Finanzen

Heißer Herbst befürchtet: Investoren fliehen aus Staatsanleihen

Immer mehr Investoren ziehen sich aus dem Anleihen-Markt zurück. Höhere Erträge am Aktienmarkt und die Manipulation des Anleihenmarktes durch die Zentralbanken sind die Gründe. Auch der weltweit größte Staatsfonds, der norwegische Öl-Fonds, reduziert seine Bestände. Ein massiver Ausverkauf könnte bevorstehen.
11.08.2013 04:29
Lesezeit: 2 min

Die weltweit größten Zentralbanken pumpen seit Monaten immer billigeres Geld in den Markt und kaufen gleichzeitig die Schulden ihrer Staaten auf. Ziel ist es unter anderem, die Rendite für Staatsanleihen niedrig zu halten und die Wirtschaft anzukurbeln. Doch was die Zentralbanker selbst als großen Erfolg bezeichnen, ist nichts anderes als eine Manipulation. Der Staatsanleihen-Markt hat längst seinen Bezug zur Realität verloren. Immer mehr Investoren ziehen sich daher zurück und freuen sich über große Rendite am Aktienmarkt. Doch wird das so genannte Quantative Easing der Zentralbanken erst einmal tatsächlich zurückgeschraubt, könnte der Ausverkauf noch viel stärker ausfallen.

Für die Staaten ist der Staatsanleihen-Markt ein sehr wichtiges Instrument, um die eigenen Schulden finanzieren zu können. Aber genau das macht ihn auch so anfällig für indirekte Manipulation und gefährlich, falls sich immer mehr Investoren von diesem Parkett zurückziehen.

Nicht ohne Wirkung ist daher die Investitionstätigkeit des norwegischen Öl-Fonds – immerhin der weltweit größte Staatsfonds überhaupt. Ende des zweiten Quartals machten Aktien 63,4 Prozent der Investitionen in den Büchern des Öl-Fonds aus. Staatsanleihen waren mit 35,7 Prozent hingegen nicht so stark im Fonds repräsentiert: Sie erreichten damit ein Rekordtief. Diese Entwicklung spiegele jedoch nicht die „Begeisterung“ für die Aktienmärkte, sondern vielmehr die Abneigung gegenüber den Anleihenmärkten wieder, zitiert die FT den Hauptgeschäftsführer des Fonds, Yngve Slyngstad. Mit 760 Milliarden Dollar hat der Fonds eine ordentliche Durchschlagskraft.

So reduzierte der Fonds beispielsweise sein Engagement in französische und britische Anleihen um ein Drittel. Um insgesamt 1,4 Prozent sanken die Investitionen in Anleihen. Vor allem die derzeitige Geldpolitik ist Grund für den Fonds, sich aus diesem Markt zurückzuziehen.

Neben europäischen Anleihen sind auch die US-Bonds ein wichtiger Gradmesser für die Entwicklung des Anleihenmarktes. Ende Juni gab es bereits einen Vorgeschmack auf kommende Ereignisse. So gingen etwa die Bestände von US-Anleihen bei ausländischen Zentralbanken innerhalb nur einer Woche um über 32 Milliarden Dollar zurück und in der Woche bis zum 26 Juni stießen auch private Investoren Bonds im Wert von 10,6 Milliarden Dollar ab (hier).

Im Herbst könnte dann jedoch ein tatsächlicher Ausverkauf anstehen. Im September wird erwartet, dass sich die Fed endgültig festlegt, ob sie ihre Geldpolitik ändert und das massive Gelddrucken reduziert. Die Fed könnte ihr umfangreiches Anleihekauf-Programm drastisch zurückfahren (mehr hier).

Die Verluste, die Investoren derzeit mit Anleihen machen, spielen beim drohenden Ausverkauf ebenfalls eine Rolle. Im Juni wird die kumulierte Rendite der US-Anleihen bei Minus 11,3 Prozent gewesen sein, berechneten Ökonomen der Fed von New York. Auch die Tatsache, dass die Investoren mittlerweile mehr Rendite für US-Staatsanleihen mit einer langen Laufzeit verlangten, spricht den Ökonomen zufolge für drohende Turbulenzen. Zudem tragen die höheren Erträge aus den Aktienmärkten zu einer Flucht aus dem Anleihenmarkt bei.

Etliche europäische Länder haben in den vergangenen Monaten auch den Rückzug der Investoren vom Anleihenmarkt gespürt. Die Renditen zogen wieder an und die Regierungen mussten, da die EZB derzeit nicht selbst kauft, beispielsweise die staatseigenen Rentenfonds zum Kauf von Anleihen nutzen (hier). Oder, wie es in Italien der Fall ist, eine eigentlich marode Bank stetig mit Staatsgeldern retten, damit diese weiter in Staatsanleihen investieren kann. Anleihen im Wert von drei Milliarden Euro hat die Monte dei Paschi im Juni gekauft – mittlerweile besitzt sie italienischen Anleihen im Wert von 29 Milliarden Euro. Gleichzeitig aber pumpt der italienische Staat, also der Steuerzahler, regelmäßig Hilfsgelder in die Bank (mehr hier). Die italienische Regierung erhöht also ihre ohnehin schon enormen Staatsschulden für Kredite und Garantien an eine Bank, die eigentlich zahlungsunfähig ist. Diese soll mit dem Geld wiederum italienische Schulden kaufen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Recht auf Schutz: Gericht bestätigt Anspruch afghanischer Familie auf Visa
08.07.2025

Trotz der Einstellung des Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Afghanen hat das Verwaltungsgericht Berlin eine klare Entscheidung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Urlaub wird teurer: Flugkosten steigen auch bei Billig-Airlines
08.07.2025

Fliegen vom deutschen Flughafen ist deutlich kostspieliger geworden – und das nicht nur bei klassischen Airlines. Auch...

DWN
Politik
Politik Haushaltsstreit 2025: Klingbeils Pläne, Kritik und offene Milliardenlücken
08.07.2025

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat den Haushaltsentwurf für 2025 und die Finanzplanung bis 2029 in den Bundestag eingebracht....

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW-Konzern behauptet Spitzenposition im deutschen E-Auto-Markt
08.07.2025

Der VW-Konzern setzt im deutschen E-Auto-Markt neue Maßstäbe. Die aktuellen Zahlen zeigen eine eindrucksvolle Entwicklung – doch der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China frisst Europas Industrie und niemand wehrt sich
08.07.2025

Chinas Staatskonzerne zerlegen Europas Industrie Stück für Stück – doch Berlin, Brüssel und Paris liefern nur leere Worte. Während...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dow schließt Chemieanlagen: Was das für Deutschland bedeutet
07.07.2025

Der US-Konzern Dow zieht sich teilweise aus Mitteldeutschland zurück – und das hat Folgen. Standorte in Sachsen und Sachsen-Anhalt...

DWN
Politik
Politik Folgekosten in Millionenhöhe: Corona-Krise und die Schattenseite staatlicher Beschaffung
07.07.2025

Milliardenkosten, ungenutzte Schutzmasken und politische Spannungen: Die Folgen der Maskenkäufe in der Corona-Krise wirken bis heute nach....

DWN
Politik
Politik Kontrollen an der Grenze zu Polen: Grenzkontrollen jetzt beidseitig aktiv
07.07.2025

Mitten in der Urlaubszeit zieht Polen die Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland an. Reisende spüren die Auswirkungen sofort –...