Die Vertreter des EU-Parlaments, der EU-Kommission und der EU-Staaten haben sich am Dienstag auf die letzten Punkte der Agrar-Reform geeinigt. „Der Weg zu einer grüneren und gerechteren Landwirtschaftspolitik in der EU ist frei“, so die EU-Kommission zu den Ergebnissen. Eine Aussage, der die deutschen Bauernverbände heftig widersprechen.
Der Agrarhaushalt der EU beträgt 386,5 Milliarden Euro, die von 2014 bis 2020 an die landwirtschaftlichen Betriebe in der EU verteilt werden. Das sind 45 Prozent des gesamten EU-Haushalts. 280 Milliarden gehen direkt an die Agrar-Unternehmen und Bauern.
Die nun vorgelegte Einigung ist ein Sieg der Agrar-Industrie - denn die Dominanz der industriellen Landwirtschaft wird mit diesem Kompromiss mitnichten gebrochen.
So sollen zwar die Agrarbeihilfen für landwirtschaftliche Großbetriebe ab einem Betrag von 150.000 Euro gekürzt werden. Alternativ können sich die Mitgliedsländer aber auch zur Unterstützung kleinerer Betriebe für das Modell einer Umverteilungsprämie für die ersten Hektarflächen entscheiden. „Das wäre ein gewisser Fortschritt“, sagte Felix Löwenstein den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Löwenstein ist Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖWL).
Dennoch sei er skeptisch, ob kleine Betriebe dadurch wirtschaftlich stärker gemacht werden als größere. „Es wird sich, glaube ich, nicht schrecklich viel ändern. In Deutschland sei es für die kleineren Betriebe in den vergangenen Jahren immer schwerer geworden, sich gegen die Großbetriebe zu behaupten.“
Und ausgerechnet Deutschland hatte aber bei den bisherigen Beratungen hinter den Großbetrieben gestanden. So kritisierte jüngst die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (Abl):
„Ilse Aigner lehnt bisher eine gestaffelte Kürzung bei Großbetrieben strikt ab. Auch das Instrument eines Zahlungs-Auschlags für die ersten Hektar je Betrieb, mit dem kleinere und mittlere Betriebe erheblich gestärkt werden könnten, will Aigner nur minimal anwenden. Sie will nur 5 Prozent der nationalen Direktzahlungssumme dafür einsetzen, obwohl die EU mit 30 Prozent das Sechsfache ermöglicht.“
„Frau Aigner will nur die Mindestvorgaben umsetzen und schlägt somit die erheblichen Möglichkeiten, die die EU für einen gerechteren Einsatz der Gelder bietet, in den Wind“, sagte Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Ich gehe davon aus, dass Frau Aigner nun aber - in bayerischer Verantwortung - diese Position ändern wird.“
Für eine EU-Reform kommt der Wechsel zu spät.
„Die heutige Zuteilung der Gelder belohnt heute Flächenbesitz und richtet sich gegen die Mehrheit bäuerlicher Betriebe“, so Jasper:
„Die Gruppe der Großbetriebe mit > 1.000 Hektar Fläche macht nur 1 % aller Betriebe in DE aus, sie ziehen zusammen aber 15 % der EU-Gelder, sie beschäftigen aber nur 7 % der Arbeitskräfte (umgerechnet in Vollzeitkräfte) der gesamten DE-Landwirtschaft. Im Extrem erhalten Großbetriebe mit reinem Ackerbau heute umgerechnet bis zu 120.000 Euro Direktzahlungen pro Arbeitskraft im Jahr, während der Durchschnitt aller Betriebe in DE bei umgerechnet 10.000 Euro je Arbeitskraft liegt.“
Die Förderung durch die EU läuft über zwei Säulen. In der 1. Säule werden 85 Prozent der EU-Mittel auf die gesamte Agrarfläche vergeben, so Löwenstein. Bei der 2. Säule werden Umweltprojekte gefördert. „Die Landwirte machen da etwas, was die Gesellschaft von ihnen fordert, der Markt aber nicht bezahlt.“ Das sind so genannte ökologische Nutzflächen. Mindestens 5 Prozent der Gesamtfläche, die bewirtschaftet wird, muss der Landwirt dafür nutzen. So beispielsweise durch den Anbau von stickstoffbindende Pflanzen wie Erbsen oder Bohnen.
Die Agrarreform sieht nun vor, dass bei beiden Säulen die EU-Mittel gekürzt werden. Aber die EU hat „es den Mitgliedsstaaten überlassen, 15 Prozent aus dem Topf der 1. Säule nun für die zweite Säule zu nehmen“, so Löwenstein. „Doch die deutsche Regierung weigert sich, dies zu tun.“ Das heißt, „wir werden ab 2014 weniger Mittel zur Verfügung haben“, so Löwenstein. „Das ist ein Rückschritt für Agrar-Umweltprojekte. Diesmal sei es eben nicht die EU, die dafür verantwortlich ist, sondern die deutsche Regierung.
Als Ursache für die deutsche Ablehnung dieser umweltfreundlichen Umverteilung gibt Löwenstein Lobbyismus an. „Die Beharrungskräfte derjenigen, die wollen, dass alles weiter geht wie bisher, waren politisch stärker“. Dies zeigt sich auch an anderer Stelle.
Bezeichnend dafür ist die Nutzung dieser ausgeschriebenen ökologischen Nutzfläche. Eigentlich soll diese die Artenvielfalt schützen und fördern und die Umwelt allgemein. Aber dennoch hat man sich bei den Beratungen nun entschieden, dass beim Anbau der ökologischen Nutzflächen auch weiterhin Pestizide eingesetzt werden können. „Das ist ein Schuss nach hinten“, sagt Löwenstein. „Ökologisch ist es ja eigentlich nur wenn man eben keine Pestizide einsetzt.“ Neben den Firmen, die Pestizide herstellen und vertreiben sei auch der Deutsche Bauernverband an dieser Entwicklung beteiligt, sagt Löwenstein.