Politik

„Größere Geschichte“: ESM-Urteil aus Karlsruhe erst nach der Bundestags-Wahl

Hier tickt eine politische Zeitbombe: Das Bundesverfassungs-Gericht will die Frage, ob der ESM gegen das Grundgesetz verstößt, erst nach eingehendster Prüfung entscheiden. Präsident Voßkuhle glaubt nicht, dass die Entscheidung noch in diesem Jahr erfolgt.
21.02.2013 12:44
Lesezeit: 1 min

Der Jurist und Beobachter des Bundesverfassungsgerichts, Maximilian Steinbeis, berichtet auf seinem Blog von einer interessanten Entwicklung in Karlsruhe.

Steinbeis schreibt:

„Ich komme gerade von der Jahrespressekonferenz des Bundesverfassungsgerichts. Dort stellt Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle immer die großen Bundesverfassungsgericht Verfahren vor, die in diesem Jahr entschieden werden sollen. Darunter sind zwei, die Europa betreffen.

Da ist zum einen das Verfahren zu ESM und Fiskalpakt, das ja immer noch beim Zweiten Senat anhängig ist – bisher ist ja nur über die Anträge auf einstweilige Anordnung entschieden. Ungeklärt ist vor allem, was Karlsruhe zu der Selbstermächtigung der Europäischen Zentralbank sagt, Anleihen der Schuldnerstaaten in unbegrenzter Höhe zu kaufen. Das ist völlig unkartiertes Gelände. Niemand weiß, was da rauskommt.

Allerdings scheint eher unwahrscheinlich, dass wir dazu noch in diesem Jahr ein Urteil sehen werden. Der Fall steht zwar auf der Liste der 2013 zu entscheidenden Verfahren, aber die heißt nicht ohne Grund in Karlsruhe “Lügenliste”. Voßkuhle deutete an, dass das Urteil noch nicht so bald kommt. Das sei eine “größere Geschichte”, man müsse “gucken, wie wir damit umgehen”, das sei “noch nicht ganz klar” – im Gegensatz etwa zum Urteil zum Ehegattensplitting, bei dem er “zuversichtlich (sei), dass wir das schaffen”.

Wobei das Gericht auch das Thema EZB abtrennen und gesondert entscheiden könnte, oder nicht? Dann könnte vielleicht die Hauptsacheentscheidung in punkto ESM und Fiskalpakt schneller fallen.“

Konkret bedeutet das, dass das Bundesverfassungsgericht offenbar mit einem Urteil nicht Öl ins Feuer des Bundestagswahlkampfs gießen möchte. Was das bedeutet, ist schwer zu sagen. Im zuständigen zweiten Senat sitzt unter anderem der ehemalige saarländische Ministerpräsident und CDU-Kämpe Peter Müller. Eine rein juristische Entscheidung bei dieser „größeren Geschichte“ ist unwahrscheinlich.

Die Karlsruher Richter würden mit jedem Spruch den Bundestags-Wahlkampf beeinflussen: Geben sie den Klägern recht, dann wäre das eine fatale Blamage für Merkel. Geben sie der großen Rot-Schwarz-Grün-Blauen Koalition recht, dann könnten die Linken im Wahlkampf gewinnen, indem sie die fortschreitende Ausbeutung der internationalen Arbeiterklasse noch größer auf ihre Fahnen schreiben.

Steinbeis merkt in seinem Blog an, dass sich der Zweite Senat bei der PK bemüht habe, „ein Maß an Gleichmut an den Tag zu legen, das an Herablassung grenzte“. Dies spricht dafür, dass man sich in Karlsruhe der Sprengkraft des Urteils für Europa bewusst ist. Die Richter wollen das Thema nicht im Wahlkampf zünden und kehren es somit dezent als Zeitbombe neben die Derivate unter den Europäischen Realitätsverweigerungsteppich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Russischer Angriff auf Nato-Staaten? Deutsche Sicherheitsexperten warnen vor Panikmache
11.04.2025

Ukraine-Krieg: Zahlreiche Sicherheitsexperten kritisieren Alarmismus und Aufrüstung wegen eines möglichen russischen Angriffskrieges auf...

DWN
Politik
Politik Sondertribunal Den Haag wegen Ukraine Krieg: Putin nicht vor Gericht - Keine Aburteilung in Abwesenheit
11.04.2025

Ein geplantes Sondertribunal zur Untersuchung mutmaßlicher Aggressionsverbrechen Russlands gegen die Ukraine wird den russischen...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Sekthersteller Rotkäppchen-Mumm: Vom ostdeutschen Sanierungsfall zum Marktführer
11.04.2025

Rotkäppchen-Mumm entwickelt sich wertmäßig bei Schaumwein und Wein deutlich über dem Marktniveau. Der Marktanteil ist mit 38 Prozent so...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der Rückgang des Dollars setzt sich fort – ein Grund zur Sorge
11.04.2025

Der US-Dollar, jahrzehntelang Symbol wirtschaftlicher Stabilität und globaler Dominanz, verliert zunehmend an Strahlkraft – und das...

DWN
Panorama
Panorama Neue Pandemie der Kurzsichtigen: Augenärzte sprechen von einer Pandemie der Myopie
11.04.2025

Warum Augenoptik ein Handwerk mit großer Zukunft ist: Um 2050 wird Prognosen zufolge die halbe Menschheit kurzsichtig sein. Epidemiologen...

DWN
Politik
Politik Rebellion im Inneren – Republikaner stellen sich gegen Trumps Handelskrieg
11.04.2025

In der Republikanischen Partei gärt es: Immer mehr Abgeordnete und Senatoren wenden sich gegen Donald Trumps kompromisslose...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steuerentlastung 2025: Was geplant ist und wie Firmen sich vorbereiten können
11.04.2025

Mit der Bundestagswahl im Februar 2025 richteten sich viele Hoffnungen auf die neue Regierung unter Führung von Friedrich Merz (CDU/CSU)....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle haben sich trotz Rückzug versechsfacht: Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman warnt
11.04.2025

Die vermeintliche Entspannung auf dem globalen Handelsparkett nach der Ankündigung von Donald Trump, seine Zollerhöhungen temporär...