Finanzen

EU-Kommission will Krisenländern Schulden-Machen erleichtern

Nicht nur Krisenländern fällt die Einhaltung der Defizitgrenze von drei Prozent schwer. Dies will die EU-Kommission nun ändern. Eine neue Berechnung des Defizits soll die Zahlen weniger schlimm aussehen lassen. Allerdings können diese dann einfacher manipuliert werden.
28.09.2013 23:15
Lesezeit: 2 min

Das Haushaltsdefizit – die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben – der Staaten in der Eurozone soll laut Maastricht-Vertrag nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Längst ist bekannt jedoch, dass nach wie vor Länder wie Frankreich, Spanien, Portugal und Irland die Defizit-Zielvorgaben nicht einhalten.

Spanien erreichte im Jahr 2012 ein Defizit von 10,2 Prozent. In diesem Jahr wird mit einem Defizit von 6,7 Prozent und mit 7,2 Prozent für 2014 gerechnet. Frankreich wird weder in diesem noch im kommenden Jahr die Obergrenze des Haushaltsdefizits einhalten, sondern ein Defizit von 4,1 Prozent in diesem Jahr erreichen.

Ähnlich sieht es in Portugal, Griechenland und Irland aus: Portugals Defizit lag 2012 bei 6,4 Prozent und wird in 2013 voraussichtlich 5,5 Prozent betragen. Griechenlands Defizit lag in 2012 bei 10 Prozent. Das Land hat noch bis 2016 Zeit, die Neuverschuldungsgrenze von 3,0 Prozent einzuhalten. In Irland betrug das Defizit in 2010 immerhin 31 Prozent, was der Bankenkrise geschuldet war. Inzwischen liegt das Haushaltsdefizit des Landes bei 8,3 Prozent.

Interessant bei Irland ist der Fakt, dass das Land im Sommer 2011 EFSF-Hilfen in Höhe von 17,6 Milliarden Euro als „Bankenhilfe“ erhielt. Die Troika rechnete dies jedoch als „einmalige Ausgabe“ an, wodurch die Gelder nicht zum Staatsdefizit gerechnet werden. Denn die Troika macht Unterschiede zwischen guten und schlechten Defiziten. „Gute Defizite“ werden nicht dem Haushaltsdefizit angerechnet, denn das sind Gelder für Banken. Und die sind nach der Auffassung der Troika stets gut angelegtes Geld.

>Nachdem auch die Absicht der EU-Kommission, den Ländern längere Fristen zum Abbau ihrer Haushaltsdefizite zu geben, offenbar auf absehbare Zeit nichts nützt, kommt nun eine ganz neue Rechenart ins Spiel.

Denn das strukturelle Defizit ist die Messlatte, an der ersichtlich wird, wie viel ein Staat sparen muss, um der Maastricht-Grenze gerecht zu werden.

Nun sollen die Regeln so geändert werden, dass in Zukunft Ländern mit hohen Defiziten dennoch weniger Sparmaßnahmen auferlegt werden können. Geplant ist daher eine Veränderung der Berechnungen des strukturellen Defizits eines Staates.

Nach wie vor wird zwar das reguläre Haushaltsdefizit berechnet. Es soll jetzt aber an der Wirtschaftskraft des jeweiligen Staates gemessen werden.

Dies würde Manipulationen Tor und Tür öffnen. Es böte weiteren Spielraum für "kreative Buchführung" und dauerhaft akzeptable Neuverschuldungen.

Auch wurde bekannt, dass die Bundesregierung an der Modifizierung der beabsichtigten, hoch komplizierten Berechnungsarithmetik beteiligt war. Demnach hat sie bei den geplanten Entschlüssen keinerlei Einsprüche erhoben.

Vor allem Spanien würde davon profitieren, da nun die Schätzungen des strukturellen Defizits erheblich reduziert werden, berichtet das WSJ.

Laut Maastricht-Vertrag darf eine Regierung die Obergrenze nur überschreiten, wenn sie dafür vorab eine Genehmigung bei der EU-Kommission einholt. Ohne EU-Einwilligung könnte Brüssel laut Vertrag auf dem Papier eine Korrektur des jeweiligen Haushaltsentwurfs durchsetzen.

Mit den neuen Regeln gelänge es, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Die Defizite würden künstlich herunter gerechnet, wonach dann die Neuverschuldung wieder steigen darf und die EU-Kommission nicht einschreiten müsste. Zum Zweiten würden die echten und belastbaren Zahlen nicht an die Öffentlichkeit dringen. Die Märkte und die Bürger der Eurozone können sozusagen „beruhigt“ werden. Schließlich und endlich wären die Krisenländer „auf einem guten Weg“.

Die neue Regelung wird als „Haushaltsreform“ bezeichnet. In dieser Woche sollte die Reform von hochrangigen Beamten der europäischen Finanzministerien bewilligt werden. Doch inzwischen scheuen die hochrangigen Beamten der Euro-Finanzminister vor einer Verabschiedung der geplanten Berechnungsänderungen für die Mitgliedstaaten zurück. Das Vorhaben wurde blockiert, obwohl die neuen Berechnungen von der EU-Kommission empfohlen wurden, berichtet das WSJ.

Spaniens Finanzministerium erläutert indessen, die Regel-Änderung bedeute nicht unbedingt, dass der Staat weniger Haushaltskonsolidierung betreiben müsse.

Denn Spanien und andere Länder argumentieren, dass ihre Defizite vor allem durch die Wirtschaftskrise und nicht durch laxe staatliche Ausgaben und niedrige Steuern entstanden sind.

Bei einer schwachen Wirtschaft mit Massenarbeitslosigkeit und Fabriken, die nur mit einem Bruchteil der vollen Kapazität ausgelastet sind, seien die Staatseinnahmen entsprechend rückläufig und die Sozialausgaben hoch.

Sollten die Finanzminister der Eurozone dennoch an der geplanten Brüsseler „Haushaltsreform“ festhalten, würden die neuen Berechnungsmethoden bereits für die nächste Herbst-Prognose der EU-Kommission gelten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...