Deutschland

Polizei-Aktion gegen Ärztin, die sich kritisch zum Fall Mollath äußert

In München wurde eine Medizin-Professorin von der Polizei ausspioniert und gestellt, weil sie sich auf Twitter nachdenklich zum Fall Gustl Mollath geäußert hatte. Der Fall zeigt: Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird auch hierzulande mit Füßen getreten. Der Polizeistaat ist endgültig in Deutschland angekommen. Dies ist eine äußerst gefährliche Entwicklung.
11.06.2013 22:00
Lesezeit: 3 min

In München ist die Medizin-Professorin Ursula Gresser ins Visier der Polizei geraten.

Der Grund für den Konflikt der unbescholtenen Medizinerin mit der Staatsgewalt ist atemberaubend: Sie hat sich auf Twitter kritisch zum Fall Gustl Mollath geäußert.

Gustl Ferdinand Mollath wurde zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen, weil ihn das Landgericht Nürnberg-Fürth im Jahr 2006 für gemeingefährlich erklärte. Mollath soll seine damalige Frau misshandelt und die Reifen mehrerer Dutzend Autos zerstochen haben. Mollath selbst sieht sich als Opfer seiner Exfrau und der Justiz, weil er Schwarzgeldgeschäfte in Millionenhöhe aufgedeckt habe.

Anlass ist das Wiederaufnahme-Verfahren im Fall Gustl Mollath (mehr auf Wikipedia). Vor Gericht rechnete Mollath am Montag mit den Behörden ab.

Der Fall beschäftigt eine breite Öffentlichkeit. Dies vermutlich weniger wegen der Details, die für die Außenstehenden schwer zu durchschauen sind, sondern wegen der einschneidenden Maßnahme der Zwangs-Psychiatrisierung.

Richard Gutjahr berichtet auf seinem Blog über den Hintergrund der Ärztin:

Ursula Gresser ist seit 1992 Mitglied der CSU sowie aktives Mitglied in der Frauenunion. Als Sachverständige schreibt sie medizinische Gutachten u.a. für das Amts- und Landgericht München. Bei Twitter ist sie seit 3 Jahren angemeldet. Aktiv twittert sie aber erst seit der Berichterstattung über Gustl Mollath.

Der Fall Mollath kam Gresser von Anfang an suspekt vor. Alles, was sie im Internet über das Verhalten Mollaths gelesen habe, hält sie für an den Haaren herbeigezogen. „Wenn man diese Kriterien auf andere Menschen anwenden sollte”, sagt sie, „dann müsste man halb Sauerlach abholen”. Und die Rolle der CSU? „Gerechtigkeit ist keine Frage einer Partei”.

So beschäftigt sich Ursula Gresser auch öffentlich mit dem Fall Mollath.

Ein simpler Tweet brachte Professor Gresser jedoch in Schwierigkeiten. Der Text:

„Wann Mollath freikommt? Diese Frage könnte man Frau Merk am Mo. 10.06.13 um 19 Uhr im Landgasthof Hofolding stellen.”

Thema der Veranstaltung, auf die sich Gresser bezog:

Facebook & Co. – sicher surfen in sozialen Netzwerken, mit Staatsministerin Dr. Beate Merk.

Dieser Tweet hatte jedoch ungeahnte Konsequenzen für die Professorin. Denn am Montagmittag erhielt die Ärztin Besuch von zwei Beamten der Polizei-Inspektion Ottobrunn. Die Beamten sagten, das Sicherheitspersonal der Justizministerin habe Bedenken in Bezug auf Frau Gresser angemeldet.

Die bayrische Justizministerin hatte sich besonders deutlich hinter das Gericht gestellt und die Kritiker in einer Landtagsrede ziemlich derb abgebürstet (Video hier).

Das Verbrechen: Die Frau Professor hatte einen Tweet abgesetzt, der sie verdächtig macht. Richard Gutjahr beschreibt auf seinem Blog mit schwarzem Humor, wie ahnungslos die Polizisten waren.

Aber der Vorfall ist tiefschwarz und gar nicht lustig.

