Politik

Deutsche Bank hat Bundestag belogen: Spekulanten treiben Lebensmittelpreise

Insgesamt sechs Papiere aus den Forschungsabteilungen von Deutscher Bank und Allianz belegen: Entgegen öffentlicher Äußerungen gehen die Unternehmen selbst davon aus, dass Spekulation mit Agrarrohstoffen zu höheren Nahrungsmittelpreisen und damit zu Hunger führen kann. Foodwatch behauptet: Die Deutsche Bank hat darüber sogar den Deutschen Bundestag belogen.
24.02.2013 15:41
Lesezeit: 2 min

In einem als „ausschließlich zur internen Nutzung, vertraulich“ gekennzeichneten Dokument des Allianz-Konzerns, das der Verbraucherorganisation foodwatch vorliegt, heißt es: Es sei „doch wahrscheinlich“, dass „spekulative Kapitalströme (…) die Preisentwicklung zumindest verstärkt haben“. In einem weiteren Papier hielt die Forschungsabteilung von Allianz bereits 2008 fest: „Die Preisausschläge an den Agrarmärkten wurden durch spekulative Faktoren nicht ausgelöst, aber verstärkt“.

Die Mitteilung von Foodwatch im Wortlaut:

Deutsche Bank belog Bundestag

Vier Dokumente der Abteilung „DB Research“ zeigen, dass die Deutsche Bank den Deutschen Bundestag über ihre Erkenntnisse belogen hat. Vor dem Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatte der Chefvolkswirt des Unternehmens, David Folkerts-Landau, am 27. Juni 2012 gesagt: „Es gibt kaum stichhaltige empirische Belege für die Behauptung, dass die zunehmende Bedeutung von Agrarfinanzprodukten zu Preissteigerungen oder erhöhter Volatilität geführt hat.“ Die Forschungsabteilung der Deutschen Bank dagegen schreibt: „Auch die Spekulation hat zu Preissteigerungen beigetragen.“ Folkerts-Landau könnten die Einschätzungen von „DB Research“ durchaus bekannt sein – er selbst ist der Leiter der Abteilung.

Es ist dies der eigentliche Skandal in der Debatte um das Thema Nahrungsmittelspekulation: Konzerne wie die Deutsche Bank und Allianz wissen ganz genau, welchen Schaden sie mit ihren Finanzprodukten anrichten – aber sie täuschen die Öffentlichkeit, belügen sogar den Bundestag, um weiterhin ohne Skrupel Geschäfte auf Kosten Hungernder zu machen.

DB Research warnt ausdrücklich und unmissverständlich vor den Konsequenzen: „Solche Spekulationen können für Landwirte und Verbraucher gravierende Folgen haben und sind im Prinzip nicht akzeptabel.“

Preissteigerungen "nicht ganz von der Hand zu weisen"

Insgesamt werden in den Papieren von Deutscher Bank und Allianz immer wieder die uneinheitlichen empirischen Erkenntnisse über den Einfluss von Spekulation auf die Preise dargestellt. Die Hauptursache für steigende Preise wird in fundamentalen Entwicklungen (steigende Nachfrage, Biospritproduktion etc.) gesehen. Doch entgegen den öffentlichen Aussagen von Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen und Allianz-Vorstand Jay Ralph, die spekulative Finanzprodukte sogar als Instrument im Kampf gegen die Hungerkrise darstellten, gehen die Forschungsabteilungen beider Unternehmen davon aus, dass Spekulation Preisentwicklungen verschärfen kann: Es sei „nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Spekulation übermäßige Preisentwicklungen zumindest fördert“, heißt es in einem Allianz-Papier.

Foodwatch fordert Ausstieg – sofort

Foodwatch hat die Deutsche Bank und den Allianz-Konzern aufgefordert, sämtliche Finanzprodukte, die auf die Preisentwicklung von Agrarrohstoffen wetten, sofort vom Markt zu nehmen. Schon kurzfristige Preissteigerungen können insbesondere bei chronisch mangelernährten Kindern dauerhafte Schäden verursachen oder zum Tode führen – allein eine Wahrscheinlichkeit für solche Folgen verpflichtet dazu, die exzessive Spekulation aus Vorsorgegründen zu beenden.

Deutsche-Bank-Forscher forderten Regulierung gegen Exzesse

In einem Dokument aus dem Jahr 2010 machten sich die Deutsche-Bank-Forscher sogar noch für politische Eingriffe stark: „Eine stärkere Regulierung auf den Derivatemärkten würde insgesamt einen positiven Beitrag dazu leisten, Exzesse zu vermeiden.“ Geboten wäre das – aber davon ist heute keine Rede mehr.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Brüssel kapituliert? Warum die USA bei den Zöllen am längeren Hebel sitzen
03.07.2025

Die EU will bei den anstehenden Zollverhandlungen mit den USA Stärke zeigen – doch hinter den Kulissen bröckelt die Fassade. Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA dominieren die Börsen
03.07.2025

Die Börsenwelt bleibt fest in US-Hand, angeführt von Tech-Giganten wie Nvidia und Apple. Deutsche Unternehmen spielen nur eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pokémon-Karten als Geldanlage: Hype, Blase oder Millionen-Geschäft?
03.07.2025

Verstaubte Karten aus dem Kinderzimmer bringen heute tausende Euro – doch Experten warnen: Hinter dem Pokémon-Hype steckt eine riskante...

DWN
Finanzen
Finanzen Politische Unsicherheit: Warum Anleger jetzt Fehler machen
03.07.2025

Trumps Kurs schürt Unsicherheit an den Finanzmärkten. Wie Anleger jetzt kühlen Kopf bewahren und welche Fehler sie unbedingt vermeiden...

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung: Harsche Kritik der Wirtschaftsverbände
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Politik
Politik USA drosseln Waffenhilfe – Europa unter Zugzwang
03.07.2025

Die USA drosseln die Waffenhilfe für Kiew. Europa muss die Lücke schließen. Wie geht es weiter?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Sanierung bleibt trotz Rekordminus auf Kurs
03.07.2025

Baywa steckt tief in den roten Zahlen – doch der Sanierungsplan bleibt unangetastet. Der traditionsreiche Konzern kämpft mit Altlasten,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Seltene Erden: China kontrolliert deutsche Industrie
03.07.2025

Die deutsche Industrie gerät zunehmend in die Abhängigkeit Chinas, weil Peking bei seltenen Erden den Weltmarkt kontrolliert....