Politik

Schulden der Stadt Wien: Doppelt so hoch wie offiziell angegeben

Wien steckt in der Schuldenfalle. Sobald die Zinsen für geliehenes Geld wieder steigen, könnte die Situation eskalieren. Die Regierung versucht indes, den Bürgern die Situation durch Manipulation der Schulden- und Arbeitslosenstatistik schön zu reden.
08.06.2013 02:44
Lesezeit: 2 min

Die Stadt Wien schuldet ihren Gläubigern 4,35 Milliarden Euro. Das gab Finanz- und Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner kürzlich bekannt. Der Schuldenberg wuchs demnach um 322 Millionen Euro auf knapp 5,8 Prozent des jährlichen Wiener Brutto-Regional-Produkts.  Das ist Rekord.

Trotz des neuen Höchststands zeigt sich die Stadtverwaltung optimistisch. In den nächsten Jahren möchte man die Neuverschuldung reduzieren und ab 2016 wieder Schulden zurückzahlen. Hans-Georg Kantner, Experte für Insolvenzrecht, hält das für nicht ausgeschlossen. „Alles jedoch unter der Prämisse, dass die Zinsen niedrig bleiben. Momentan erleben wir ja einen historischen Tiefstand in Österreich“, sagt Kantner den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Die Opposition zweifelt jedoch daran, ob dieses Ziel einzuhalten ist. Bei der Wiener ÖVP zeigt man sich „skeptisch“, denn um auf die gewünschte Nullverschuldung zu kommen, brauche man wirkliche Reformschritte. Das Budget sei vor allem durch massive Gebührenerhöhungen saniert worden, sagt Gerhard Hammerer, Leiter der ÖVP Wien Pressestelle, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Tatsächlich mussten die Wiener in den letzten Jahren saftige Gebührenerhöhungen hinnehmen. Müllentsorgung, Parken und Abwasser wurden ab Jahresbeginn 2012 um rund sechs Prozent teurer. Auch die Wassergebühr stieg um 33 Prozent auf 1,73 Euro pro Kubikmeter. Für einen Vierpersonenhaushalt erhöhte sich damit die jährliche Belastung um 80 Euro.

Zusätzliche Angriffsfläche für die Opposition bietet außerdem die finanzielle Lage der Wohnungsverwaltung Wiener Wohnen. Hier beträgt der Schuldenstand knapp drei Milliarden Euro, wie Markus Stradner, von der Wiener Wohnen Pressestelle, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten mitteilte.

Diese Schulden werden nicht in den Rechnungsabschluss der Stadt eingegliedert, da Wiener Wohnen seit dem Jahr 2000 als Unternehmung der Stadt Wien in einem eigenen Rechnungskreis geführt wird. Die Wohnverwaltung ist allerdings nicht ausgegliedert und damit weiterhin der Stadt Wien unterstellt. Hammerer bezeichnet das als „kosmetischen Akt“ und fordert eine transparente Aufstellung der Schulden.

 Würde man die Verpflichtungen von Wiener Wohnen mitrechnen, käme die Stadt Wien auf rund 7,35 Milliarden Euro an Schulden. Dieser Betrag ist fast doppelt so hoch wie in der offiziellen Darstellung der Regierung.

Für Kantner ist die Lage bei Wiener Wohnen allerdings nicht verloren. „Den Schulden stehen ja reale Vermögenswerte in Form von Häusern gegenüber. Das könnte man sofort verkaufen.“ Deswegen seien die Schulden bei Wiener Wohnen anders zu beurteilen.

Seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008, kam es zu einem enormen Anstieg der Wiener Schulden. Vor allem fehlende Einnahmen aus den Anteilen der Bundeserträge rissen Löcher in die Budgets der Stadt.

Der Arbeitsmarkt wurde 2010 und 2011 von der Krise verschont. 2012 stieg die Zahl der Arbeitslosen in allen Bundesländern rasant an – in Wien um 4,9 Prozent. Diese Zahl konnte allerdings durch eine Ausweitung der Schulungen des Arbeitsmarktservice (AMS) gedämpft werden. Arbeitslose können sich beim AMS umschulen lassen und so ihre Jobchancen verbessern. Allerdings dient dieses Mittel der Politik auch zur Schönung von Arbeitslosenzahlen, denn Menschen in AMS-Schulungen werden nicht in der Arbeitslosenstatistik geführt. So kann man die Arbeitslosenrate nach unten drücken.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Plankenhorn GmbH Maschinenbau: Ein Mittelständler zeigt, wie Digitalisierung den Erfolg antreibt
23.05.2025

Kleine und mittelständische Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, ihre Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter zu...

DWN
Politik
Politik Rente: Zusätzliche Mittel vom Bund könnten Beiträge senken
23.05.2025

Rente in Gefahr? Milliarden fehlen im System, obwohl der Staat zahlt. Doch was, wenn er mehr gäbe? Stehen Beiträge und Rentenniveau vor...

DWN
Finanzen
Finanzen Börse aktuell: DAX bricht nach Zolldrohung von Trump ein – wie sollten Anleger jetzt reagieren?
23.05.2025

Durch Trumps neue Zolldrohungen gerät die Börse aktuell aus dem Takt. Der DAX bricht ein, der Goldpreis legt zu. Und was bedeutet das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump plant 50-Prozent-Zölle auf EU-Waren ab Juni - Verhandlungen laufen
23.05.2025

Die USA erhöhen den Druck auf Europa. Präsident Trump droht mit drastischen Zöllen auf EU-Waren. Wird daraus ein Handelskrieg – oder...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerpauschalen - diese 10 Pauschalen sollten Sie kennen
23.05.2025

Sie müssen nicht alle Kosten in Ihrer Steuererklärung konkret angeben, denn es gibt für viele Fälle Steuerpauschbeträge. Wir stellen...

DWN
Technologie
Technologie Heizungsgesetz-Reform sorgt für hitzige Diskussionen im Bundestag
23.05.2025

Die Heizungsgesetz-Reform bleibt auch nach dem Regierungswechsel ein Reizthema. Wie entwickelt sich die Gesetzgebung weiter?

DWN
Politik
Politik Merz bei Brigade in Litauen: Jeder Zentimeter Nato-Gebiet wird verteidigt
23.05.2025

Die Stationierung der Brigade Litauen markiert eine sicherheitspolitische Wende für Deutschland und Europa. Ist das die Antwort auf...

DWN
Technologie
Technologie Elon Musk digitalisiert die US-Regierung – und entlässt dabei zehntausende Mitarbeiter per Algorithmus
23.05.2025

Was als Effizienzprogramm begann, entwickelt sich zur Machtprobe zwischen Technologie, Datenschutz und Demokratie. Wie KI das Herz der...