Deutschland

Merkel zum alten Deutschland: „Das Ganze nicht mit Trübsinn begleiten“

Lesezeit: 11 min
14.05.2013 16:53
Da es in Deutschland immer weniger Arbeitskräfte gebe, sei mehr Zuwanderung nötig, so Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dazu müsse Deutschland aber seinen schlechten Ruf überwinden (Rede im Wortlaut laut Manuskript).
Merkel zum alten Deutschland: „Das Ganze nicht mit Trübsinn begleiten“

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Datum: 14.05.2013

(Unkorrigiertes Manuskript)

Sehr geehrter Herr Bundesminister, lieber Hans-Peter Friedrich,

liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Kabinetten des Bundes und der Länder,

liebe Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalpolitik, der Sozialpartner und der Verbände,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

viele könnten jetzt genannt werden ‑ insbesondere diejenigen, die sich in den Arbeitsgruppen, mit denen ich eben gesprochen habe, engagieren. Das will ich aber nicht tun. Der Moderator kann beruhigt sein: Wir haben einfach später angefangen und trotzdem genauso lange gearbeitet; es ist nichts vorgefallen, was besonders zu erwähnen wäre, außer, dass mir viele interessante Ergebnisse vorgestellt wurden und deshalb die Zeit gut ausgefüllt war.

Wir haben mit diesem zweiten Demografiegipfel ‑ mein Dank gilt auch dem koordinierenden Ministerium, dem Bundesministerium des Innern ‑ einen einzigartigen Dialogprozess entwickelt ‑ einen Dialogprozess, der, glaube ich, der Größe der Aufgabe gerecht wird. Ich finde nach wie vor, dass unser Motto „Jedes Alter zählt“ ein gutes Motto ist, weil es den demografischen Wandel nicht als Last bezeichnet, sondern darin auch die Chancen, die bestehen, zum Ausdruck kommen.

Ich finde es ganz wichtig, dass wir das Ganze nicht mit Trübsinn begleiten und sagen „Nun ist dieser demografische Wandel über uns gekommen“, sondern dass wir sagen: Es ist so. Es ist im Übrigen nicht nur in Deutschland so, sondern es ist in vielen Ländern der Erde so. Wenn wir in Deutschland das Ganze gut gestalten, dann sind wir sicherlich auch ein Modell für andere, die solch einen Prozess noch durchleben werden.

Wir haben innerhalb der Bundesrepublik Deutschland wieder die Situation, dass die neuen Bundesländer sozusagen Vorreiter für diesen demografischen Wandel sind und wir dort auch schon sehen können, welche Auswirkungen das hat und wie wir reagieren können. Insofern können wir daraus manches lernen. Das ist, glaube ich, sehr wichtig.

Wir haben, nachdem wir die Daten erfasst haben und nachdem wir die Themen bestimmt haben, neun Arbeitsgruppen gegründet. Ich bedanke mich, dass es gelungen ist, alle Ebenen und alle Bereiche unserer Gesellschaft in diese Arbeit mit einzubeziehen und dabei zu fragen: Wie wollen wir das Mehr an Lebenszeit nutzen und wie wollen wir auf die Tatsache, dass wir, wenn wir nichts tun, weniger und vielfältiger werden, reagieren?

Ich glaube, dass das Thema des Zeitmanagements dabei eine sehr große Rolle spielt. Ich glaube allerdings auch, dass wir angesichts der Entwicklung, dass wir bis 2025 sechs Millionen weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland haben werden, durchaus auch auf eine Offenheit in Richtung Zuwanderung setzen können. Wir haben im letzten Jahr ein positives Wanderungssaldo in Höhe von 370.000 gehabt. Viele der Zuwanderer sind gut ausgebildet und wollen in unserem Land zeigen, was sie können. Die OECD sagt uns im Übrigen, dass die Bedingungen dafür in Deutschland sehr gut sind. Unser Ruf ist allerdings sehr schlecht: Wir gelten als abgeschlossen, wir gelten als ein Land, in das zu kommen sehr kompliziert ist. Das heißt, alle, die einen Beitrag dazu leisten können, können noch gut für Deutschland als ein offenes Land, das Fachkräfte sehr willkommen heißt, werben.

