Deutschland

Merkel-Berater: In spätestens fünf Jahren ist der Euro weg

Kai Konrad, Wirtschafts-Berater der Bundesregierung, gibt dem Euro noch höchstens fünf Jahre. Der Sparkurs funktioniere nicht, der Widerstand in den meisten Euro-Staaten werde wachsen. Auch Kommissions-Präsident Barroso sagt, dass weitere Spar-Maßnahmen nicht mehr durchsetzbar seien. Das klingt alles sehr stark nach einem grundlegenden Wandel in Europa.
23.04.2013 01:28
Lesezeit: 2 min

Die aktuellen Daten von Eurostat zeigen, dass trotz Sparpolitik die öffentliche Verschuldung in 21 der 27 EU-Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr gestiegen ist (hier). Weder Frankreich noch Spanien können in diesem Jahr die von der EU-Kommission geforderte Defizitgrenze einhalten. Doch statt noch härtere Vorgaben zu machen, fordert der Vorsitzende des Wissenschaftsbeirats des Bundesfinanzministeriums, Kai Konrad, nun überraschend die Aufgabe des Sparkurses in Europa.

Konrad ist nicht irgendwer: Er ist in seiner Funktion einer der engsten Wirtschaftsberater der Bundesregierung.

Zwar könne kein Land beliebig viele Schulden machen, ohne Gefahr zu laufen, dass die Anleger „irgendwann den Stecker ziehen“, so Kai Konrad in einem Interview mit der Welt am Sonntag. Doch, wo „die Grenze liegt, ab der ein Staat nicht mehr nachhaltig wirtschaftet, ist aber individuell verschieden“, sagte Konrad. Dies hänge eben unter anderem von der jeweiligen Wachstumsdynamik und Bevölkerungsentwicklung ab.

Die Länder sollten die Freiheit haben, sich so zu verschulden, wie sie es möchten – unter der Bedingung, dass sie für diese Schulden auch allein die Verantwortung tragen“, erklärt der Vorsitzende des Wissenschaftsbeirats. Man müsse dafür den Bankensektor aber krisenfest machen. „Die Banken sollten sich aus der Staatsfinanzierung am besten ganz zurückziehen.“ Dann könnte man im Falle einer Insolvenz die Gläubiger des jeweiligen Staates zur Kasse bitten, „ohne gleich eine Systemkrise zu riskieren“, sagte Konrad.

Auf die Frage, ob er damit quasi für eine Rückkehr zum Nationalstaat plädiere, sagte Konrad, dass ihm Europa wichtig sei, der Euro jedoch nicht: „Und dem Euro gebe ich mittelfristig nur eine begrenzte Überlebenschance.“ Es sei zwar schwierig, konkrete Zahlen diesbezüglich zu nennen, aber „fünf Jahre klingen realistisch“, so Konrad.

Damit hören wir erstmals aus dem unmittelbaren Berater-Stab der Regierung, dass der Euro kein Langzeit-Projekt mehr ist. Schon seit längerem wird gerätselt, wie Angela Merkel aus der Euro-Krise aussteigen könnte. Diese unverblümte Einschätzung aus der Regierungs-Nähe bestätigt die Vermutung, Angela Merkel könnte einen Plan B haben - der Euro-Ausstieg heißt (mehr hier).

Finanz- und Politik-Kreise bestätigen diese Annahme. Einer, der nicht mit Namen genannt werden will, sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Es gibt in der Politik immer einen Plan B. Auch wenn Merkel das nicht an die große Glocke hängt, schon gar nicht vor der Bundestags-Wahl - sie wäre eine schlechte Kanzlerin, wenn sie keinen solchen Plan B hätte.“

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso glaubt, dass weitere Sparmaßnahmen am Widerstand der Bevölkerung scheitern werden. Barroso sagte am Montag in Brüssel: „Auch wenn die Spar-Politik fundamental richtig ist, so glaube ich doch, dass wir in vielerlei Hinsicht an Grenzen gestoßen sind. Damit eine Politik erfolgreich ist, muss sie nicht nur richtig geplant sein. Sie benötigt ein Minimum an politischer und sozialer Unterstützung.“

Die Fundamentaldaten belegen die Tatsache, dass Deutschland und der Rest der Euro-Zone weiter auseinander driften. Die Steuereinnahmen sind in Deutschland im ersten Quartal 2013 um 3,4 Prozent gestiegen, allein im März hat Wolfgang Schäuble um 5,7 Prozent mehr Steuereinnahmen verbucht als im März 2012. Hinzu kommen die niedrigen Zinssätze bei den Bunds, die Schäuble in diesem Jahr etwa 11 Milliarden Euro an Kreditkosten ersparen werden.

Von solchen Werten können andere Euro-Staaten nur träumen.

Es hat den Anschein, als trieben die nüchternen Fakten die Euro-Zone auf eine strukturelle Spaltung zu.

Die Bundesregierung scheint sich darauf vorzubereiten, dass die Politik irgendwann den Fakten folgt.

Mit fünf Jahren ist nun erstmals auch ein Zeithorizont benannt.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik One Big Beautiful Bill: Das steckt hinter Trumps Steuererleichterungen
04.07.2025

Am amerikanischen Unabhängigkeitstag setzt Donald Trump ein innenpolitisches Zeichen: Mit dem "One Big Beautiful Bill" will er seine...

DWN
Panorama
Panorama Waldbrand Sachsen: Gohrischheide - über 1.000 Einsatzkräfte im Einsatz
04.07.2025

Hitze, Trockenheit und starker Wind: In Sachsen und Thüringen kämpfen Einsatzkräfte gegen massive Waldbrände. Besonders die...

DWN
Politik
Politik Rentenkasse: Neue Mütterrente wohl erst ab 2028 umsetzbar
04.07.2025

Die Ausweitung der Mütterrente sorgt für Diskussionen: Einigkeit herrscht über das Ziel, Uneinigkeit über das Tempo. Millionen Mütter...

DWN
Finanzen
Finanzen Sparen für Kinder: Welche Anlagen sich wirklich lohnen
04.07.2025

Eltern wollen ihre Kinder finanziell absichern, doch viele verschenken Chancen. Statt renditestarker Anlagen dominiert Vorsicht, oft ohne...

DWN
Technologie
Technologie KI im Jobmarkt: Die große Lüge von der Objektivität
04.07.2025

Algorithmen sollen neutral entscheiden – doch KI entlarvt sich im Personalbereich als versteckter Türsteher: Diskriminierung,...

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...