Politik

JPMorgan will Top-Personenschützer als Sicherheitschef anheuern

Der bisherige New Yorker Polizeichef Ray Kelly soll zur Investmentbank JPMorgan wechseln. Dort fürchtet man angesichts der Skandale offenbar ein Wiederaufleben der Occupy Wall Street Bewegung. Kelly verkörperte in New York unter den republikanischen Bürgermeistern das Prinzip von Null Toleranz gegen Gewalt auf den Straßen.
08.11.2013 02:33
Lesezeit: 3 min

Die New Yorker Polizei und die Banken an der Wall Street verstärken die Zusammenarbeit. Nun soll Ray Kelly, der Chef der New Yorker Polizei, in die Sicherheitsabteilung der Investmentbank JPMorgan wechseln, berichtet die New York Post.

Kelly war der Mann fürs Grobe in New York. Während die republikanischen Bürgermeister Rudy Giuliani und Michael Bloomberg den Kurs von Null Toleranz (zero tolerance) verkündeten, setzte Kelly die Politik in die Praxis um. Nicht ohne Erfolg: In seiner Amtszeit ging die Zahl der Morde in New York zurück. Allerdings ist das harte Vorgehen speziell gegen Hispanics Gegenstand eines Prozesses, bei dem der Richter bereits festgestellt hatte, dass einige Maßnahmen verfassungswidrig seien, weil sie eine ethnische Gruppe diskriminieren.

Der frisch gewählte New Yorker Bürgermeister, der Demokrat Bill De Blasio, will den harten Hund feuern - die Polizei soll liberaler werden. 

In seinem künftigen Job bei JPMorgan muss Kelly unter anderem Cyber-Angriffe und Terroranschläge gegen die Bank abwehren. Dabei wird er eng mit den US-Geheimdiensten zusammenarbeiten.

Die noch größere Delikatesse dürfte jedoch in den aktuellen Verfahren und Untersuchungen liegen, mit denen sich JPMorgan herumschlagen muss: FBI und CIA untersuchen in zahlreichen Bereichen kriminelle Machenschaften, wegen derer zahlreiche Anleger ihr Vermögen verloren haben.

Insider sind skeptisch, wie der ehemalige Polizist mit diesen Fällen umgehen wird.

Bevor Kelly im Jahr 2002 zum New York Police Department wechselte, war er Sicherheits-Chef bei der damaligen Wall-Street-Bank Bear Stearns, die im Zuge der US-Bankenkrise 2008 vom Konkurrenten JPMorgan übernommen wurde. Im Jahr 2013 wechselt Kelly nun zurück.

Tatsächlich haben die US-Investment-Banken in den vergangenen Jahren still und leise eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei etabliert.

Diese rührt aus der Zeit der Occupy Wall Street Bewegung her: Die Bank-Manager fürchteten um ihre persönliche Sicherheit und sorgten dafür, dass New York perfekt überwacht wurde.

Die Polizei arbeitet seither vor allem, um die Banken gegen die Bürger zu schützen.

Die Überwachungsmethoden der großen Wall Street Banken brauchen den Vergleich mit der Stasi nicht zu scheuen. Ihre technische Ausrüstung ist so perfekt, dass praktisch jede Bewegung eines jeden New Yorkers auf Computern in Echtzeit ausgewertet, vergrößert und scharf gestellt werden kann.

Wie das Magazin CounterPunch herausfand, arbeiten am Broadway Angestellte der Banken gemeinsam mit New Yorker Polizisten an der Überwachung der Bürger der Stadt. Am Eingang sind auf Messingschildern die Namen der Auftraggeber vermerkt. Goldman Sachs, Citigroup, JPMorgan Chase und all die anderen.

Eine Sprecherin des gemeinsamen Überwachungs-Zentrums von Banken und Polizei sagte nicht ohne Stolz, sie könne „mit einem Fingerschnippen“ jede Aktion der ahnungslosen Bürger isolieren und dokumentieren. Die als Lower Manhattan Security Initiative wurde für 150 Millionen Dollar aus Steuergeldern finanziert. Die Kosten, die von der Regierung in Washington und der Stadt New York getragen werden, steigen laufend, weil immer die neuesten verfügbaren Technologien hinzugefügt werden.

Die Terminals sind rund um die Uhr besetzt. Etwa 2.000 private Überwachungskameras gehören den Firmen der Wall Street, 1.000 sind im Eigentum der New Yorker Polizei. Zusätzliche 700 Kameras sind in Midtown installiert und liefern ihre Bilder in das Lower Manhattan Security Coordination Center.

Gerne führte der eben aus seinem Amt geschiedene Bürgermeister Michael Bloomberg ausländische Gäste durch das Zentrum. Bloomberg hat seinerzeit den Finanz-Terminal erfunden - auch über Bloomberg-Terminals sind Kundendaten - natürlich nur rein irrtümlich - der Privatheit entzogen worden. Noch-Polizeichef Raymond Kelly ist mächtig stolz auf die gute Zusammenarbeit der Banken mit der Polizei beim Ausspionieren der ahnungslosen Bürger (Fotos einer polnischen Nachrichtenagentur).

Die ganze Aktion ist nach amerikanischem Recht vollkommen illegal. Abgesehen von der Tatsache, dass es für die Überwachungsaktion kein Gesetz, keine Kontrolle und keine öffentlich einsehbaren Dokumente gibt.

Der New York Code verbietet ausdrücklich die Video-Überwachung ohne richterliche Anordnung. Die New York Civil Liberties Union (NYCLU) hat auf diesen Umstand mehrfach hingewiesen – um von der Stadt die Antwort zu erhalten, die Kameras hätten dieselbe Funktion wie der „Polizist um die Ecke, der auf einem öffentlichen Platz auch alle Vorbeigehenden beobachtet“.

Mit dem feinen Unterschied, dass der gute alte Officer nicht über die Möglichkeit verfügt, Bilder zu speichern, zu vergrößern, in Datenbanken zu speichern und wer weiß wem zugänglich zu machen.

Die Zweifel, die die High Tech-Experten an den technischen Fähigkeiten des möglichen neuen Sicherheits-Chefs bei JPMorgan haben, könnten sich jedoch als unbedeutend erweisen.

Möglicherweise fürchtet Jamie Dimon ein erneutes Aufflackern der Occupy-Proteste, wenn die diversen Skandale erst einmal in ihrem ganzen Ausmaß an das Licht der Öffentlichkeit gelangen.

Wenn aufgebrachte Bürger jedoch erneut vor die Wall Street Banken ziehen, dann können die Banker von versponnenen Cyber-Experten nicht ausreichend geschützt werden.

Dann brauchen sie einen Mann wie Polizei-Chef Ray Kelly.

Er versteht die wichtigste Regel des Personenschutzes.

Sie lautet: zero tolerance.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...