Wir haben zu berücksichtigen, dass wir mit ganz unterschiedlichen Situationen umgehen müssen. Wir haben Regionen, in denen es Zuwachs und Zuzug gibt; wir wissen das aus Süddeutschland und zum Beispiel auch aus lokalen Regionen in Sachsen, wo sehr viele junge Leute sind, wo sehr viele Kinder geboren werden und wo man plötzlich sieht, dass die Schulklassen eher zu groß als zu klein sind. Wir haben an anderer Stelle aber auch Regionen, in denen sich die Bevölkerungsstruktur völlig verändert und in denen sehr wenige Kinder sind. Die Kultusministerin aus Brandenburg wies gerade darauf hin, dass in einigen Teilen der neuen Bundesländer fast jede zweite Schule geschlossen werden musste. Das ist also ein dramatischer und ganz unterschiedlicher Strukturwandel. Darauf müssen wir reagieren. Ich habe mir in den letzten Wochen einige der Projekte auch angeschaut, weil im Lande schon sehr, sehr viel passiert.

Die Bundesregierung hat schon vor langer Zeit mit dem Projekt der Mehrgenerationenhäuser einen Stein ins Wasser geworfen, um den sich heute viele, viele Projekte des demografischen Wandels ranken. Ich habe mir in Langenfeld in Bayern ein solches Mehrgenerationenprojekt angeschaut. Es ist ganz interessant, dass aus dem Nukleus eines solchen Mehrgenerationenhauses eine ganze Bebauung einer Ortschaft wird, bei der man überlegt: Wie kann ich altersgerechtes Wohnen, wie kann ich Arztpraxen, wie kann ich anderes um dieses Mehrgenerationenhaus ansiedeln? Genau so haben wir uns das eigentlich auch gedacht.

Ich habe mir auch Projekte im Zusammenhang mit der beruflichen Ausbildung angeschaut. Mittelständische Unternehmen werben heute zum Teil schon sehr intensiv um junge Fachkräfte. Ich habe mich gefreut, dass es zum Beispiel so etwas wie Ausbildungsbotschafter gibt ‑ junge Leute, die selber noch in der Ausbildung sind oder gerade fertig sind, die in Schulen gehen und dort für ihre Berufe werben. Diese jungen Leute können manchmal vielleicht ganz anders mit den Schülerinnen und Schülern darüber sprechen, was man denn so können muss, wenn man Mechatroniker oder Ähnliches wird, als jemand, der schon 30 oder 40 Jahre lang Meister ist. Des Weiteren habe ich mir in Jena angeschaut, wie man angesichts eines sich abzeichnenden Fachkräftemangels jüngere und ältere Mitarbeiter zusammenarbeiten lässt. Gerade was den ganzen Bereich des Arbeitsmarktes anbelangt, habe ich hieraus vieles gelernt.

Ich glaube, dass wir als ein Land, das gelebte soziale Marktwirtschaft verkörpert, richtig daran tun, den Dialogprozess auf allen Ebenen ‑ weit über die Politik hinaus ‑ anzulegen. In Deutschland gibt es nicht die eine zentrale Institution, die auf so einen gesellschaftlichen Wandel reagieren kann, sondern in Deutschland sind Verantwortlichkeiten aus gutem Grunde im Geist der sozialen Marktwirtschaft auf verschiedene Verantwortliche aufgeteilt. Deshalb muss die Politik ihren Beitrag leisten und deshalb müssen ‑ und das tun sie ‑ auch die Tarifpartner ihren Beitrag leisten. Herr Sommer als DGB-Chef hat gerade erzählt, wie er vor Jahr und Tag noch über die Fragen des Zeitmanagements gesprochen hat, als das in den Gewerkschaften und auch bei uns noch nicht so sehr als das große Thema sichtbar war. Inzwischen haben diese Themen in allen Bereichen an Bedeutung gewonnen.

