Deutschland

Die Stunde der Polit-Kommissare: ZDF verhöhnt die Wähler in Italien

Das ZDF zeigte bei Markus Lanz, wie man eine knallharte politische Agenda in eine Unterhaltungs-Sendung verpackt. Die Italiener wurden verhöhnt, weil sie Berlusconi gewählt haben. Der Kampf für die EU wurde zur staatsbürgerlichen Pflicht erhoben. Und dafür zahlen die Bürger die GEZ.
08.03.2013 14:42
Lesezeit: 4 min

Markus Lanz ist der Universal-Schwiegersohn des ZDF: Mit ihm hofft der Senioren-Sender das Durchschnittsalter senken zu können. Er ist nett, man möchte ihn jeden Abend sehen. Und er sagt, was alle hören wollen. Vor allem diejenigen, die im Hintergrund das Drehbuch schreiben.

Markus Lanz ist nicht die Ursache für die mehrfachen, schweren Entgleisungen beim Polit-Talk am Donnerstagabend mit EU-Parlaments-Präsident Martin Schulz. Er ist eine Marionette. Lanz hatte alle Fragen auf Zetteln stehen. Er war nicht vorbereitet, sondern programmiert. Lanz sprach nicht, er las vor. Die Sendung folgte einem genauen Drehbuch.

Auf die, die im Hintergrund die Fäden ziehen, auf die kommt es an. Und denen gelang ein Meisterwerk.

Lanz hatte von den Redakteuren der Sendung die Aufgabe erhalten, den SPD-Mann Schulz und die EU im besten Licht darzustellen. Weil beim Kasperle-Theater zum Kaspar auch ein Krokodil gehört, hatte sich das ZDF entschlossen, in der Talk-Show Berlusconi-Bashing zu betreiben: Der ist nicht anwesend, wie praktisch. Wenn sie selbst kritisiert werden, sind die öffentlich-rechtlichen Inquisitoren immer extrem pikiert, wenn sie nicht zu Vorwürfen gefragt werden (agieren selbst aber geren gleichzeitig als Richter & Henker - hier).

Berlusconi ist das beste Opfer, das Europa hat: Der ist Freiwild – da sind sich alle einig. Hier gibt es keine Grenzen, und der Geifer hängt den Leuten an den Lippen, dass es einen ekeln könnte.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Silvio Berlusconi ist eine durch und durch unerfreuliche Erscheinung, der besser nie auf der politischen Bühne erschienen wäre, weil er wirtschaftlich schon genug Schaden angerichtet hatte. Neu ist das nicht: Berlusconi wurde schon von Kommentatoren angeprangert, als sich Markus Lanz noch die „Sendung mit der Maus“ hineinzog.

Politische Kritik ist jedoch etwas anderes als die knallharte Berechnung, mit der die Polit-Kommissare des ZDF am Donnerstag zu Werke gingen. Denn die Sendung war nichts anderes als eine raffiniert gemachte, perfekt inszenierte politische Manipulation.

Lanz sprach Martin Schulz auf die Verurteilung von Berlusconi an. Lanz referierte, dass Berlusconi zu einem Jahr Haft verurteilt wurde – und fragte Schulz: „Ist das genug? Wie viel hätten Sie ihm gegeben?“ Auf Deutsch: Ein deutscher Staats-Sender fragt den EU-Parlaments-Präsidenten, wie viele Jahre im Knast dieser für den Politiker eines souveränen europäischen Staates für angemessen hält! Auf dem steuerfinanzierten Sofa einer Talk-Show lösen sich alle Regeln der Trennung von Legislative und Judikative, löst sich der letzte Respekt vor der nationalen Souveränität eines anderen Staates in Luft auf.

Zufall? Ahnungslosigkeit? Naivität?

Die zweite Frage an Schulz zeigte, welche Botschaft das ZDF eigentlich rüberbringen wollte. Der arglose Lanz: „Wie erklären Sie sich das seltsame Wahlverhalten der Italiener?“

Damit offenbarte sich die Sendung als ein Dschungel-Camp des staatlichen politischen Fernsehens. Der öffentlich-rechtliche Sender ist nicht bloß das Höchste Gericht, das bei einem gemütlichen Gläschen feststellt, wie lange ein demokratisch gewählter Politiker eines anderen Landes ins Gefängnis soll.

