Politik

Schleichende Krise im österreichischen Mittelstand

In Österreich verschwinden Arbeitsplätze. Der Stellenabbau entwickelt sich zu einer schleichenden Krise, die zahlreiche Branchen im Land heimsucht. Nicht nur der Mittelstand ist betroffen, auch Großunternehmen und Rüstungsindustrie müssen Arbeitsplätze streichen.
01.11.2013 01:21
Lesezeit: 2 min

Nur 16 Prozent aller österreichischen Mittelständler wollen in den nächsten sechs Monaten neue Mitarbeiter einstellen. 12 Prozent der Unternehmen planen einen Stellenabbau. Drei Viertel aller Firmen leiden unter Fachkräftemangel. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Studie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY). Damit entstehen so wenige neue Jobs in Österreich wie zuletzt im Jahr 2009.

Im Westen Österreich sind die Chancen auf einen Arbeitsplatz deutlich höher als im Osten des Landes. In Vorarlberg wollen 27 Prozent der Mittelständler Jobs schaffen. Im Burgenland hingegen wollen 20 Prozent der Unternehmen Stellen streichen.

Grund sind fehlende Aufträge und rückläufige Umsätze, vor allem im heimischen Gewerbe und im Handwerk. „Es sind dringend Impulse und entsprechende Anreize für eine Stimulierung der Betriebe nötig“, sagte Konrad Steindl, Obmann der Bundessparte Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

Unternehmen suchen Fachkräfte im Ausland

Acht von zehn Unternehmen der Bau- und Energiebranche gaben an, über nicht genügend Fachpersonal zu verfügen. Im Durchschnitt herrscht bei 75 Prozent aller Mitarbeiter ein Fachkräftemangel. Knapp die Hälfte aller Unternehmen gab an, nach Personal im Vertrieb und Kundendienst zu suchen. Ein besonders hoher Bedarf an Personal besteht auch im Bereich der Produktion (37%) sowie in leitenden Positionen (24%).

Obwohl die Unternehmen das Problem des Fachkräftemangels bereits erkannt haben, sind sie nicht dazu bereit, mehr „Finanzmittel für die Rekrutierung und Entwicklung von Mitarbeitern einzusetzen. Ein Zehntel berichtet gar von Budgetkürzungen in diesem Bereich“, sagte Erich Lehner, verantwortlicher Partner für die Agenda Mittelstand bei EY in einem Bericht des österreichischen Karrieremagazins Presse.

Dennoch bevorzugen Mittelständler Weiterbildungsangebote, bevor sie in Erwägung ziehen, neue Mitarbeiter einzustellen. Jeder fünfte Betrieb sucht gezielt im Ausland nach qualifiziertem Personal: „Insbesondere in den krisengebeutelten Ländern Südeuropas gibt es zahlreiche Fachkräfte, für die ein Job in Österreich in Frage kommt – hier können die Unternehmen noch deutlich aktiver werden“, so Lehner.

Verarbeitende Industrie auf Sparkurs

Auch in der Verarbeitenden Industrie werden Stellen abgebaut. Der Metallpressen-Hersteller Schuler, eine Tochter der österreichischen Maschinenbauer Andritz AG, muss Kosten sparen und dazu in Deutschland 350 Stellen abbauen. Andritz hatte Schuler für 600 Millionen Euro übernommen. Für das laufende Jahr erwartet Andritz einen deutlichen Gewinneinbruch, berichtet das Handelsblatt.

Die Rüstungsindustrie hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Das Panzerwerk Steyr in Wien steht vor dem Aus. Im kommenden Jahr will Steyr mindestens 250 der 400 Mitarbeiter entlassen. Im April läuft für das Werk in Wien-Simmering ein großer Serienauftrag aus Kuwait für den Radpanzer "Pandur" aus. Für die Zeit danach fehlen Steyr, einer Tochter des US-Waffenkonzerns General Dynamics (GD), die Aufträge. Außerdem wurde die Miete für das Firmengelände nach Angaben der Nachrichtenagentur APA deutlich erhöht. Der Stellenabbau soll in Etappen erfolgen.

Der Papierhersteller Sappi Gratkorn will in den nächsten zweieinhalb Jahren rund 100 Stellen abbauen, heißt es mehreren Medienberichten zufolge. Auch hier müssen Kosten gespart werden, um den Anschluss an die Konkurrenz halten zu können. In Gratkorn sind derzeit über 1.165 Mitarbeiter beschäftigt. Das Werk produziert jährlich über 1.000 Tonnen Zellstoff und Papier und gehört mit einem Umsatz von 675,5 Millionen Euro den größten Produktionsstandorten der Welt.

Der Mittelstand verharrt in Erwartung darauf, dass die Konjunktur wieder anzieht. Die Großindustrie, exportorientierter als kleine und mittlere Unternehmen, droht teilweise ins Ausland abzuwandern. Die von der EU auferlegten hohen Energiekosten und Klimaschutzabgaben führten langfristig zur „Deindustrialisierung Europas“, sagte Voestalpine-Chef Wolfgang Eder der Wiener Zeitung.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

 

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsmangel: Deutschland fehlen 550.000 Wohnungen
05.02.2025

Eine neue Analyse belegt ein massives Wohnungsdefizit in Deutschland: 550.000 Wohnungen fehlen bundesweit. Die Politik zeigt sich vor der...

DWN
Panorama
Panorama Elf Tote in Schweden: Was ist passiert?
05.02.2025

Nach einer Schießerei an einer Erwachsenenbildungseinrichtung in Schweden bleiben viele Fragen offen. Mindestens elf Menschen starben,...

DWN
Politik
Politik Grönland wählt am 11. März - und verbietet ausländische Spenden an Politik
05.02.2025

Aus Angst vor Wahlmanipulation und angesichts geopolitischer Begehrlichkeiten greift Grönland durch: Ausländische und anonyme Spenden an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Strafzölle: Wie die deutsche Wirtschaftsleistung massiv bedroht wird
05.02.2025

US-Strafzölle auf Importe aus Kanada, Mexiko und China könnten gravierende Folgen für die deutsche Wirtschaft haben. Experten des...

DWN
Panorama
Panorama Russischer Geheimdienst hinter Auto-Sabotagen vermutet
05.02.2025

Eine Serie von Sabotageakten gegen Autos sorgt für Unruhe in Deutschland. Die Polizei vermutet dahinter einen russischen Geheimdienst, der...

DWN
Technologie
Technologie Shein und Temu im Visier der EU-Kommission
05.02.2025

Die EU-Kommission will gegen den massenhaften Import billiger Produkte von Plattformen wie Shein und Temu vorgehen. Im Fokus stehen...

DWN
Politik
Politik Mehrheit bei Migrationsvotum durch AfD: Für mehr als die Hälfte der Deutschen kein Problem
05.02.2025

Bei den Demonstrationen gegen Merz und die AfD war viel Empörung zu spüren. Doch diese Proteste spiegeln nur die Meinung einer – wenn...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rüstungskonzern KNDS übernimmt Alstom-Werk in Görlitz und sichert Arbeitsplätze
05.02.2025

Der Rüstungskonzern KNDS übernimmt das Alstom-Werk in Görlitz. In einer feierlichen Zeremonie unterzeichneten die Unternehmen eine...