Begreifen wir die Gestaltung des demografischen Wandels also als ein Gemeinschaftswerk der sozialen Marktwirtschaft. Das müssen wir uns sozusagen als Arbeitsaufgabe vornehmen. Die Ziele sind dabei, glaube ich, unstreitig: Es geht darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren, es geht darum, den Wohlstand in unserem Lande nachhaltig zu sichern, und es geht darum, den Menschen auf dem Weg der Veränderung der eigenen Biografie, des eigenen Lebenslaufes ‑ den es in früheren Generationen so nicht gegeben hat ‑ zur Seite zu stehen und zu helfen.

Dabei ist natürlich das Thema Familie von zentraler Bedeutung. Ich bin sehr froh, dass wir ‑ auch durch massive Unterstützung des Bundes ‑ jetzt zu dem Punkt kommen, an dem der Rechtsanspruch auch für die Betreuung von unter 3-jährigen Kindern Gestalt annimmt. Der Rechtsanspruch gilt ab dem 1. August dieses Jahres. Der Bund wird sich auch dauerhaft an der Finanzierung dieser Aufgabe beteiligen, weil wir sie als eine große gesellschaftliche Aufgabe angesehen haben – gerade, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht, aber auch, wenn es um die Frage von Bildungsangeboten für Kinder geht, die aus Familien kommen, in denen die Familien selbst diese Bildungsangebote vielleicht nicht so machen können.

Wir haben ein breites Förderinstrumentarium für Familienleistungen. Ob dies effizient genug ist, das wird im Augenblick gerade noch herausgefunden. Allerdings sage ich auch: Leistungen, die einmal ausgeteilt werden, in irgendeiner Weise wieder umzuorganisieren, ist in Deutschland auch nicht gerade eine einfache Aufgabe. Wir haben uns sehr daran gewöhnt, dass alles additiv sein muss, und insofern müssen wir schauen, wie wir dabei vorankommen.

Aber in den letzten Jahren ist ein neuer Aspekt in der Familienförderung aufgekommen, und das ist die Frage: Wie gehen wir mit der verfügbaren Zeit um? Hierbei werden wir einiges sicherlich auch gesetzlich regeln müssen. Es gibt heute schon Rechtsansprüche, zum Beispiel auf Teilzeitbeschäftigung. Aber es wird ganz wichtig sein, und ich gehöre zu den Befürwortern ‑ wir haben die Wirtschaft noch nicht davon überzeugt; daran müssen wir noch arbeiten ‑, dass wir, um Frauen ‑ meistens sind es ja Frauen ‑ nicht dauerhaft in Teilzeit zu belassen, dann wieder die Möglichkeit brauchen, dass man zurückkehren kann und auch wieder einen Anspruch auf Vollzeitbeschäftigung hat. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt.

Wir brauchen natürlich auch einen verbesserten Umgang mit den Aufgaben der Pflege, also der Pflegezeit, die wir sozusagen auch eingeführt haben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass das auch viele Unternehmen akzeptieren. Hier wird dann immer gesagt: Schauen Sie sich doch einmal die Zahlen an, das ist doch noch gar nicht so richtig in Gebrauch! – Ich muss Ihnen sagen: Das sind ja auch alles gesellschaftliche Lernprozesse. Wir brauchen überall Vorreiter, die sagen: „Jawohl, das funktioniert! Ich kann mir das zutrauen.“ Wir brauchen Arbeitgeber, die in dem Moment, in dem man so etwas in Anspruch nehmen will, nicht die Nase rümpfen und die Augenbrauen hochziehen.