Das GEZ-Fernsehen ist auch das Zentral-Komitee für politische Wachsamkeit, welches in einem Schauprozess – die Angeklagten sind abwesend – darüber befindet, dass ein ganzes Land „seltsam“ falsch gewählt hat.

Der wackere Herrn Schönenborn hatte die GEZ einmal gegen Kritik verteidigt und gesagt, dies sei keine lästige Steuer, sondern eine „Demokratie-Abgabe“: Wie bitte erklärt man Millionen Zahlern dann, dass eine von ihnen finanzierte TV-Sendung zum medialen Schergen-Gericht über das Wahlverhalten eines anderen souveränen Volkes in Europa aufgeblasen wird? Wer sind die anonymen Sendungsmacher einer solchen Demokratie-Verhöhnung, die uns nur dadurch bekannt werden, dass ihre Namen am Ende jeder Sitzung im Zeitraffen über den Bildschirm huschen? Wer hat diese Polit-Kommissare beauftragt, 29 Prozent der Italiener der „seltsam“ falschen Wahl zu bezichtigen?

Dass die anwesende Teilnehmerin aus dem Dschungel-Camp immer wieder freudig in die Händchen patschte, um zu applaudieren, zeigt: Bei den schlichten Gemütern funktioniert die Methode! Und das ZDF geht offenbar davon aus, dass „da draußen vor den Schirmen“ alle solch schlichte Gemüter seien. Daher haben die gesichtslosen Sendungs-Macher auch ganz bewusst ein Dschungel-Camp-Mitglied in die Sendung geholt: Um den Zusehern zu zeigen, wo die Kommissare ihre Publikum eigentlich verorten.

Das ZDF wird sich vermutlich damit verteidigen, dass man sagt: Das sei nur eine Talkshow gewesen, alles halb so wild, die meisten Sprüche waren ironisch gemeint, sogar der Finanz-Komiker Chin Meyer sei eingeladen gewesen – womit der scherzhafte Charakter der Sendung eigentlich klar sein müsste.

Wenn dem so wäre, dann wäre Martin Schulz auch als Clown eingeladen worden. Das Gegenteil war der Fall: Die Sendungs-Regie hatte verfügt, dass Schulz mit burschikoser Freundlichkeit zu behandeln sei, ein Mann aus dem Volk, ein Mann wie wir alle. Die EU-Spitze wurde als Kreis der „Erlauchten“ bezeichnet, Schulz durfte sein Buch zu Europa präsentieren. Dazu die Worte der Kommissare aus Lanzens Mund: „Sie beschreiben das alles sehr eindrucksvoll in diesem Buch, wie sehr wir alle von Europa profitieren und warum es wichtig ist, für die europäische Idee zu kämpfen!“

Der Kampf muss sich – und hier hörte auch für das ZDF der Spaß eindeutig auf – gegen Silvio Berlusconi richten. Martin Schulz, der Kämpfer für das Gute, darf nun als Zeuge vor das Gericht treten: „Silvio Berlusconi ist einer der gefährlichsten Politiker in Europa.“ Hier schließt sich der Kreis. Es geht um die Macht, nicht um Clowns. Wer den herrschenden Eliten Stimmen wegnehmen könnte, ist zu dämonisieren. Dafür gibt es in aller Welt das staatliche Fernsehen.

Der Lanz-Talk offenbarte: Die staatsfinanzierte Elite beweist ihre system-erhaltende Qualität, indem sie alle ihr zur Verfügung stehenden Register zieht. Nicht die arme Marionette Lanz ist das Problem. Das Problem ist auch nicht, dass die Redakteure der Sendung eine bestimmte Haltung haben.

Der Skandal ist, dass Scherz, Satire und die knallharte politische Agenda bewusst vermischt werden, um eine andere politische Auffassung zu diskreditieren. Das ist Manipulation in Reinkultur. Dafür darf es keine GEZ geben – zumindest keine, die die Verteidigung der Demokratie vor sich herträgt. Denn hier werden die Steuergelder nicht bloß einfach verschwendet. Sie werden missbraucht.

Schade, dass es für solche Fälle keine Kontrolle gibt.

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