Finanzen

Mario Draghi unter Druck: Die Einschläge kommen näher

Mario Draghi ist der mächtigste Mann Europas. Seine Maßnahmen entscheiden über das Überleben der Euro-Zone. Im Moment sieht Draghi jedoch alt aus: Seine Ankündigung, den Euro um jeden Preis zu retten, wird zum Rohrkrepierer: Die schwachen Franzosen rufen nach mehr Währungs-Manipulation. Draghi selbst ist wegen seiner Rolle im italienischen Banken-Skandal unter massiven Beschuss in Italien geraten. Bei der heutigen Pressekonferenz wird er unangenehme Fragen hören – und sie aalglatt vom Tisch wischen.
07.02.2013 00:33
Lesezeit: 3 min

Am Donnerstag kommt die EZB erneut zu einer Ratssitzung zusammen, um über die weitere Vorgehensweise der Zentralbank zu beraten. Analysten rechnen mit keinen großen Ankündigungen. Vielmehr wird Draghi selbst im Mittelpunkt stehen. Mario Draghis Rolle bei dem italienischen Bankenskandal um die Banca Monte die Paschi di Siena ist von Interesse. Bezüglich seiner Rolle als Chef der italienischen Zentralbank gerät Draghi immer weiter in die Kritik. Doch seine Bilanz als EZB-Chef ist ebenfalls katastrophal.

Mario Draghi muss derzeit beobachten, wie die Geldpolitik der EZB unter seiner Führung immer mehr ins Straucheln gerät. Zugegeben, als Mario Draghi im November 2011 seinen Posten als EZB-Chef antrat, war die europäische Schuldenkrise bereits in vollem Gange. Aber außer einer aufgeblähten EZB-Bilanz konnte Mario Draghi mit seinen Maßnahmen bisher nicht viel erreichen. Bereits im Monat seines Amtsantritts senkte Draghi den Leitzins das erste Mal – zuvor, war dieser zweieinhalb Jahre nicht angerührt worden – um ihn dann im Juli 2012 sogar auf den historischen Tiefstand von 0,75 Prozent festzulegen.

Um dem Liquiditätsengpass der europäischen Banken  entgegenzuwirken und die Zinskosten für Italiens und Spaniens Anleihen zu reduzieren, spülte die EZB zudem in zwei Schritten über eine Billion Euro über die 3-Jahres-Tender (LTROs) in den Markt (hier). Ein Schritt, der neben dem bis dato bereits deutlich erhöhten Staatsanleihenkauf durch die EZB die Bilanz der Europäischen Zentralbank massiv aufblähte. Zwischenzeitlich lag diese bei über drei Billionen Euro (größer als die Bilanz der Fed – hier).

Abgesehen davon, dass die europäischen Banken das Geld horteten, floss zwar tatsächlich auch ein  Großteil der günstigen EZB-Kredite in die Staatsanleihen-Emissionen Italiens und Spaniens. Doch das Geld der spanischen und italienischen Banken ist fast aufgebraucht. Sie können mittlerweile kaum mehr weitere Bonds kaufen. Und dass ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da die Kreditkosten der beiden Länder wieder steigen (hier).

Die Korruptionsvorwürfe gegenüber dem spanischen Premier Mariano Rajoy (mehr hier) und die politische Unsicherheit bezüglich der im Februar stattfindenden Parlamentswahlen in Italien treiben die Zinssätze wieder in die Höhe. Zu allem Übel ist Mario Draghi an den steigenden Zinskosten Italiens sogar nicht ganz unbeteiligt. Schließlich spielt er im aufgekommenen Skandal um die italienische Banca Monte die Paschi di Siena (MPS) eine wesentliche Rolle. Unter seiner Aufsicht als italienischer Notenbankchef wurde der verhängnisvolle Deal, der die Bank in den Abgrund riss, gebilligt (mehr hier). Dabei war er einem solchen Deal zur damaligen Zeit nicht das erste Mal begegnet. Griechenland rannte ebenfalls mit einem solchen Geschäft in die Katastrophe (als Draghi noch bei Goldman Sachs arbeitete – hier).

Mittlerweile haben die europäischen Banken zwar begonnen, die von der EZB geliehenen 3-Jahres-Kredite wieder zurückzuzahlen, und halfen damit, die Bilanz der EZB auf nunmehr auf 2,77 Billionen Euro zu senken. Doch das europäische Finanzsystem wurde durch die Kredite alles andere als stabilisiert (mehr hier). Vielmehr sind es derzeit die großen Banken, die mit der Rückzahlung begonnen haben Den Investmentbanken immerhin  bescherte die Bazooka sogar reichlich Gewinne. Die kleineren Finanzinstitute hängen indes stärker am Tropf der EZB als je zuvor (hier).