Insofern, will ich noch sagen, haben sich beim Elterngeld natürlich die Vätermonate unglaublich gut ausgewirkt. Das habe ich zum Beispiel auch in Jena in Bezug auf die Jüngeren gehört. Dort sind es nämlich auch die jüngeren Väter, die diese Elternmonate nehmen. Seitdem das vermehrt passiert, kann der Arbeitgeber natürlich nicht mehr sagen „Bei einem Mann bin ich sozusagen auf der sicheren Seite; der wird von der Tatsache, dass es in einer Familie Kinder gibt, nicht so weit berührt“, sondern beide, Mütter und Väter, werden für den Arbeitgeber zu einem gleichen Risiko, kann man sagen, oder zu einer gleichen Chance, sage ich einmal. Denn diejenigen, die sich mit Kindererziehung befassen ‑ das habe ich schon und immer wieder gesagt ‑, sind natürlich im Zweifelsfall nicht weniger flexibel, sondern außerordentlich flexibel und lebenserfahren. Das kann ja in der Arbeitswelt auch nicht schaden.

Wir haben inzwischen sehr viele Möglichkeiten dafür ‑ das habe ich mir in der Altmark auch angeschaut ‑, dass sich zum Beispiel das lokale Verkehrssystem an die Notwendigkeiten und Gegebenheiten anpasst, was die Kinderbetreuung, den Transport zu Kinderbetreuungseinrichtungen und Rufbusse anbelangt, wenn der Bedarf vorhanden ist. Dazu sind bereits sehr interessante Modelle in Landkreisen entwickelt worden, die sehr gering bevölkert sind. Ich glaube, von all diesen Erfahrungen wird man lernen können.

Meine Damen und Herren, wir haben heute als eine konkrete Maßnahme für Menschen mit Demenz eine Internetseite, ein Portal, eröffnet. Es soll eine Allianz gegründet werden, durch die Menschen lokal informiert werden sollen. Ich danke allen, die daran mitgearbeitet haben. Das Ziel ist es, dass wir 500 Anlaufstellen für ältere Menschen bekommen ‑ wir fangen jetzt natürlich mit weniger an ‑, die dann wissen können: Was passiert in meiner Region? Denn die Förderung eines selbstbestimmten Lebens im Alter wird eine der ganz großen Herausforderungen sein. Der ehemalige Oberbürgermeister von Stuttgart, Herr Schuster, hat gerade ganz nüchtern Zahlen genannt: Es wird einen riesigen Bedarf an Wohnungen geben, die altersgerecht sind. Er hat den sehr zielführenden Vorschlag gemacht, dass man, wenn man Möglichkeiten für altersgerechtes Wohnen durch Umbauten sozusagen schafft, das gleich mit energetischer Gebäudesanierung verbindet. Das heißt, auch hier Energiewende und demografischen Wandel miteinander zusammenzupacken. Auch dazu müssen wir uns die richtigen Förderinstrumentarien überlegen. Ich denke, dass die ganze Aufgabe auch mit den Kommunalen Spitzenverbänden weiterhin intensiv besprochen werden wird.

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass wir vieles im eigenen Land tun müssen. Ich bin der Bundesagentur für Arbeit sehr dankbar, dass jetzt auch konkret überlegt wird, wie man den jungen Leuten, die heute zwischen 25 und 35 Jahre alt sind und die noch in Zeiten aus der Schule gekommen sind, als nicht jeder junge Mensch einen Ausbildungsplatz bekommen hat, nachträglich noch zu einer Berufsausbildung verhelfen kann. Es wird nämlich ganz wichtig sein, dass wir intensiv alles tun, um Langzeitarbeitslosigkeit bei uns zu bekämpfen und vor allen Dingen jüngeren Menschen eine Perspektive zu geben. Wir wissen: Das Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit ist ohne Berufsausbildung extrem hoch.

Deshalb gibt es auch eine Vielzahl von Aktivitäten in Bezug auf die Bildungsbiografie. Die Ministerin aus Brandenburg, Frau Münch, hat gerade dargestellt, wie wichtig es ist, auch die Übergänge besser zu gestalten - vom Kindergarten in die Schule, von der Schule in die Berufsausbildung. Wir Deutschen neigen ja sehr dazu, die Dinge immer sehr gekästelt und in Schubladen zu betrachten, und wir kümmern uns dann selten darum, dass der Mensch ja all diese verschiedenen Übergänge managen muss. Insofern ist es nicht damit getan, dass man sagt: Mit der Schule beginnt der Ernst des Lebens. Vielleicht schaut man sich vielmehr auch noch einmal an, wie das Kind aus der Welt des Kindergartens ruhig in die Welt der Schule überwechseln kann. Vielleicht sagt man nicht „Die Schule ist Ländersache, und die Berufsausbildung ist nun wieder mehr beim Bund angesiedelt, also kümmert uns das nicht“, sondern versucht, die notwendige Kooperation zwischen den verschiedenen Stufen hinzubekommen.

