Der Korruptions-Skandal in der Türkei erreicht nun auch Premier Recep Tayyip Erdoğan. Der für Umwelt und Städtebau zuständige Minister Erdoğan Bayraktar sagte, dass der Premier die Baupläne für die Mehrzahl der von der Staatsanwaltschaft als unrechtmäßig erkannten Bauwerke ausdrücklich genehmigt habe. Bayraktar ist einer der Minister, die zurücktreten mussten. Er wurde durch den stellvertretenden Parteivorsitzenden der APK Istanbul, İdris Güllüce, ersetzt.
Bayraktar sagte, dass auch Erdoğan zurücktreten müsse, um Schaden von der Türkei abzuwenden und den Forderungen der Öffentlichkeit Genüge zu tun. Gegen Bayraktar wird nicht ermittelt, allerdings wurde sein Sohn zeitweise festgesetzt.
Auch Europa-Minister Egemen Bağış musste zurücktreten. Mit Brüssel soll nun Mevlüt Çavuşoğlu über den EU-Beitritt verhandeln. Bağış muss sich wegen Betrug und Bestechlichkeit verantworten.
Seit gut einer Woche sind die Untersuchungen wegen angeblicher Bestechungsgelder bekannt. Im Mittelpunkt steht dabei die staatliche Halkbank. Der Vorstoß der Behörden hat die politische Elite der Türkei aufgeschreckt und für Unruhe an den Finanzmärkten gesorgt. An der Börse ging es zuletzt mehr als vier Prozent bergab. Die Landeswährung Lira verlor zum Dollar an Wert.
In der Affäre wurden bereits 24 Beamte oder deren Verwandte festgenommen, darunter der Chef der Halkbank. Am Mittwoch legten zudem Wirtschaftsminister Zafer Caglayan und Innenminister Muammer Güler ihre Ämter nieder. Die Söhne von Güler und Caglayan sind in Haft.
Unterdessen gab es neue Proteste in Ankara, Istanbul und Izmir. Schon Mitte des Jahres hatte es immer wieder heftige Demonstrationen in der Türkei gegeben.
Mit seinem Rücktritt wolle er dazu beitragen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, teilte Caglayan mit. Er sprach von einem hässlichen Vorfall, der unter anderem seinen Sohn und enge Mitarbeiter belaste. Güler bezeichnete die Affäre als "dreckiges Komplott gegen unsere Regierung, unsere Partei und unser Land". Erdoğan versprach, seine AK Partei werde Korruption nicht dulden.
Tatsächlich gehen Beobachter davon aus, dass noch längst nicht alle Details aus dem Skandal bekannt sind. Die Härte, mit der Erdoğan gegen einige seiner ehemaligen Gefolgsleute vorgeht, deutet darauf hin, dass der Premier äußerst nervös ist. Erdoğan führt seine Regierung sehr zentralistisch. Sollten sich die Vorwürfe, er selbst habe den Skandal-Projekten ausdrücklich zugestimmt oder sie sogar befohlen, bewahrheiten, könnte das für den Premier sehr unangenehm werden. Er ist zwar immer noch ausgesprochen beliebt bei weiten Teilen der Bevölkerung. Doch haben die brutalen Polizei-Einsätze bei den Gezi-Park-Protesten im Frühjahr seiner Regierung schwer geschadet und die Türkei noch stärker gespalten als sie dies vor den Ausschreitungen der Fall gewesen ist.