Politik

Vorstoß aus Südamerika: Gibt es Cannabis schon bald im Supermarkt?

Der globale Krieg gegen Drogen sei gescheitert, sagen frühere Präsidenten Lateinamerikas. Sie fordern ein radikales Umdenken: Drogen sollen nicht mehr kriminalisiert werden. Dies würde die Gesundheit und die Sicherheit der Menschheit erhöhen. Tatsächlich wollen die Südamerikaner über Steuern endlich am Drogen-Geschäft mitverdienen.
22.05.2013 00:41
Lesezeit: 2 min

In einem offenen Brief fordern ehemals führende Politiker aus Nord- und Südamerika neue Wege in der Drogenpolitik. Der weltweite „Krieg gegen Drogen“, der seit vier Jahrzehnten geführt werde, sei gescheitert. Die Stimmen für einen Strategiewechsel würden mit jedem Tag lauter.

Zu den Autoren des Briefs gehören die ehemaligen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso (Brasilien), César Gaviria (Kolumbien), Ricardo Lagos (Chile), Ernesto Zedillo (Mexiko) und Paul Volcker, der ehemalige Chef der US-Zentralbank Federal Reserve.

„Politiker aus Kolumbien, Guatemala, Mexiko und Uruguay sind führend bei der Veränderung ihrer Drogenpolitik“, heißt es in dem Schreiben. Und die von diesen vier Ländern ausgehende Debatte habe sich nicht nur auf Lateinamerika, sondern auf die ganze Welt ausgeweitet.

Sogar in den USA, wo mehr als eine halbe Million Bürger wegen Drogenvergehen in den Gefängnissen sitzen, habe sich die Stimmung zum politischen Umgang mit Drogen verändert. Zum ersten Mal unterstütze die Mehrheit der Amerikaner den regulierten Cannabis-Konsum bei Erwachsenen. „Nirgendwo ist diese Unterstützung offensichtlicher als in Colorado und Washington, US-Bundesstaaten, die kürzlich neue Gesetze in diesem Sinne verabschiedet haben“, heißt es in dem Brief weiter.

Die veränderte politische Stimmung erhöhe nun den Druck auf Washington, auch die Gesetzgebung auf Bundesebene zu reformieren. Zudem könnten die USA ihren Einfluss bei den Vereinten Nationen geltend machen, um auch die internationale Drogenprohibition zu entschärfen.

Die Autoren des Briefs beziehen sich auf eine aktuelle Studie der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die alternative Szenarien der Drogenkontrolle und Regulierung aufzeigt. Die Studie war im vergangenen Jahr von den 35 Staaten Nord- und Südamerikas in Auftrag gegeben worden.

Die Vorschläge basierten auf der Erwartung, dass es auch im kommenden Jahrzehnt eine Nachfrage nach psychoaktiven Substanzen geben werde und dass nur ein geringer Teil der Nutzer wirklich abhängig werde, so die Autoren des schriftlichen Appells.

Viele Staaten hätten die Kriminalisierung des Drogenkonsums bereits zurückgenommen und experimentierten mit der Regulierung von Cannabis, schreiben die Brief-Autoren. Gleichzeitig investierten die Staaten in Programme zur Schadensbegrenzung, etwa in den medizinischen Vorrat an harten Drogen. Doch hätten diese Maßnahmen nicht, wie von Kritikern befürchtet, Probleme verursacht, sondern es gebe stattdessen bereits positive und messbare Resultate. Im Brief heißt es:

„Die OAS und Staaten in ganz Lateinamerika tragen positiv zum Brechen eines Tabus bei, das die Debatte über humanere und effizientere Wege der Drogenpolitik so lange blockiert hat. Es ist an der Zeit, dass es den Regierungen in der ganzen Welt erlaubt wird, verantwortungsvolle Versuche mit Regulierungs-Modellen zu starten, die an ihre Wirklichkeiten und lokalen Bedürfnisse angepasst sind.“

Die Studie der OAS sei nur ein erster Schritt, so der Brief weiter. Die Führer in ganz Amerika müssten die Studie sehr ernst nehmen und prüfen, wie ihre eigene Politik verbessert werden könne. „Indem sie dies tun, werden sie den Teufelskreis von Gewalt, Korruption und überfüllten Gefängnissen durchbrechen und der Gesundheit und Sicherheit der Menschen den ersten Platz einräumen.

Tatsächlich stehen hinter dieser Forderung handfeste wirtschaftliche Interessen. Für die Staaten Südamerikas sind Drogen ein wichtiger Rohstoff, den sie gerne legal unters Volk bringen würden. Die Kriminalisierung hat dazu geführt, dass Drogen nur auf dem Schwarzmarkt vertrieben werden. Dadurch entgehen den Staaten Milliarden an wichtigen Steuereinnahmen. Eine Legalisierung würde es den Staaten ermöglichen, den Drogenverkauf endlich mit einem aus Steuer-Sicht nachhaltigen Geschäftsmodell zu unterlegen.

Der Verkauf von Cannabis im Supermarkt würde auch für die nationalen Regierungen Mehr-Einnahmen bringen: Sie könnten über die Umsatzsteuer vom neuen Geschäft profitieren.

Das sich der angesehene ehemalige Chef der Federal Reserve in die Pressure-Group eingereiht hat, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich.

Das massive Gelddrucken der Notenbanken ist in der Tat gesundheitsschädigend, wenn man gezwungen ist, dem Treiben nüchtern zuzusehen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
USA
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gold im Höhenrausch: Wenn Trump das Gold sieht, wird es gefährlich
25.04.2025

Der Goldpreis steht kurz davor, einen historischen Rekord nicht nur zu brechen, sondern ihn regelrecht zu pulverisieren. Die Feinunze Gold...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Autoindustrie unter Druck: Zollkrieg sorgt für höhere Preise und verschärften Wettbewerb
25.04.2025

Der Zollkrieg zwischen den USA und Europa könnte die Auto-Preise in den USA steigen lassen und den Wettbewerb in Europa verschärfen....

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen der Deutschen auf Rekordhoch – aber die Ungleichheit wächst mit
25.04.2025

Private Haushalte in Deutschland verfügen so viel Geld wie nie zuvor – doch profitieren längst nicht alle gleichermaßen vom...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wirtschaftsmodell zerbricht, Polen rückt vor
25.04.2025

Deutschlands Wirtschaftsmaschinerie galt jahrzehntelang als unaufhaltsam. Doch wie Dr. Krzysztof Mazur im Gespräch mit Polityka...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China im Handelskrieg: Regierung bereitet sich auf das Schlimmste vor
25.04.2025

Chinas Führung bereitet sich inmitten des eskalierenden Handelskonflikts mit den USA auf mögliche Härtefälle vor. In einer Sitzung des...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pharmazeutische Abwanderung: Wie Europa seine Innovationskraft verloren hat – und sie zurückgewinnen kann
25.04.2025

Europas einst führende Rolle in der Pharmaforschung schwindet – während andere Regionen aufholen, drohen Abhängigkeit und...

DWN
Politik
Politik Trump deutet historischen Kompromiss an: Russland will Ukraine nicht vollständig besetzen
25.04.2025

Moskau signalisiert Rückzugsbereitschaft – wenn der Westen zentrale Forderungen erfüllt.

DWN
Finanzen
Finanzen Sozialleistungen belasten Haushalt: Staatsquote steigt erneut
25.04.2025

Höhere Ausgaben des Staates für Sozialleistungen wie Renten, Pflege- und Bürgergeld haben den Anteil der Staatsausgaben im Verhältnis...