Es gibt, wenn wir uns unser Potenzial an Erwerbstätigen anschauen, natürlich vor allen Dingen auch das Thema der Frauen. Ich habe im Zusammenhang mit der Teilzeit schon darüber gesprochen. Ich denke, das wird aber vorankommen. Die Erwerbstätigenquote der Frauen ist seit 2005, also seitdem ich Bundeskanzlerin bin, immerhin von 61 Prozent auf mehr als 70 Prozent gewachsen. Wir sind, was das angeht, im europäischen Vergleich recht gut, aber ich habe schon auf das Thema Teilzeit hingewiesen, und hierbei müssen wir noch mehr auf die Frage von mehr Arbeitsstunden achten.

Wir haben bei den Älteren, also den 55- bis 64-Jährigen, die Erwerbstätigenquote von 46 Prozent im Jahr 2005 auf 60 Prozent angehoben. Dieser Weg muss weiter beschritten werden. Aber hier ist viel passiert. Es wird sicherlich das große Thema des altersgerechten Erwerbslebens hinzukommen, und zwar mit mehr Prävention, mit mehr Gesundheitsvorsorge. Wir können hierbei sicherlich auch von anderen Ländern eine ganze Menge lernen.

Wir haben im Bereich der Berufsbildung für Migrantinnen und Migranten vieles erreicht. An dieser Stelle müssen wir weitermachen. Nach wie vor haben wir Probleme beim Beherrschen der Sprache und damit der ganzen Frage der Bildungsfähigkeit. Heute wird auch in einigen Artikeln darüber berichtet, weil die Gruppen derer, die zu uns kommen, sich dauernd verändern und wir natürlich darauf reagieren müssen.

Damit bin ich dann bei unserem europäischen Binnenmarkt. Hans-Peter Friedrich hat es schon gesagt: Wir sind ein europäischer Binnenmarkt, und wir werden, wenn wir auf die unterschiedlichen Situationen in den Ländern reagieren wollen, sicherlich sehr viel mehr Mobilität im Arbeitsmarkt entwickeln müssen. Das ist noch der große Unterschied zum Beispiel zu den Vereinigten Staaten von Amerika. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es einen Binnenmarkt im ökonomischen Sinne. Aber es gibt eine völlige Mobilität zwischen den einzelnen Regionen.

Wenn wir die völlige Mobilität im Arbeitsmarkt zwischen den ostdeutschen Ländern und den westdeutschen Bundesländern nicht gehabt hätten, dann hätten wir heute noch ganz andere Arbeitsmarktprobleme, als wir sie ohnehin schon haben. Es muss unser Ziel sein, wirklich offen für junge Leute zu sein, die zu uns kommen, wenn wir heute schon wissen, dass 2025 in Deutschland 6 Millionen Arbeitskräfte weniger sein werden.

Wir müssen daran arbeiten, dass wir vergleichbare Berufsausbildungssituationen in den Ländern bekommen. Die Frage der dualen Berufsausbildung hat sich bewährt. Deutschland wird heute für diesen Weg bewundert. Ich bin sehr dafür, dass mehr und mehr junge Leute studieren; aber es wird nicht zu 100 Prozent Absolventen von Hoch- und Fachhochschulen geben können. Die berufliche Ausbildung ist also ein ganz wichtiger Punkt.

