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Die europäischen Politiker fühlen sich im Moment gar nicht wohl in ihrer Haut. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos gaben sich die Staatslenker zwar alle Mühe, ein gewisses Maß an Optimismus zur Schau zu tragen. Tatsächlich aber herrscht tiefe Verunsicherung, Ratlosigkeit. Der südafrikanische Planungsminister Trevor Manuel sagte der FT, er habe die anwesenden Finanzminister beobachtet und festgestellt, sie sehen aus „wie das Wild, das von den Scheinwerfern eines Autos geblendet wird“.
Die Finanzminister haben die Kontrolle über die Schuldenkrise verloren. Und sie bekommen vor Augen geführt, dass sie nicht mehr diejenigen sind, die entscheiden, wie es weitergeht. EZB-Chef Mario Draghi soll nach Informationen des Spiegel einen bemerkenswerten Spruch vom Stapel gelassen haben. In der Frage, ob Zypern „systemrelevant“ sei und daher eine Rettung durch die Euro-Staaten erhalten solle, sagte Draghi: Die Frage, ob Zypern systemrelevant sei oder nicht, sei keine, die Juristen beantworten könnten. Dies sei Sache von Ökonomen.
Was auf den ersten Blick wie eine Retourkutsche gegen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erscheint – Schäuble ist Jurist und hatte gesagt, dass eine Pleite von Zypern kein Problem sei -, ist in Wahrheit eine grundsätzliche Botschaft: Nicht mehr in einem politischen System, ja nicht einmal mehr in einem rechtlichen System wird entschieden, wie die die globale Schuldenkrise gelöst wird. Das ökonomische System übernimmt das Kommando, obowhl eine Demokratie nur funktionieren kann, wenn sie ein Rechtssystem verteidigt, in dem die Bürger auch dann geschützt sind, wenn sie von den Machenschaften der Politiker und der Finanzwirtschaft übervorteilt werden.
Aus Draghis Sicht sind diese Zeiten vorbei. Die Lenkung der Gesellschaft wird von den Zentralbanken und all jenen Institutionen übernommen, die, wie der ESM oder der IWF, niemandem Rechenschaft schuldig sind. Die Zentralbanker sind ebenso wie die ESM-Manager immun, es gibt keine Transparenz und keinen Rechtsweg gegen ihre Entscheidungen. Wenig verwunderlich, dass auch EZB-Mann Jörg Asmussen und ESM-Chef Klaus Regling Draghi zustimmten. Beide wiesen darauf hin, dass die internationalen Verflechtungen sogar eines so kleinen Landes wie Zypern zum globalen Crash führen könnten.
Die Lähmung der Politik ist selbstverschuldet: Jahrzehntelang haben praktisch alle Staaten der entwickelten Welt hemmungslos auf Pump gelebt. Und nun werden ihnen von jenen, die ihnen willfährig die Kredite gewährt haben, die Grenzen aufgezeigt.
IWF-Chefin Christine Lagarde machte den politischen Eliten in Davos klar, dass man ihnen ihre Wachstums-Märchen nicht mehr abkaufe. Sie forderte weitere rigide Sparmaßnahmen, sonst werden sogar die ohnehin schon mageren IWF-Prognosen nicht erreicht.
Die Machtübernahme durch die Ökonomen ist deswegen besonders bemerkenswert, weil ebendiese Ökonomen – Finanzoligarchen und Zentralbanker – natürlich keine Möglichkeit ausgelassen haben, die Staaten und ihre unersättlichen Politiker weiter in die Schuldenkrise zu treiben.
Das beste aktuelle Beispiel: EZB-Chef Mario Draghi hat beim Milliarden-Desaster um die italienische Banca Monte die Paschi di Siena (MPS) eine zentrale Rolle gespielt. Der ehemalige Goldman-Manager hat, als Chef der italienischen Zentralbank, keine Warnung ausgesprochen, als die Bank ziemlich augenfällig ins Verderben getrieben wurde (mehr zu diesem unglaublichen Krimi – hier). Nun sitzt er in Frankfurt und wird mit der EZB ab 2014 die europäische Bankenaufsicht übernehmen. Immun und unangreifbar. Eines kann man ihm allerdings nicht absprechen: Er hat die intimste Kenntnis über die Mechanismen der Banken, wenn es darum geht, bei säumigen Schuldnern das Geld einzutreiben, wenn sie nicht mehr zahlen können.
Die europäischen Schuldenstaaten werden schon bald die Knute spüren, die die Banken gegen Hochstapler einzusetzen pflegen.
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