Zehntausende Menschen zogen Montag Abend durch die Straßen von Rio de Janeiro, um ihren Unmut über das Bildungssystem zu zeigen. Unter die protestierenden Lehrer und Sympathisanten mischten sich auch Mitglieder des gefürchteten Schwarzen Blocks und andere gewaltbereite Gruppen. Als der Protestzug das Rathaus erreichte, flogen Molotow-Cocktails und Steine, Bankscheiben zerbrachen, ein Bus brannte, weitere wurden demoliert.
Die Polizei ging sofort mit äußerster Härte gegen die Ausschreitungen vor und reagierte mit Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschossen, wie Latina-Press berichtete.
Die seit 46 Tagen streikenden Lehrer wollen auf die schlechten Bedingungen im Schulsystem aufmerksam machen. Dies resultiert in einer hohen Rate an Schulschwänzern und einer überschaubaren Anzahl an Abschüssen. Die Lehrer und ihre zehntausenden Unterstützer wollen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und mehr Lohn. Das Durchschnittsgehalt für Lehrer beläuft sich monatlich auf 1000 Real (umgerechnet 335 Euro).
Eine an den Protesten teilnehmende Lehrerin erklärt dem Guardian, dass sie und ihre Kollegen das Bildungssystem für korrupt halten und seine Bürokratie für völlig überzogen. Heimlich sei das System immer weiter privatisiert worden, wie sie an einem Beispiel erklärt. So sind allein die Verträge mit privaten Unternehmen über die Miete von Klimaanlagen für die Schulklassen so ausgeweitet worden, dass nach Begleichen der Rechnungen kein Geld mehr für die Lehrer bliebe.
Deswegen gibt sich die Lehrerschaft auch nicht mit einem Angebot des Bürgermeisters von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, zufrieden. So soll es eine Gehaltserhöhungen nur für Lehrer geben, wenn diese Vollzeit an einer Schule unterrichten, was aber für einen Großteil nicht möglich ist. Manche unterrichten bis zu zehn Fächer und das jeweils an anderen Schulen. Die Lehrerschaft verlangt deswegen eine umfassende Reform des Bildungssystems.
Der eigentliche Protest der Lehrer begann vor mehr als sechs Wochen, mit einer Gruppe Lehrer, die sich selbst Tropa de Prof (Lehrer-Truppe) nennt. Dazu gesellten sich immer mehr Sympathisanten, die die Zustände im Bildungssystem für unzumutbar hielten. Aber letzte Woche kam es zu Ausschreitungen mit der Polizei – mindestens 15 Personen wurden verletzt.
Aus diesem Grund gingen die Menschen diesmal vermehrt mit Motorradhelmen zu den Protesten, der diesmal am Rathaus eskalierte. Eine weitere Lehrerin erklärt gegenüber Medien, dass sie vermutet, dass die meisten Demonstranten keine Lehrer seien. Noch nie sei die Gesellschaft so mobilisiert gewesen wie jetzt.
Es fiel auch schon im Zusammenhang mit den Protesten der Begriff des Brasilianischen Frühlings. Es geht um den Wunsch, dass öffentliche Gelder nicht in den Sport gesteckt werden, sondern in Ausbildung, Gesundheit und Infrastruktur. Oder wie eine Englischlehrerin gegenüber AlJazeera zu bedenken gibt: Wenn das Land so viel Geld für die Weltmeisterschaft und Olympia hat, wo ist dann das Geld für Bildung und Gesundheit?
Was im Frühjahr als Demonstration gegen die Erhöhung von Fahrpreisen begann, wuchs zum landesweiten Protest. Rund um den Confederations Cup, der Generalprobe zur Fußball-Weltmeisterschaft, gingen hunderttausende Menschen in ganz Brasilien auf die Straße, um gegen die Eventausgaben der Regierung zu demonstrieren, die laufend höher werden als am Anfang versprochen.
Fünf der zwölf Stadien für die WM 2014 werden umgebaut, die restlichen gleich ganz neu errichtet. Allein der Umbau des berühmten Maracana-Stadion in Rio de Janeiro, in dem das WM-Finale stattfinden wird, kostet 425 Millionen Euro, mehr als doppelt so viel wie veranschlagt. Zwei Jahre später findet dort die Eröffnung der Olympischen Sommerspiele statt.