Deutschland

„Schlamperei“: Schäuble kann die KfZ-Steuer nicht eintreiben

Ab kommenden Jahr wird es zu Problemen bei der KfZ-Steuer-Eintreibung kommen: Das Bundesfinanzministerium übernimmt diese Aufgabe von den Ländern - und ist nicht vorbereitet. Nun versucht Wolfgang Schäuble, die Mitarbeiter der Telekom-Beschäftigungsgesellschaft Vivento zu beauftragen. Das kostet 40 Millionen Euro jährlich, die es im Haushalt nicht gibt.
30.04.2013 02:34
Lesezeit: 2 min

Stell' Dir vor, Schäuble will eine Steuer erheben - und kein Beamter hilft ihm dabei.

Das Bundesfinanzministerium muss ab Juli 2014 die Kfz-Steuer einziehen. Dafür fehlen aber noch mehr als 1.000 Beamte. Für 110 Millionen Euro soll nun externes Personal eingekauft werden.

Zum 1. Januar 2013 waren in Deutschland allein 43,4 Millionen Pkws gemeldet. Entsprechend muss der Bund ab Juli 2014 eine immense Zahl an Steuerbescheiden an die Kraftfahrzeughalter schicken. Hinzu kommen die Mahnungen wegen nicht bezahlter Kfz-Steuern.

Doch das Finanzministerium ist mit der neuen Aufgabe überfordert. „Die Übernahme des Einzugs der Kfz-Steuer muss gründlich vorbereitet werden“, sagte der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Denn von einem Tag zum anderen wird der Bund allein dafür zuständig sein. Ab 1. Mai dieses Jahres müsste die Vorbereitung eigentlich beginnen, das Personal müsste geschult werden. Die Zeit läuft dem Ministerium davon.

Weniger als die Hälfte des benötigten Personals stehe bisher zur Verfügung. Für 40 Millionen Euro jährlich wolle das Ministerium nun Personal einkaufen. „Doch das Geld dafür ist nicht da“, sagt Schneider. Das Ministerium wolle das Geld außerplanmäßig genehmigt bekommen und mache Druck für die Mittel.

Schäuble möchte nun, dass eine externe Firma die Aufgabe übernimmt. Dabei ist Schäuble auf die Beschäftigungsgesellschaft der Telekom gestoßen. Im Volksmund "Wie wenn tot" genannt, ist die Vivento einer jener Ausgründungen, bei denen die Arbeit der Mitarbeiter darin besteht, auf Arbeit zu warten.

Das Manager Magazin schriebt 2004:

19.200 Menschen sind bei der Telekom-Tochter geparkt, bis sich eine Aufgabe findet, im eigenen Konzern oder außerhalb. Denn genau das ist der Zweck von Beschäftigungsgesellschaften: Mitarbeiter, die sonst entlassen würden, verbleiben dort, sie werden bei der Jobsuche gefördert und teilweise weitergebildet. Die Telekom lässt sich das pro Jahr etwa eine Milliarde Euro kosten: Die Beamten bekommen weiter das volle Gehalt, die Angestellten 85 Prozent ihrer früheren Bezüge.

Die Vivento-Mitarbeiter bekommen nun vermutlich eine Chance, weil eine andere Idee Schäubles nicht funktioniert hatte: Der Finanzminister wollte Beamte aus dem Verteidigungsministerium mit der Steuer-Erhebung beauftragen. Dort sind die Mitarbeiter unterbeschäftigt, weil die Wehrpflicht weggefallen ist.

Diese Mitarbeiter konnten nicht entlassen werden und hätten daher einspringen können: Doch die Angestellten und Beamten aus dem Verteidigungsministerium gaben Schäuble einen Korb. Sie weigern sich, ins Finanzministerium zu wechseln. 

Wenn nun die Vivento beauftragt wird, muss Schäuble der Telekom den Einsatz bezahlen - auch ein Staatsbetrieb will schließlich sein Geld verdienen.

„Das Finanzministerium weiß seit Anfang der Legislaturperiode, dass es eine Verwaltung zum Einzug der Kfz-Steuer aufbauen muss“, sagte Carsten Schneider. Das Ministerium habe den geplanten Einzug der Kfz-Steuer aber „schlampig vorbereitet“. Es habe sich nicht um ausreichend qualifiziertes Personal gekümmert. Und das, so Schneider, obwohl das Finanzministerium seit vier Jahren über die neue Regelung Bescheid wisse. Da könne man eben nicht mehr von einer außerplanmäßigen Ausgabe.

Zudem will das Finanzministerium außerplanmäßig 70 Millionen Euro, um die jährlich 50 Millionen Steuerbescheide verschicken zu können. Denn das Ministerium mit 42.000 Beschäftigten könne diese Aufgabe nach eigenen Angaben nicht selbst übernehmen. Daher wolle es sie extern einkaufen, so der SPD-Mann. „Die peinlichste Variante für Herrn Schäuble wäre, dass der Bund die Länder bitten muss, die Kfz-Steuer weiter einzutreiben“, sagt Schneider.

„Wenn das in Griechenland passiert wäre, dann hätte die Troika sofort gesagt: ‚Wenn ihr das nicht abstellt, dann kriegt ihr eure nächste Tranche nicht‘“, sagt Schneider. „Herr Schäuble tritt den europäischen Partnern gegenüber gern als Lehrmeister auf“. Insofern sei es umso unverständlicher, dass es in Deutschland nicht möglich sei, eine vergleichsweise einfache Verwaltungsaufgabe ordentlich zu erledigen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Frühere AfD-Chefin: Frauke Petry kündigt Gründung neuer Partei an - Alternative für die FDP?
11.05.2025

Die frühere Vorsitzende der AfD will vom kommenden Jahr an mit einer neuen Partei bei Wahlen antreten. Ziel der Partei soll sein, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands Zukunft? Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung
11.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...