Im kommenden Jahr sind in der EU lukrative neue Posten zu besetzen. Der Kommissions-Präsident wird neu gewählt. Der Deutsche Martin Schulz hat sich selbst in die Pole-Position gebracht.
Anders als früher, wo die Regierungs-Chefs den Kommissions-Präsidenten freihändig bestimmt haben, kann das EU-Parlament künftig ein gewichtiges Wort mitreden.
Der erstmals greift der Modus aus dem Vertrag von Lissabon von Ende 2009. In Artikel 17 Absatz 7 heißt es:
„Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament nach entsprechenden Konsultationen mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament wählt diesen Kandidaten mit der Mehrheit seiner Mitglieder.“
Aktuell sind die 765 Abgeordneten des EU-Parlaments auf sieben Fraktion verteilt. Neben den Christdemokraten (275 Sitze) und den Sozialdemokraten (195 Sitze) gibt es fünf kleinere Fraktionen und 29 fraktionslose Abgeordnete. Je mehr Parteien im kommenden den Sprung ins Parlament schaffen, desto schwieriger wird es für eine von den etablierten Parteien vorbestimmten Kandidaten.
Um sicherzustellen, dass der Kandidat wirklich aus dem Kreis der System-Getreuen kommt, ist es für die Parteien wichtig, dass die Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl nicht zu gering ausfällt. Dies würde die kleinen Parteien stärken - und diesen könnten gesetzten Favoriten wie Martin Schulz in die Suppe spucken.
Um dies zu verhindern, greift das EU-Parlament den Steuerzahler ordentlich in die Tasche.
16 Millionen Euro für eine Abwehrschlacht.
In dieser Woche hat die EU nämlich eine Kampagne gestartet, mit der sie die Bürger Europas aufruft, sich massenweise als Stimmvieh zur Schlachtbank führen zu lassen sich mit Begeisterung an der EU-Wahl im kommenden Mai zu beteiligen.
Die Abwehrschlacht, die 16 Millionen Euro kosten wird, ist die Reaktion auf eine beunruhigende Umfrage der letzten Wochen. Danach glauben weniger als 40 Prozent der Europäer, dass ihre Stimme in der EU zählt.
Die EU fürchtet, dass die Krise und eine erneut geringe Wahlbeteiligung den kleinen Parteien in die Hände spielen könnten. An der letzten Europa-Wahl im Jahr 2009 gaben nur 42 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.
Wenn die Wahlbeteiligung weiter sinkt, dann wäre das ganz schlecht für die etablierten Parteien. Die Wahl des Kommissions-Präsidenten könnte dann zu einem echt demokratischen Vorgang zum Vabanque Spiel werden.
Und das wollen die Kämpen um Martin Schulz natürlich nicht.
Daher greifen sie in den Steuertopf, damit alles bleibt, wie es ist.
„Wir haben eine starke Botschaft: Machen Sie Ihr von Ihrem Recht zu wählen Gebrauch!“, zitiert EUobserver die griechische Sozialistin Anni Podimata. Die einzige Möglichkeit, die Entscheidungsfindung in der EU zu legitimieren und zu beeinflussen, sei das EU-Parlament.
Die Kampagne soll vier Phasen haben. In der ersten werden die legislativen Befugnisse der EU-Abgeordneten erklärt. In der zweiten Phase, die im Oktober startet, sind „interaktive Events“ in europäischen Städten geplant, die sich auf Schlüsselthemen wie Arbeitsplätze und die Wirtschaft.
Die dritte Phase mit dem Slogan „Handeln. Mitmachen. Bewegen.“ wird im Februar starten. Die Aussage dabei sei: „Gehen Sie wählen!“, sagte österreichische EU-Abgeordnete Othmar Karas. „Wir betrachten es als eine Verpflichtung zu erklären, warum Ihre Stimme wichtig ist.“
Die vierte und letzte Phase wird erst nach den Europa-Wahlen vom 22. bis 25. Mai stattfinden. Darin werden die Bürger über die Wahl ihres neuen EU-Kommissionspräsidenten informiert.
„In Europa hat jede Meinung ihre faire Chance. Was Sie bewegt, bestimmt die Beschlüsse des Europäischen Parlaments. Sie haben die Macht zu entscheiden“, heißt es in einem Video der Kampagne.
Ein weiteres Video sagt: „Dieses Mal ist es anders.“
Die Ironie der Geschichte: Wenn es den etablierten Parteien nicht gelingt, die Bürger Europas zu mobilisieren, könnte dieser Slogan sogar zutreffen.
Allerdings ganz anders, als Schulz & Co. es gerne hätten.