Die ausstehenden Schulden von Unternehmen aus den Schwellenländern steigen rasant an und erreichen mittlerweile 460 Milliarden US-Dollar. Das ist der höchste Stand seit der asiatischen Finanzkrise 1997/98. Mit der Einführung der Politik des billigen Geldes im Jahr 2008, hat sich das Volumen der Schulden mehr als vervierfacht. Es entspricht inzwischen 10 Prozent der weltweiten Gesamtverschuldung aller Unternehmen.
In einem Bericht der Investment-Firma General Re-New England Asset Management (GR-NEAM) analysiert John Gilbert die Folgen der expansiven Geldpolitik. Er kritisiert darin die amerikanische Zentralbank scharf für ihr Vorgehen und wirft ihr vor, systemische Risiken für das globale Finanzsystem in Kauf zu nehmen. Einige Märkte zeigten bereits Anzeichen einer Blasenbildung, darunter die Aktienmärkte und die Schwellenmärkte.
Am Beispiel des Börsengangs von Twitter könne man die drastische Überbewertung von Aktien erkennen. Das Unternehmen habe noch nie einen Profit erwirtschaftet und wird es in absehbarer Zeit auch nicht tun, so Gilbert. Tatsächlich machte Twitter im ersten Halbjahr 2013 sogar einen Verlust von 69 Millionen US-Dollar, wie Handelszeitung berichtet. Dennoch ist die Aktie am ersten Tag des Börsengangs von 26 auf 45 US-Dollar hochgeschossen und verschaffte dem Unternehmen eine Bewertung von 16 Milliarden US-Dollar (mehr hier).
„Es sollte mittlerweile jedem klar sein, dass solche Großzügigkeit am Aktienmarkt in Washington gemacht wird. Die genaue Adresse ist das Eccles Gebäude auf der Constitution Avenue, der Sitz der Federal Reserve. Als Bürger und U.S. Steuerzahler, denken wir, dass es ein Ausdruck von Dankbarkeit wäre, wenn Twitter etwas Druck von der Fed nimmt und selbst ein paar Staatsanleihen kauft.“, so Gilbert.
GR-NEAM ist eine der führenden europäischen Investment-Firmen. Sie wird ihrerseits kontrolliert durch Berkshire Hathaway, dem amerikanischen Investment-Unternehmen von Warren Buffet. Wenn erfahrene und konservative Firmen wie diese vor den Folgen der Geldpolitik der Fed warnen, hat das durchaus Gewicht in der Finanzwelt.
Die Blase in den Schwellenländern sei sogar noch bedrohlicher, weil sie das Potenzial habe, das ganze Finanzsystem in den Abgrund zu reißen, sagt Gilbert. Durch die Geldschwemme der Fed und auf der Suche nach Rendite, steckten westliche Investoren – allen voran Banken und Hedgefonds – enorme Beträge in die aufstrebenden Märkte. Unternehmer aus den Schwellenländern liehen sich bei diesen Investoren immense Dollar-Beträge, um ihre Firmen auszubauen. Dabei profitierten sie von den Wechselkursen und den historisch niedrigen Zinsen.
Zu Beginn dieses Booms unterstützen die Währungen in Ländern wie Brasilien, Indien, Südafrika und der Türkei diesen Boom auch noch. Doch mittlerweile geraten sie zunehmend unter Druck. Als Fed-Chef Ben Bernanke im Mai andeutete, die Geldpolitik zu ändern, zogen westliche Investoren enorme Beträge aus den Märkten ab. Diese Kapitalflucht führte zum Absturz der türkischen Lira, des brasilianischen Real und der indische Rupie (hier und hier).
Ein prominentes Opfer dieser Entwicklung ist der Brasilianer Eike Batista. Noch vor wenigen Monaten war er mit einem Vermögen von 34,5 Milliarden US-Dollar der siebt reichste Mann der Welt. In weniger als einem Jahr verlor Batista 99 Prozent seines Vermögens und den Großteil seines Firmen-Imperiums (hier). Viele seiner Firmen waren nie rentabel, sondern lebten nur vom Fremdkapital ausländischer Investoren und dem Versprechen auf zukünftige Profite.
„Wir könnten gerade den Beginn einer Welle von Kredit-Problemen bei Unternehmen aus den Schwellenländern sehen. Wenn man denkt, das betrifft weder die USA noch andere Industrieländer, sollte man sich an den Verlauf der asiatischen Finanzkrise erinnern.“, sagt Gilbert.
Im Sommer 1997 habe Thailand seine Währung abgewertet, was als Auslöser der Krise in den Tigerstaaten gesehen wird. Die geringere asiatische Nachfrage führte zu stark verminderten Öl-Importen. Russland, dessen Exporte zu 80 Prozent aus Öl bestanden, ging im August 1998 in den Staatsbankrott. Die Risikostreuungen verbreitern sich und fünf Wochen später ging Long Term Capital Management insolvent. Die amerikanische Firma hatte sich verspekuliert und wurde vom Bankrott Russlands überrascht.
„Das war ein systemisches Ereignis und es verursachte Störungen in allen Märkten und führte zu einem Absturz des Aktienmarkts. Für all jene, die also glauben, dass sie gegen Verluste durch das Verhalten der Zentralbanker geschützt sind, wäre also eine kleine Geschichtsstunde angebracht.“, so Gilbert.
Die Fed hat die Probleme der eigenen Wirtschaft durch ihre Geldpolitik in die Schwellenländer exportiert (hier). Doch damit sind die Probleme nicht aus der Welt, ganz im Gegenteil. Sie werden dort nur potenziert und am Ende an ihren Ursprung zurückkehren.
„Das ist eine der hauptsächlichen Schattenseiten des Fed-Programms. Sie haben systemische Risiken im Welt-Finanz-System geschaffen, für welche sie nur geringe oder gar keine Verantwortung übernehmen. Denn was außerhalb der USA passiert, ist nicht ihre Angelegenheit. Aber als Hüter der Welt-Reserve-Währung schlägt es auf sie zurück“, sagt Gilbert.
Sollten die Währungen in den Schwellenländern weiter unter Druck geraten, drohen weitreichende Kreditausfälle bei den dort ansässigen Unternehmen. Dies wiederum würde die Gläubiger aus den Industrienationen vor ernsthafte Probleme stellen. Ein solches Ereignis könnte den vielzitierten „margin call“ auslösen und zu Panikverkäufen an den weltweiten Aktienmärkten führen (hier).
Mark Twain wusste schon: „Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“