko richten, während es früher hieß, der Beitrag „kann“ nach dem Risiko berechnet werden.

Dass der Beitrag nicht nach dem Risiko berechnet werden „muss“, wie der gesunde Menschenverstand nahelegen würde, liegt auch daran, dass die nationalen Regierungen künftig von der Berechnung des Risikos ausgeschlossen werden sollen. Die Banken wollen die Risiken untereinander regeln und daher von der Europäischen Banken Aufsicht EBA festlegen lassen – jener Institution, die die belgische Dexia in einem „Stress“-Test noch wenige Monate vor ihrem spektakulären Crash als ein besonders vertrauenswürdiges Institut ausgezeichnet hatte.

Die Pläne der EU für die ersten europäischen Banken-Pleiten im Zeitalter der Derivate und Turbo-Spekulationen laufen darauf hinaus, dass der Crash vor allem für die kleinen Anleger und Sparer zu einem existentiellen Stress-Test wird. Denn tatsächlich sind drei Wochen des Zitterns gerade für ältere Bürger, die ihre gesamten Ersparnisse auf der Bank liegen haben, eine Zumutung. Die Pleite einer Bank ist ein für die Sparer höchst zermürbender Prozess - dem EU-Vorschlag zufolge werden die Sparer nun wochenlang warten müssen, bis sie die Gewissheit haben, ob sie ihre Geld jemals wiedersehen.

Die EU will die Banken-Union noch in diesem Jahr in den wichtigsten Details beschließen.

Es wird eng für die Sparer.

Und zwar, wie wir nun wissen, nicht nur für die Reichen.


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