Die Euro-Krise erreicht die Arbeitnehmer in Deutschland. Weil die EZB die Zinsen auf den niedrigsten Wert aller Zeiten gesenkt hat, können viele Unternehmen die Zusagen, die sie zu Zeiten normaler Zinsen gemacht haben, nicht mehr einhalten.
Das hat konkrete Folgen: Die Euro-Rettung fordert ihren Tribut.
Die 60.000 Lufthansa-Angestellten in Deutschland müssen sich daher auf niedrigere Betriebsrenten einstellen. Die Fluggesellschaft wird die entsprechenden Tarifverträge zum Ende des Jahres kündigen und dann mit den Vertretern von Piloten, Kabinen- und Bodenpersonal eine neue Vereinbarung aushandeln.
Das derzeitige Niveau der Betriebsrenten sei nicht mehr finanzierbar, sagte Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Ungefähr 60 Prozent der Dax-Unternehmen hätten diese notwendige Umstellung der Betriebsrenten bereits hinter sich.
Die Vereinigung Cockpit, die auch 5.000 Piloten der Lufthansa vertritt, sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Wir sind empört darüber, dass die Betriebsrenten gerade jetzt gekündigt werden, wo die Politik auf die Wichtigkeit der privaten Vorsorge verweist. Beim Kanzlerduell am Sonntag haben das sowohl Angela Merkel als auch Peer Steinbrück gesagt.“
Bisher waren die Betriebsrenten bei der Lufthansa recht üppig. So erhielten langjährige Flugbegleiter bis zu 1.000 Euro, Piloten sogar mehr als 4.000 Euro Zusatzrente pro Monat. Doch diese guten Zeiten sind nun offenbar vorbei.
Als Ursache für die Rentenkürzungen nennt die Lufthansa vor allem das aktuell niedrige Zinsniveau. Die Lufthansa-Rentenkasse erwirtschafte damit nicht mehr genug Rendite, um die Betriebsrenten auf dem jetzigen Niveau finanzieren zu können, so Lamberty. Allein 2012 lag die Finanzierungslücke bei circa 260 Millionen Euro. Zwei Jahre zuvor musste der Konzern nur circa 210 Millionen Euro zuschießen.
„Wenn es keine neue Einigung mit den Gewerkschaften gibt, ändert sich an der geltenden Regelung gar nichts“, sagte Lamberty. Neue Mitarbeiter würden dann allerdings überhaupt keine Betriebsrente mehr erhalten. Die derzeitigen Betriebsrenten seien vor langer Zeit verhandelt worden, damals sei das derzeitige niedrige Zinsniveau noch nicht absehbar gewesen.
Die Lufthansa will erreichen, dass das Risiko schwankender Zinsen künftig von den Mitarbeitern getragen wird. Die Risiken für den Konzern, die durch die niedrigen Zinsen verursacht würden, müssten aus der künftigen Vereinbarung herausgenommen werden, so Lamberty.
Die deutschen Unternehmen stehen mit ihren Betriebsrenten-Modellen vor demselben Problem wie die Lebensversicherer, die ihren Kunden wegen der niedrigen Zinsen die versprochenen Gewinne nicht mehr auszahlen können (hier).
Aufgrund der niedrigen Zinsen können die Betriebsrenten bei ihren Anlagen derzeit nur circa 3 Prozent Rendite erwirtschaften. Das ist weitaus weniger als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Entsprechend weniger Geld kann monatlich an die Rentner ausgezahlt werden.
Nach Berechnungen der Beratungsfirmen Mercer und Towers Watson nahmen 2012 die Gesamtverpflichtungen aller 30 DAX-Konzerne infolge der Niedrigzinsen monatlich um circa 5 Milliarden Euro zu. Diese Kosten waren nicht eingeplant und mussten aus den Konzerngewinnen entnommen werden, wie es heute bei der Lufthansa noch immer der Fall ist. Viele Dax-Konzerne haben inzwischen gegengesteuert und zahlen nun geringere Betriebsrenten.
Allein die Betriebsrentner der Dax-Unternehmen verlieren aufgrund der Niedrigzinsen geschätzte 60 Milliarden Euro pro Jahr. Und sie verlieren derzeit doppelt: Zum einen kann immer weniger Geld ausgezahlt werden, da die Zinsen so niedrig sind. Zum anderen wird das ausgezahlte Geld aufgrund der Inflation immer weniger Wert.