Politik

New York: Wall Street und Polizei betreiben gemeinsam Video-Überwachung

Rund um die Uhr werden die Bürger New Yorks von tausenden Überwachungskameras beobachtet. Das Kontrollzentrum liegt im Finanzbezirk von Manhattan. Als Angestellte werten Mitarbeiter der großen Wall Street-Banken gemeinsam mit den New Yorker Polizeibehörden alle Bilder aus. Die Bürger der Stadt haben davon nicht die geringste Ahnung.
27.03.2013 01:52
Lesezeit: 2 min

Die chaotischen Protestierer von Occupy Wall Street (OWS) sind durch den Slogan bekannt geworden, dass sie die 99% seien, an denen das 1% von Wall Street verdient. Der Spruch erinnert ein wenig an die „Wir-sind-das-Volk“-Rufe der Leipziger Montag-Demos. Den Vergleich mit der Stasi brauchen auch die Überwachungsmethoden der großen Wall Street Banken nicht zu scheuen, im Gegenteil: Die technische Ausrüstung ist so perfekt, dass praktisch jede Bewegung eines jeden New Yorkers auf Computern in Real-Time ausgewertet, vergrößert, scharf gestellt werden kann. Eine Sprecherin des Überwachungs-Zentrums sagte in der Sendung „60 Minutes“, sie könne „mit einem Fingerschnippen“ jede Aktion der ahnungslosen Bürger isolieren und dokumentieren.

Wie das Magazin CounterPunch (Artikel/englisch - hier) im Gefolge der Sendung von 60 Minutes herausfand, befindet sich das Gebäude an der Adresse 55 Broadway. Am Eingang sind auf Messingschildern die Namen der Auftraggeber vermerkt. Goldman Sachs, Citigroup, JPMorgan Chase und all die anderen. Im Gebäude arbeiteten Angestellte der Banken gemeinsam mit New Yorker Polizisten an der Überwachung der Bürger der Stadt. Die als Lower Manhattan Security Initiative wurde für 150 Millionen Dollar aus Steuergeldern finanziert. Die Kosten, die von der Regierung in Washington und der Stadt New York getragen werden, steigen laufend, weil immer die neuesten verfügbaren Technologie hinzugefügt werden. Die Terminals sind rund um die Uhr besetzt. Etwa 2.000 private Überwachungskameras gehören den Firmen der Wall Street, 1.000 sind im Eigentum der New Yorker Polizei. Zusätzliche 700 Kameras sind in Midtown installiert und liefern ihre Bilder in das Lower Manhattan Security Coordination Center. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass die großen Banken (1%) eben erst mit dem Geld der Steuerzahler (99%) in einem Bailout gerettet wurden, weil sie sich bei der Immobilienblase verspekuliert hatten.

Gerne führt Bürgermeister Michael Bloomberg ausländische Gäste durch das Zentrum. Bloomberg hat seinerzeit den Finanzterminal erfunden, ohne den heute nach eigener Aussage nicht einmal Hillary Clinton ihre Arbeit als Außenministerin verrichten kann. Auch Polizeichef Raymond Kelly ist mächtig stolz auf die gute Zusammenarbeit der Banken mit der Polizei beim Ausspionieren der ahnungslosen Bürger (Fotos einer polnischen Nachrichtenagentur - hier).

Natürlich ist die ganze Aktion nach amerikanischem Recht vollkommen illegal. Abgesehen von der Tatsache, dass es für die Überwachungsaktion kein Gesetz, keine Kontrolle und keine öffentlich einsehbaren Dokumente gibt: Der New York Code verbietet in seiner Section 700.15 ausdrücklich die Videoüberwachung ohne richterliche Anordnung. Die New York Civil Liberties Union (NYCLU) hat auf diesen Umstand mehrfach hingewiesen – um von der Stadt die Antwort zu erhalten, die Kameras hätten dieselbe Funktion wie der „Polizist um die Ecke, der auf einem öffentlichen Platz auch alle Vorbeigehenden beobachtet“. Mit dem feinen Unterschied, dass der gute alte Officer nicht über die Möglichkeit verfügt, Bilder zu speichern, zu vergrößern, in Datenbanken zu speichern und wer weiß wem zugänglich zu machen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Wenn Märkte überhitzen: Droht der Small-Cap-Rally das Aus?
13.07.2025

US-Anleger stürzen sich auf kleine Firmen – ein alarmierendes Zeichen. Warum Euphorie an der Börse oft das Ende markiert und was das...

DWN
Panorama
Panorama 100 Jahre Rolltreppe: Aufstieg in 30 Sekunden
13.07.2025

Die Rolltreppe ist allgegenwärtig – und doch übersehen wir oft ihre faszinierende Geschichte. Seit 100 Jahren bewegt sie Menschen durch...

DWN
Technologie
Technologie The bright, bright future ahead (AI): Bringt künstliche Intelligenz uns eine bessere Zukunft?
13.07.2025

Es geht Schlag auf Schlag. Bald, so hört man, haben wir die AGI (artificial general intelligence) und danach kommt die Superintelligence....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Geschäftsideen schützen: Mehr Umsatz für Unternehmen mit Patenten und Marken
13.07.2025

Mehr als 50-Prozent mehr Umsatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationen schützen – warum cleverer Schutz der...

DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...