Im Übrigen haben wir heute über einen interessanten Punkt gesprochen. Wir haben ja sehr viele Studienabbrecher. Wir kennen sehr viele Wege der Durchlässigkeit, wo man sagt: Derjenige, der eine Berufsausbildung hat, soll auch an eine Hochschule können, um sich weiter zu qualifizieren. Wir haben aber noch gar keine große Erfahrung mit denen, die einige Semester studiert haben und dann vielleicht wieder in die duale Berufsausbildung wollen. Genau darauf achtet jetzt die Arbeitsgruppe, die sich mit Bildungsbiografien befasst.

Also wir brauchen mehr Mobilität in Europa. Das bedeutet: Nicht nur diejenigen, die eine akademische Ausbildung haben, müssen eine zweite Sprache beherrschen, sondern alle müssen eine zweite Sprache können, damit wir ein Verständigungsniveau in Europa erreichen. Der Bundespräsident hat neulich in seiner Europa-Rede darüber gesprochen. Er ist ein bisschen belächelt worden. Man hat wohl gedacht: Warum redet er jetzt davon, dass jeder Englisch können muss? ‑ Aber ich glaube, es ist wichtig. Wenn wir keine gemeinsame sprachliche Grundlage in Europa finden, dann haben wir ein Problem.

Dann müssen wir unsere sozialen Sicherungssysteme schrittweise so gestalten, dass sie natürlich nicht identisch sind, aber dass man Erwerbsbiografien zusammenbauen und Rentenansprüche und andere Ansprüche mitnehmen kann, wenn man in ein anderes Land wechselt.

Meine Damen und Herren, ich habe damit eine Reihe von Themen angesprochen, in denen wir erste Ergebnisse haben. Es sind Themen, die in den Arbeitsgruppen eine große Rolle gespielt haben. Ich könnte noch vieles andere sagen. Das wird aber heute alles noch in den Podiumsdiskussionen zur Sprache kommen. Wir haben gute Chancen, wenn wir den Prozess des demografischen Wandels im Geist der sozialen Marktwirtschaft intensiv vorantreiben, dass wir ihn zum Guten und zum Wohle der Menschen gestalten können.

Meine tiefe Überzeugung ist, dass wir damit anfangen müssen. Wir können nicht erst beginnen, wenn wir die Dinge noch stärker sehen, sondern es ist hohe Zeit. Ich glaube ‑ auch wenn das nicht alle im Raum teilen ‑, dass wir den Menschen einige schwierige Botschaften sagen müssen, zum Beispiel das schrittweise Erreichen eines Renteneintrittsalters von 67 Jahren. Das soll im Jahre 2029 der Fall sein. Ich darf Ihnen berichten, dass viele europäische Länder jetzt sehr viel schneller die Verlängerung der Lebensarbeitszeit einführen werden. Ich finde, es ist generationengerecht, wenn wir frühzeitig anfangen und uns rechtzeitig vorbereiten. Ansonsten kämen wir in eine schwierige Krise, und eine Generation müsste dann alles auf einmal leisten. Das heißt also: Alles, was wir heute schon vorbereiten und schaffen können, ist auch ein Beitrag zur Gerechtigkeit der zukünftigen jüngeren Generation.

Wenn wir uns einmal anschauen, wie sich unser Altersaufbau verändert ‑ Sie sehen das ja im Logo ‑, dann wissen Sie, es kommen Zeiten auf uns zu, in denen deutlich weniger junge Menschen nicht nur ihre eigene Familie gründen, sondern auch die soziale Sicherheit von anderen garantieren müssen, nämlich der Älteren.

In einer globalen Welt mit offenen Grenzen können Sie jungen Leuten nicht mehr verpflichtend sagen: Du musst in Deutschland deine Heimat sehen. Wir müssen deshalb verhindern, dass wir Generationen der Zukunft zu stark belasten und sie dann eventuell unser Land verlassen. Wir müssen alles tun, damit die Verantwortung von Generation zu Generation weitergegeben wird. Deshalb ist es so wichtig, dass jede Generation ihren Teil der Verantwortung übernimmt.

Noch einmal herzlichen Dank ‑ mein Dank gilt besonders all denen, die sich heute aktiv einbringen ‑, und ich wünsche Ihnen heute gute Beratungen bei diesem zweiten Demografiegipfel! Alles Gute!


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