Ursula Gresser hatte den Fehler begangen, den Namen Mollath in einem Tweet fallen zu lassen. Schon der Name reicht offenbar, um die Nervosität der Politik und Polizei so auf die Höhe zu treiben, dass sie eine Professorin als Sicherheitsrisiko einstufen. Die Veranstaltung der Justizministerin Merk war öffentlich, doch die Justizministerin fürchtete wohl zahlreiche ungebetene Gäste und unangenehme Fragen. Gresser bot den Beamten entsprechend an, den Tweet zu löschen.

Der Fall zeigt, dass wir uns in Deutschland nicht über die Amerikaner zu wundern brauchen. Offenkundig ist auch hierzulande der Überwachungsstaat schon so aktiv, dass selbst ein einfaches Wort auf Twitter die Staatsgewalt in Unruhe versetzt.

Ein Wort, ein Satz reichen - und nervöse Politiker hetzen den Bürgern die Polizei an den Hals. 

Der Fall zeigt, dass es mit der Meinungsfreiheit in Deutschland noch schlechter bestellt ist, als dies von Pessimisten angenommen wurde.

Offenbar werden auch hierzulande bereits erhebliche Mittel dazu verwendet, unbescholtenen Staatsbürgern im Internet nachzuspionieren.

Es handelt sich hier um einen besonders schweren Fall des Übergriffs der Staatsgewalt, weil Frau Gresser von ihrem verfassungsmäßig garantierten Recht auf die freie Meinung Gebrauch gemacht hat.

Schon in den vergangenen Monaten waren ähnliche Fälle des unverhältnismäßigen Einsatzes von polizeistaatlichen Methoden bekanntgeworden (etwa hier gegenüber einer Bloggerin aus Dortmund - hier). Eine weitere Methode ist die der Rufschädigung, wie sie das Umwelt-Bundesamt einigen Klima-Skeptikern angedeihen ließ, weil diese eine andere Meinung haben als das Amt (hier).

Der Münchner Fall ist noch eine Nuance schärfer, weil der Tweet eine gewisse politische Bedeutung hatte. Offenbar haben hunderte Polizisten in Bayern nichts Wichtigeres zu tun haben, als auf Twitter den Bürgern hinterherzuspionieren und deren Aussagen auf politische Zulässigkeit hin überprüfen.

Die Häufung der Aktionen zeigt jedoch vor allem, dass Staatsbeamte und Politiker offenbar eine Strategie verfolgen, im Internet Angst und Schrecken zu verbreiten. Bürger sollen durch solche Aktionen eingeschüchtert werden. Jeder soll sich zweimal überlegen, bevor er etwas Kritisches postet. Die Äußerung der freien Meinung gehört nicht mehr zu den selbstverständlichen Grundrechten, sondern wird von einem durch und durch moralisch verkommenen Staatsapparat als Bedrohung angesehen und bekämpft.

Der Fall Mollath ist schon eine mysteriöse Geschichte.

Der polizeistaatliche Zugriff auf Dr. Ursula Gresser gibt dem Fall eine zusätzliche Dimension: Es soll den Bürgern unter fadenscheinigem Vorwand verboten werden, eine von der offiziellen Doktrin abweichende Meinung zu haben.

Der Überwachungs-Irrsinn ist in Deutschland angekommen: Jeder Bürger ist ein potentieller Terrorist. Als solche sollen sich die Bürger fühlen, so will man sich die Bürger untertan machen.

Diese Entwicklung fordert Widerstand heraus.

Der beste Widerstand manifestiert sich nun in besonders eifrigem Twittern, Bloggen und Schreiben. Denn tatsächlich haben die Verfolger mehr Angst als ihre Opfer: Der Staat weiß genau, dass er im Grunde keine Chance hat, all die Meinungsäußerungen im Internet zu kontrollieren. Daher will man die politische Meinungsäußerung im Keim ersticken.

Je mehr Leute schweigen, umso ruhiger geht es bei den Überwachern zu.

Umgekehrt aber gilt auch: Je mehr Leute sich melden, desto sportlicher können die Bürger den Apparat auf Trab bringen.

Die Geschichte hat gezeigt: Trotz aller Repression haben immer die Bürger den längeren Atem.

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