Aber nicht nur eine stabilisierende Wirkung auf das Finanzsystem und eine Reduzierung der Refinanzierungskosten für die Länder sollte mit dem 3-Jahres-Tendern erreicht werde. Ziel war es auch, der Realwirtschaft durch die Geldschwemme den Zugang zu dringend benötigten, neuen Krediten zu erleichtern. Auch in dieser Hinsicht versagte die Geldpolitik der EZB jedoch (hier).

Dadurch, dass die EZB nun jedoch ihre Liquiditätsversorgung langsam nach den effekthascherischen Maßnahmen der vergangenen 12 Monate zurückfährt und Geld aus dem Markt nimmt, während die anderen großen Zentralbanken wie die Fed weiter Geld in den Markt pumpen, hat der Euro zu Beginn des Jahres massiv an Wert gewonnen und schwächt so die europäische Exportwirtschaft. Ende Januar stieg der Euro gegenüber dem Dollar auf ein 14-Monatshoch, gegenüber dem japanischen Yen sogar auf den stärksten Wert seit mehr als zweieinhalb Jahre. Von dem Mandat der Finanzstabilität kann also selbst in diesem Zusammenhang keine Rede sein.

Der französische Präsident Hollande hat nun sogar nach einer Wechselkurs-Manipulation gerufen (hier). Eine Forderung, die Angela Merkel am Mittwoch massiv ablehnte (hier). Die Haltung Deutschlands zu dieser Wechselkurs-Manipulation dürfte bei Draghi, sollte er tatsächlich über einen solchen Schritt nachdenken, allerdings kaum etwas ausrichten. Ignorierte er doch bisher kontinuierlich die deutsche Haltung zur Geldpolitik der EZB.

Was bleibt sind steigende Zinskosten, weitere Instabilität im europäischen Bankensektor, ein dramatisch steigender Eurokurs, nicht liquide Unternehmen, eine überbordende Target-2-Bilanz der Deutschen Bundesbank (hier) und eine zunehmende Skepsis gegenüber Draghi und der EZB. Als der EZB-Chef zuletzt umfangreiche Maßnahmen wie mögliche unbegrenzte Anleihekäufe ankündigte, beruhigte sich die Situation am Finanzmarkt zunächst leicht. Doch seitdem ist nichts passiert. Die bisherigen Aktionen der EZB zeigten nicht die gewünschte Wirkung und von den groß angekündigten, neuen Maßnahmen wurde bisher keine ergriffen. Doch die Investoren haben ein Gedächtnis. Der Effekt der Reden Mario Draghis wird kontinuierlich verpuffen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Arbeitsmarkt: Top-Berufe, die es vor 20 Jahren noch nicht gab
31.03.2025

Eine Studie von LinkedIn zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) neue Jobs und Fähigkeiten schafft, Karrieren und Arbeitswelt verändert:...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Kurs knickt nach Orcel-Aussage deutlich ein
31.03.2025

Die Commerzbank-Aktie muss nach einer starken Rallye einen Rückschlag hinnehmen. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte zuvor einen möglichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU vor Herausforderungen: Handelskriege könnten die Wirtschaft belasten – der Ausweg heißt Binnenmarkt
31.03.2025

Die protektionistischen Maßnahmen der USA und mögliche Handelskonflikte belasten die EU-Wirtschaft. Experten wie Mario Draghi fordern...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betonblock: Lego verklagt Hersteller von Anti-Terror-Betonklötzen
31.03.2025

Lego verklagt das niederländische Unternehmen Betonblock. Die Anti-Terror-Blöcke des Herstellers erinnerten zu sehr an die...

DWN
Technologie
Technologie Neue EU-Vorschriften: Plug-in-Hybriden drohen deutlich höhere CO2-Emissionen
31.03.2025

Mit der Einführung neuer, verschärfter Emissionsmessungen für Plug-in-Hybride (PHEVs) wird die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge erheblich...

DWN
Politik
Politik Marine Le Pen wegen Veruntreuung zu Fußfesseln verurteilt - FN-Chef Bardella: "Hinrichtung der französischen Demokratie"
31.03.2025

Marine Le Pen wurde in Paris wegen der mutmaßlichen Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen - das...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerk mit Speicher: Für wen sich die Investition wirklich lohnt
31.03.2025

Balkonkraftwerk mit Speicher: eigenen Strom gewinnen, speichern und so Geld sparen. Doch so einfach ist es leider nicht, zumindest nicht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Der Handelskrieg gefährdet die US-Ausnahmestellung
31.03.2025

Da Investitionen nach neuen Möglichkeiten abseits der zuletzt florierenden US-Finanzmärkte suchen, wird an der Wall Street diskutiert, ob...