Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Herr Jäger, die EZB-Bilanz entspricht mittlerweile 30 Prozent des BIPs der Eurozone. In der Vergangenheit hatte die EZB Unmengen an Staatsanleihen am Sekundärmarkt gekauft, um die Renditen zu senken. Wie beurteilen Sie diese Strategie der EZB?
Michael Jäger: Diese Strategie ist hochriskant. Das grundsätzliche Ziel der EZB, Spekulanten einen Riegel vorzuschieben, Stabilität und Sicherheit zu schaffen ist richtig. Das Problem ist nur, ob dies in der gewünschten Form funktioniert. Wenn die EZB-Bilanz deshalb 30 Prozent des BIPs der Eurozone entspricht und weiter steigt, dann steigt auch das Ausfall- und Haftungsrisiko. Wir haben zwar Kontrollmechanismen, aber aktuell wird die Pflicht zur Konsolidierung wieder aufgeweicht. Letztendlich werden Regeln wieder gebogen und gebrochen. Die Zeche haben dann wir Steuerzahler - insbesondere die Deutschen - zu zahlen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie schätzen Sie den Ausgang der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht ein?
Michael Jäger: Es geht um die Frage, ob die EZB mit dem Programm, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, um Länder in Not zu retten, dem so genannten „Outright Monetary Transaktion Programm“ ihre Kompetenzen überschritten hat oder nicht? Wenn das Bundesverfassungsgericht zustimmt, bleibt alles wie es ist. Spannend ist die Frage, was passiert, wenn das Verfassungsgericht sagt, die Grenzen wurden überschritten? Dann wäre dies zwar für die EZB nicht bindend, jedoch würde es die Deutsche Bundesbank in Schwierigkeit bringen, denn diese ist an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und gleichzeitig auch an Weisungen der EZB gebunden.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Da die 3-Jahres-Tender bisher in der Realwirtschaft nicht angekommen sind, erwägt EZB-Chef Draghi sogar den Ankauf von faulen Krediten, auf denen die Banken sitzen. Wie beurteilen Sie diesen Plan?
Michael Jäger: Davon können wir vom Steuerzahlerbund ihm nur dringend abraten. Wenn ich sage, jedes „faule Papier“, auf dem die Banken sitzen bleiben ist sicher, kaufe ich an, dann schaffe ich mehr Probleme als ich löse. Dieser Plan ist brandgefährlich. Natürlich möchte man helfen und Märkte weiter stabilisieren. Aber Kredite müssen auch ausreichend besichert sein, sonst führt es letztendlich dazu, dass sich die Länder denken: Warum soll ich denn noch konsolidieren, wenn ich für jedes Papier noch Geld kriege. Es gibt dann keinen Grund mehr zur Haushaltkonsolidierung. Die einen sparen sich die Rückzahlung ihrer Schulden vom Munde ab, die anderen setzen auf den Verkauf und Ausbau fauler Kredite. Aus meiner Sicht das vollkommen falsche Signal.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie beurteilen Sie das Risiko für die deutschen Steuerzahler hinsichtlich des ESM?
Michael Jäger: Der ESM birgt für Deutschland ein hohes fast unkalkulierbares Haftungsrisiko. Schon heute beträgt der deutsche Anteil am ESM 27,15 Prozent. Wenn ein anderes Euroland jedoch seinen Anteil nicht mehr leisten kann, wird dies auf die noch verbliebenen Länder umgelegt. Dazu kommen noch ein Vielzahl weiterer Webfehler. Aus gutem Grund lehnt der Bund der Steuerzahler den ESM in seiner heutigen Konstruktion ab. Insgesamt birgt die Eurorettung für Deutschland ein Haftungsrisiko, dass über einer Billion Euro liegt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Kredite in Höhe von einer Milliarde Euro sollen nun, garantiert von Bundestag, an spanische Unternehmen vergeben werden. Eine Geste ohne Risiko?
Michael Jäger: Und weitere Länder werden folgen. Da können Sie sicher sein. Auch hier gilt: Das Motiv, kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs), zu helfen ist wichtig und richtig. Für ausländische Unternehmen, die in Not geraten sind, muss zwingend die gleiche Messlatte angesetzt werden, wie für deutsche Unternehmen. Ist das Unternehmen überhaupt zu retten? Gibt es eine Perspektive? Sind Sicherheiten vorhanden? Wann bekomme ich den Kredit zurück? Ohne exakte Prüfung, laufen wir Gefahr, dass wir dem schlechten Geld noch gutes Geld hinterher werfen. Es ist wohl auch mehr ein symbolischer Akt des deutschen Bundestages. Hilfe ist richtig, aber bitte kein blinder Milliarden teurer Aktionismus.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Euro-Hawk, BER, S21, Elbphilharmonie – sind Großprojekte per se Steuerverschwendung oder wird hier nur ganz besonders gut die Verpulverung von Steuergeldern ersichtlich?
Michael Jäger: Bei solchen Großprojekte droht latent die Gefahr einer Steuergeldverschwendung. Wenn am Anfang der Planung, also beim Projektstart, der Vergabe usw. Fehler gemacht werden, nicht nachhaltig geplant und kontrolliert wird, dann wird es, wenn etwas schiefläuft, für uns Steuerzahler richtig teuer. Abhilfe schaffen könnte die Einschaltung eines verantwortlichen Projektsteuerers, der solche Projekte von Beginn an begleitet. Denn am Anfang werden die Kosten von öffentlichen Bauprojekten gerne niedrig angesetzt, damit man das Projekt auch ja durchbringt. Mehr und mehr Wünsche kommen auf den Tisch und dann wird immer weiter nachgebessert. Wenn dann noch öffentliche Fördermittel einfließen, spielt die Wirtschaftlichkeit oftmals keine Rolle mehr und die Baukosten explodieren geradezu. Das freut nur den Architekten, der an der steigenden Bausumme verdient. Dies belegt leider eindrucksvoll unser jährliches Schwarzbuch. Kein Haushalt und kein Unternehmen kann sich so eine Vorgehensweise leisten, die können nämlich Pleite gehen. Bei der öffentlichen Hand ist es anders, da zahlt die Zeche der Steuerzahler.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es schon die Möglichkeit, dass verantwortliche Politiker haften zu lassen?
Michael Jäger: Bisher geht dies nur, wenn sie grob fahrlässig handeln. Eine grob fahrlässige Verschwendung von Steuergeldern wird man nur sehr selten nachweisen können. Deshalb fordern wir ja eine entsprechende Anpassung der rechtlichen Grundlagen. Für den Flop am Flughafenneubau in Berlin haften zunächst einmal Steuerzahler und leider die Unternehmen, die jetzt wegen der Verzögerung der Eröffnung pleitegehen. Verhindern wird man das nie ganz können, weil immer Menschen im Spiel sind und Menschen machen Fehler. Aber man kann Risiken minimieren in dem man die Haftungsmöglichkeit ausweitet.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie steht die deutsche Regierung hinsichtlich von Steuerverschwendung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern da?
Michael Jäger: Verschwendung kennt leider keine Grenzen. Verschwendung ist kein rein deutsches Phänomen. In anderen Ländern, wo es weniger demokratische Kontrolle und weniger Transparenz gibt, kommt dann noch das Problem der Korruption und des Betruges hinzu. Auf europäischer Ebene fordern wir deshalb die Einführung eines so genannten EU-Staatsanwaltes, der von Amts wegen Betrug, Korruption und Verschwendung öffentlicher EU-Mittel verfolgt.