Politik

London: Mülleimer ermitteln Daten von vorübergehenden Passanten

Lesezeit: 2 min
13.08.2013 16:50
In London hat eine Firma Mülleimer so aufgerüstet, dass über ein Signal die Smart-Phones der Passanten gescannt werden. Die als Werbung getarnte Ausforschung wurde nun aus Datenschutz-Erwägungen gestoppt.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die City of London, das Finanzzentrum im Herzen der englischen Hauptstadt, hat ein Verbot von „smarten“ Mülleimern ausgesprochen. Die Betreiberfirma mehrerer solcher Daten-Sammler wurde aufgefordert, die Durchleuchtung von Smartphones vorbeikommender Passanten zu stoppen.

Das Unternehmen Renew hatte zwölf Mülleimer angebracht, die das Potential von zielgerichteter personalisierter Werbung aufzeigen sollten. Auf einem integrierten LCD-Monitor wird digitale Werbung angezeigt, genauso wie Informations-Inhalte, ähnlich einem U-Bahn-Bildschirm. Der Unterschied: Der Mülleimer scannt die Mobilgeräte der Passanten, um so deren Interessen und Werbe-Affinitäten herauszufinden.

Das Prinzip der verwendeten Technologie ist eine Form der Geräte-Identifikation, die in anderen Bereichen, etwa bei Werbeeinschaltungen im Internet, seit langem im großen Stil Anwendung findet. In der Verwendung im öffentlichen Raum erhält die Technik jedoch eine völlig neue Dimension. Ein Sprecher der City of London Corporation, der Verwaltungsbehörde der City of London, sagte dem Independent: „Wir haben das entsprechende Unternehmen aufgefordert, diese Sammlung von Daten sofort zu stoppen“.

Die an den Mülleimern angebrachten Scanner zeichnen die eindeutige Identifikationsnummer (MAC-Adresse) der vorbeikommenden Mobilgeräte auf. Voraussetzung der Nachverfolgung dieser Adressen ist, dass die W-LAN-Funktion der Geräte eingeschaltet ist. Somit können die Renew-Mülleimer Daten abgreifen, die unter anderem die Geschwindigkeit, Richtung, Hersteller und Typ der Geräte umfassen. Damit können Rückschlüsse auf die vorbeikommenden Personengruppen gezogen werden.

Die von den „Smart-Eimern“ gesammelten Daten sollten im Vollbetrieb an Unternehmen weiterverkauft werden, die dann Zielgruppen-gerechte Werbung auf den Monitoren schalten. Dieses Vorhaben wurde nun zumindest vorübergehend auf Eis gelegt. Denn die Anwendung von personalisierter Werbung außerhalb des Privatbereichs ist gerade in Zeiten der laufenden Überwachungs-Debatte höchst umstritten.

Datenschützer befürchten eine weitere Einschränkung der persönlichen Daten-Souveränität. Sie werfen den Betreibern den Bruch von britischem Recht vor. Renew-Vorstandsvorsitzender Kaveh Memari will davon nichts wissen. „Wir sammeln anonymisierte und dann aggregierte MAC-Adressen. Wir sammeln aber nicht personalisierte Daten. Wir wissen nicht, wer welche Person ist“, so Memari.

Mit Bau- und Installationskosten von umgerechnet 35.000 Euro pro Stück und hohen Erhaltungskosten sind die Müllbehälter eine teure Investition. Im Testbetrieb konnten laut Renew innerhalb einer Woche vier Millionen Mobilgeräte mit etwa 530.000 Einzeladressen erkannt werden. Das Unternehmen gibt auch an, dass die Technologie bei der Installation in einem Geschäft aufzeichnen kann, wie lange Personen sich darin aufhalten, wie oft sie den Shop besuchen und wie hoch die Kundentreue ist.

Das von der City of London ausgesprochene Verbot der Technik wird den Schritt der personalisierten Werbung vom Internet in die Öffentlichkeit wohl nur etwas verzögern, nicht aber verhindern können. Schon heute wird eine ähnliche Technik beispielsweise in US-amerikanischen Einkaufszentren angewendet.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

 

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag zum Handelsstart mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Europäische Unternehmen sehen düstere Aussichten in China
10.05.2024

Die jährliche Geschäftsklimaumfrage der EU-Handelskammer in Peking zeigt, dass europäische Unternehmen ihre Wachstumschancen in China so...

DWN
Technologie
Technologie Lithium-Abbau in Deutschland: BGR-Forscher starten Tiefenförderung in der Lüneburger Heide
10.05.2024

Der Weg zu einer nachhaltigen Elektromobilität führt möglicherweise durch die Lüneburger Heide: Die Die Bundesanstalt für...

DWN
Finanzen
Finanzen Genomsequenzierung: Investieren in die personalisierte Medizin der Zukunft
09.05.2024

Genomsequenzierung, Gentherapie, personalisierte Medizin: Die Medizin- und Pharma-Industrie steht vor einem Wendepunkt. Gleichzeitig sind...